Das Konzept der pfeilerkreuzenden Zugschrauben in der Osteosynthese von Acetabulumfrakturen

<p class="article-intro">Die offene Reposition und interne Fixation stellt den Goldstandard in der Behandlung von dislozierten Acetabulumfrakturen bei nicht geriatrischen Patienten dar. Frakturen mit Beteiligung beider Pfeiler bedürfen dabei in aller Regel auch der Stabilisierung beider Pfeiler. Die Verplattung des vorderen und hinteren Pfeilers erfordert einen kombinierten Zugang und ist mit hoher Invasivität und langen OPZeiten verbunden. Das Konzept der pfeilerkreuzenden Zugschrauben zielt darauf ab, die Invasivität dieser Eingriffe zu reduzieren.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Konzept der pfeilerkreuzenden Zugschrauben soll die Invasivit&auml;t der Osteosynthese von Acetabulumfrakturen mit Beteiligung beider Pfeiler reduzieren.</li> <li>Nicht alle Acetabulumfrakturen sind f&uuml;r die Anwendung dieser Technik geeignet. Die Eignung muss im Rahmen der pr&auml;operativen Frakturanalyse untersucht werden.</li> <li>Die pr&auml;operative Korridoranalyse dient der Bestimmung des Eintrittspunkts und des geplanten Schraubenverlaufs.</li> <li>Die intraoperative Umsetzung erfolgt unter Bildwandlerkontrolle in der ap, der seitlichen und der schr&auml;g-seitlichen Projektion.</li> </ul> </div> <h2>Konzept der pfeilerkreuzenden Zugschrauben</h2> <p>Das grundlegende Prinzip besteht darin, &uuml;ber einen vorderen oder hinteren Zugang eine Schraubenosteosynthese des jeweils kontralateralen Pfeilers durchzuf&uuml;hren. Dementsprechend k&ouml;nnen zwei Varianten unterschieden werden:</p> <ol> <li>&Uuml;ber einen dorsalen Zugang (Kocher-Langenbeck-Zugang) wird die Schraube von der &auml;u&szlig;eren Kortikalis des supraacetabul&auml;ren Os ilium in Richtung der Symphyse in den vorderen Pfeiler eingebracht.</li> <li>&Uuml;ber einen ventralen Zugang (Olerud-Zugang, 1. Fenster des ilioinguinalen Zugangs, Pararectus-Zugang) wird die Schraube von der inneren Kortikalis des supraacetabul&auml;ren Os ilium in Richtung Tuber ischiadicum in den hinteren Pfeiler eingebracht.</li> </ol> <p>Das Konzept der pfeilerkreuzenden Zugschrauben eignet sich allerdings nicht f&uuml;r alle Frakturen mit Beteiligung beider Pfeiler, sondern bedarf f&uuml;r eine erfolgreiche Anwendung der Erf&uuml;llung der folgenden beiden Voraussetzungen:</p> <ol> <li>Die Reposition ist der wichtigste Outcome- Parameter in der Osteosynthese von Acetabulumfrakturen. Somit sind nur Frakturen geeignet, bei denen die Reposition des kontralateralen Pfeilers &uuml;ber den gew&auml;hlten Zugang adressiert werden kann. Dies muss im Zuge einer pr&auml;operativen Frakturanalyse untersucht werden.</li> <li>Die pfeilerkreuzenden Schrauben bed&uuml;rfen eines komplett intraoss&auml;ren Verlaufs und d&uuml;rfen im Schraubenverlauf weder das H&uuml;ftgelenk noch die Gegenkortikalis perforieren. Im Zuge einer pr&auml;operativen Korridoranalyse wird die kn&ouml;cherne Anatomie in Bezug auf den geplanten Schraubenverlauf untersucht.</li> </ol> <h2>Pr&auml;operative Frakturanalyse</h2> <p>Die pr&auml;operative Frakturanalyse wird in der CT durchgef&uuml;hrt und umfasst zun&auml;chst die Bestimmung des Frakturtyps. Die Klassifikation nach Letournel und Judet ist auch mehr als 50 Jahre nach ihrer Ver&ouml;ffentlichung daf&uuml;r gut geeignet.<br /> Im zweiten Schritt wird untersucht, ob die Fraktur &uuml;ber einen singul&auml;ren Zugang mit ausreichender G&uuml;te reponiert werden kann. Diese Einsch&auml;tzung erfordert eine gewisse Erfahrung des Untersuchers in der operativen Behandlung von Acetabulumfrakturen. Im Folgenden sollen diesbez&uuml;gliche &Uuml;berlegungen f&uuml;r die drei am h&auml;ufigsten operativ zu versorgenden Frakturen mit Beteiligung beider Pfeiler formuliert werden.</p> <p><strong>Querfraktur</strong><br /> Dieser Frakturtyp zeichnet sich durch eine singul&auml;re Frakturlinie aus. Die Frakturkomponente des kontralateralen Pfeilers kann somit &uuml;ber den gew&auml;hlten Zugang indirekt reponiert werden. Grunds&auml;tzlich k&ouml;nnen dabei beide Varianten von pfeilerkreuzenden Zugschrauben verwendet werden. Im eigenen Vorgehen wird ein vorderer Zugang (Stoppa-Zugang und Mini-Olerud-Zugang) mit einer pfeilerkreuzenden Zugschraubenosteosynthese des hinteren Pfeilers bevorzugt. Zum einen ist der vordere Zugang weniger invasiv als der Kocher-Langenbeck-Zugang, zum anderen besitzt der hintere Pfeiler einen gr&ouml;&szlig;eren Durchmesser und somit besteht ein geringeres Risiko einer Fehlplatzierung der pfeilerkreuzenden Schraube. Liegt zus&auml;tzlich noch ein zu adressierendes Hinterwandfragment vor (Frakturtyp: Querfraktur mit Hinterwand), muss allerdings ein hinterer Zugang mit vorderer Pfeilerschraube gew&auml;hlt werden.</p> <p><strong>Vordere Pfeiler- und hintere Hemiquerfraktur (VPHQF)</strong><br /> Dieser Frakturtyp zeichnet sich trotz des etwas sperrigen Namens durch einen einheitlichen Mechanismus (Abb. 1a) und typische Frakturkomponenten (Abb. 1b) aus. Aufgrund der vorwiegenden Beteiligung des vorderen Pfeilers wird die Fraktur &uuml;ber einen vorderen Zugang reponiert. Der hintere Pfeiler ist einfach frakturiert und eignet sich aus diesem Grund hervorragend f&uuml;r eine Zugschraubenosteosynthese. Die hintere Frakturkomponente kann zudem indirekt &uuml;ber die quadrilaterale Fl&auml;che reponiert werden. Aus besagten Gr&uuml;nden eignet sich die VPHQF ideal f&uuml;r eine Reposition und Stabilisierung &uuml;ber einen vorderen Zugang in Kombination mit einer hinteren pfeilerkreuzenden Zugschraube.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s44_abb1_krappinger.jpg" alt="" width="850" height="369" /></p> <p><strong>Zweipfeilerfraktur</strong><br /> Zweipfeilerfrakturen stellen eine Gruppe von Frakturen mit heterogenen Verletzungsmechanismen und Frakturkomponenten dar. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide Pfeiler sowohl voneinander als auch vom restlichen Ilium durch Frakturlinien separiert sind. Dies erschwert zwar einerseits die indirekte Reposition des kontralateralen Pfeilers. Andererseits kann durch die frakturbedingte Separierung der beiden Pfeiler voneinander und vom Os ilium eine sogenannte sekund&auml;re Kongruenz im Sinne einer weitgehend anatomischen Anordnung aller Frakturkomponenten um den Femurkopf ohne Ausbildung von Gelenkstufen auftreten. Es muss im Einzelfall entschieden werden, ob sich eine Zweipfeilerfraktur f&uuml;r die Anwendung einer pfeilerkreuzenden Zugschraube eignet und welcher Zugang bevorzugt gew&auml;hlt wird.</p> <h2>Pr&auml;operative Korridoranalyse</h2> <p>Im Folgenden soll beispielhaft die Korridoranalyse f&uuml;r eine hintere pfeilerkreuzende Zugschraube dargestellt werden. Die pr&auml;operative Becken-CT wird daf&uuml;r verwendet. Diese kann mit jeder Software, die &uuml;ber die Funktion der zweidimensionalen multiplanaren Reformation (MPR) verf&uuml;gt, durchgef&uuml;hrt werden. Sollte die Korridoranalyse aufgrund der Dislokation auf der frakturierten Seite nicht durchf&uuml;hrbar sein, so kann sie auf der Gegenseite durchgef&uuml;hrt werden.<br /> In einem ersten Schritt wird der Eintrittspunkt ausgew&auml;hlt. Dieser liegt in der Regel in der N&auml;he des &Uuml;bergangs vom schmalen Beckenkamm zum breiteren supraacetabul&auml;ren Knochen (Abb. 2a). Durch Verschieben des Achsenkreuzes und Rotation der Achsen kann der ideale Korridor gefunden werden. Um das intraoperative Auffinden des Eintrittspunkts zu erleichtern, kann in weiterer Folge die Live-Sync- Funktion verwendet werden, welche die in der CT-Rekonstruktion gew&auml;hlten Eintritts- und Endpunkte auf den Scout projiziert (Abb. 2b). Beim Scout handelt es sich um eine ap Aufnahme in R&uuml;ckenlage des Patienten auf dem CT-Tisch, die intraoperativ mittels Bildwandler in R&uuml;ckenlage auf dem OP-Tisch reproduziert werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s45_abb2_krappinger.jpg" alt="" width="850" height="303" /></p> <h2>Intraoperative Umsetzung</h2> <p>Im Folgenden soll beispielhaft die intraoperative Umsetzung einer hinteren Pfeilerschraube dargestellt werden. Diese erfolgt unter Bildwandlerkontrolle in drei Projektionen: der ap Projektion, der seitlichen Projektion (Abb. 3a) und der schr&auml;gseitlichen Projektion (Abb. 3b).<br /> Der Eintrittspunkt wird in der ap Projektion aufgesucht. Sollte dieser &uuml;ber den bereits angelegten vorderen Zugang nicht erreicht werden, so kann ein 2&ndash;3 cm langer Zugang &uuml;ber der Beckenschaufel (Mini-Olerud-Zugang) angelegt werden. Gem&auml;&szlig; der pr&auml;operativen Planung wird der F&uuml;hrungsstift f&uuml;r eine kan&uuml;lierte Gro&szlig;fragmentschraube bis zum H&uuml;ftgelenk vorgebohrt. In weiterer Folge wird die extraartikul&auml;re Lage des Stifts in der seitlichen Projektion &uuml;berpr&uuml;ft. Bei g&uuml;nstigem Stiftverlauf wird dieser bis in die gew&uuml;nschte Endposition vorgebohrt. Es folgt die Kontrolle der intraoss&auml;ren Stiftlage in der schr&auml;g-seitlichen Projektion. Bei korrekter Stiftlage wird die Schraube nach L&auml;ngenmessung und Vorbohren eingebracht. Die Kontrolle der Schraubenlage erfolgt abschlie&szlig;end in der ap Projektion (Abb. 4a), in der schr&auml;g-seitlichen Projektion (Abb. 4b) und gegebenenfalls postoperativ in der CT (Abb. 4c).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s45_abb3_krappinger.jpg" alt="" width="850" height="291" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s46_abb4_krappinger.jpg" alt="" width="850" height="281" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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