
©
Getty Images/iStockphoto
Bioimplantate für Orthopädie und Traumatologie
Jatros
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Bereitstellung von Gewebeallografts unterliegt in Österreich strengen Regulativen und Kontrollen. Die Produkte werden dadurch höchsten Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen gerecht. </p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Während in vielen anderen Ländern außerhalb Europas und auch in manchen europäischen Ländern Allografts als Medizinprodukte bzw. Arzneimittel geführt werden, gelten sie nach österreichischem Gesetz als Gewebe und unterliegen dem Gewebesicherheitsgesetz (GSG). Dieses regelt sowohl die Entnahme von Spendermaterial als auch die weitere Verarbeitung und Verteilung an Anwender. Laut GSG darf die Gewinnung von humanen Zellen und Geweben zur medizinischen Verwendung nur in Entnahmeeinrichtungen erfolgen, die vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zertifiziert wurden. Die Konservierung, Lagerung und Distribution von menschlichen Zellen und Geweben darf nur von Gewebebanken durchgeführt werden, die vom BASG bewilligt sind. Die Kontrolle der Einhaltung aller Vorschriften erfolgt durch eine Abteilung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im Auftrag des Bundesministeriums.</p> <h2>Von der Entnahme zum einsatzbereiten Produkt</h2> <p>Aufgrund der strengen Auflagen und des damit verbundenen höheren Aufwands werden immer mehr lokale Gewebebanken geschlossen. Dadurch gewinnen externe Organisationen, welche die Aufbereitung von Spendermaterial übernehmen, an Bedeutung. Diese Non-Profit-Organisationen – wie z.B. die C+TBA (Cells + Tissuebank Austria gemeinnützige GmbH), die ECTB (European Cell and Tissue Bank) oder das US-Unternehmen LifeNet Health, das heuer sein europäisches Headquarter in Wien geöffnet hat – bieten als Leistungen die Unterstützung und Beratung bei der Entnahme sowie die Reinigung, Sterilisation und Konservierung von Gewebe an. <br />Die Gewebebank-Organisationen unterstützen die Partner-Krankenhäuser bei der Gewinnung von Spendermaterial, entweder durch mobile Entnahmeteams oder durch Bereitstellung von Anleitungen und Entnahmesets. Durch aufwendige Reinigungsverfahren wird die Gefahr der Übertragung von Krankheiten auf ein Minimum reduziert. Wertvolle Proteine, wie Kollagen und Wachstumsfaktoren, werden dabei nicht zerstört. Darin liegt auch einer der Vorteile gegenüber synthetischen Materialien: Wachstumsfaktoren und Zytokine, die bei der Prozessierung des Spendermaterials weitgehend erhalten bleiben, verbessern den Einheilungsprozess. Ein weiterer Vorteil liegt in den strukturellen und mechanischen Eigenschaften der Biotransplantate, die den natürlichen Verhältnissen näherkommen, als es künstliche Implantate tun.<br />Die Vorteile, die Allografts gegenüber Autografts bieten, sind der Entfall der Entnahmemorbidität und die Verfügbarkeit in ausreichender Menge und verschiedenen Formen. Sie können allerdings zum Einwachsen etwas mehr Zeit benötigen als körpereigenes Gewebe, was in der postoperativen Rehabilitation berücksichtigt werden muss. <br />Die Produkte werden von den Gewebebanken sowohl zur Implantation als auch für Forschungszwecke angeboten. Die Distribution erfolgt zum Teil über industrielle Partner, die von der abgebenden Gewebebank überwacht und regelmäßig auditiert werden. Für den orthopädisch-traumatologischen Bedarf steht eine breite Palette an Bioimplantaten zur Verfügung. Sie sind grundsätzlich frisch, gefroren oder prozessiert und gefriergetrocknet erhältlich.<br />Spongiöse, kortikale und osteochondrale Knochenallografts sind erhältlich. Prozessiertes Knochenmaterial gibt es als demineralisierte Knochenmatrix (DBM), in Form von Granulat, Chips, Ringen oder Blöcken in verschiedensten Größen, mit und ohne Antibiotikabeladung. Auch speziell geformte Implantate für den individuellen Bedarf werden angefertigt. Humane Sehnenallografts sind ebenfalls in verschiedenen Formen und Größen verfügbar. Für Weichteilabdeckungen kommt außerdem allogene Hautmatrix in der Orthopädie und Traumatologie zum Einsatz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s69_1.jpg" alt="" width="1026" height="746" /></p> <h2>Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten</h2> <p>Die Anwendungsgebiete für Allografts in der Orthopädie und Traumatologie sind breit gestreut, der Bedarf steigt stetig. Sie werden rekonstruktiv oder reparativ eingesetzt: bei Revisionsoperationen und komplexen Verletzungen, bei Osteotomien und schlechter Frakturheilung, für Knorpel-, Band- und Sehnenrekonstruktionen, als Füllung und Platzhalter bei verschiedensten Defekten u.v.m. Das Potenzial ist laut Anwendern noch nicht ausgeschöpft.<br />„In der Schulterchirurgie sind Allografts sehr wichtig geworden“, sagt beispielsweise Dr. Philipp Heuberer, Wien. „Defekte an Knochen und anderen Geweben, die früher als irreparabel galten, können jetzt behandelt werden.“ Die Verwendung von Allografts mindert das Rerupturrisiko, das durch schlechte Einheilung (Narbengewebe) im Bereich des Knochen-Sehnen-Übergangs entsteht. „Dünne Sehnen können mit Sehnenallografts verstärkt und eine annähernd physiologische Biomechanik nach Traumen wiederhergestellt werden“, so Heuberer. In vielen Fällen könne auf diese Weise eine endoprothetische Versorgung der Schulter vermieden oder zumindest hinausgezögert werden.</p> <h2>Knochen heilt Knochen und Sehnen</h2> <p>Gereinigtes, gefriergetrocknetes, gammabestrahltes Knochengewebe von menschlichen Spendern – bei Allografts der europäischen Gewebebanken meist aus Hüftköpfen, die bei Hüftgelenksersatzoperationen anfallen – soll die Knochenheilung und das Remodeling besser fördern als synthetische Knochenersatzprodukte. Bei der Prozessierung wird darauf geachtet, dass die organischen Anteile der Knochenmasse nicht zerstört werden. Zum einen garantiert dies eine Elastizität der Endprodukte, die laut Herstellern vergleichbar mit der von frischem Knochen ist. Zum anderen beschleunigen Wachstumsfaktoren und Zytokine, die erhalten bleiben, den Heilungsprozess. Bei der Rehydrierung der Matrizes können Antibiotika oder auch autologe Zellen (Blut, Stammzellen, plättchenreiches Plasma) hinzugefügt werden.<br />Dr. Heuberer bestätigt eine bessere Geweberegeneration nach der Reparatur von Sehnenrupturen durch das osteoinduktive Potenzial von DBM: „Die Sehnen wachsen dadurch besser am Knochen an, die Bildung einer physiologischen Sehnen-Knochen-Enthese wird gefördert.“</p> <h2>Heimische Produkte, minimiertes Infektionsrisiko</h2> <p>Vielfach existieren bei Ärzten und Patienten noch Sicherheitsbedenken gegen Allografts. Diese sind laut den Herstellern und Anwendern unbegründet. Das GSG sieht vor, dass österreichische Krankenhäuser nur von österreichischen Gewebebanken mit Allografts beliefert werden. Somit ist die Einhaltung aller Vorschriften des GSG gewährleistet. Dies beinhaltet auch die Überprüfung der Gesundheit des Spenders, wobei die Patientendaten zuvor pseudonymisiert werden. Eine Rückverfolgung zum Spender ist über die Patienten-ID des Spenderkrankenhauses möglich. Seit April 2017 muss jede Gewebespende mit einem „Single European Code“ (SEC) gekennzeichnet sein, der innerhalb der EU die Rückverfolgbarkeit vom Empfänger zum Spender und umgekehrt möglich macht.<br />Nach der Reinigung und Sterilisation sind die Implantate DNA-frei; die verbleibende Viruslast entspricht der von Medizinprodukten. LifeNet Health hat laut eigenen Angaben bisher mehr als 5 Millionen Gewebeprodukte erfolgreich implantiert, ohne dass eine Übertragung von Krankheiten bekannt geworden wäre. Auch bei der seit fast 15 Jahren tätigen österreichischen Gewebebank C+TBA wurde bei den jährlich steigenden Abgabemengen von bis zu 30 000 Stück im Jahr keine Übertragung von Krankheiten gemeldet.</p> <p><br />Lesen sie auch: <a href="https://at.universimed.com/fachthemen/1000001267">„Bei Fragen jederzeit melden“</a></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: • Cells + Tissuebank (C+TBA) Austria, Krems an der Donau, www.ctba.at • LifeNet Health, www.lifenethealth.org • Österreichische Gewebebank gemeinnütziger Verein (ÖGGV; European Cell and Tissue Bank, ECTB), Wels, www.ectb.eu • LifeNet Health’s European Headquarters Opening, 17. Jänner 2018, Wien
Literatur:
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Schnettler R et al.: Allogeneic bone grafting materials – update of the current scientific status. Traumatol Orthop Russia 2017; 23(4): 92-100</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Rotatorenmanschetten-Ruptur: Zahl der Eingriffe sagt klinischen Verlauf vorher
Eingriffe an der Rotatorenmanschette gehören zum orthopädischen Standard. Heute werden sie routinemässig arthroskopisch durchgeführt. Am Kongress der Gesellschaft für Arthroskopie und ...
Schenkelhalsfrakturen bei Menschen mit Demenz
Patienten mit Hüftfraktur sollten zeitnah operiert werden, wenn es die Indikation zulässt – auch im Falle einer Demenz. Denn ein konservatives Vorgehen geht vor allem bei Kopf-Hals- ...
«Auch Patienten mit Demenz profitieren von einer chirurgischen Stabilisierung»
Patienten mit Hüftfraktur und einer leichten, mittelschweren oder schweren Demenz haben ein geringeres Risiko zu sterben, wenn sie operiert werden – vor allem wenn es sich um Kopf-Hals- ...