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Studien zu seltenen Tumorentitäten mit schlechter Prognose
Leading Opinions
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08.09.2016
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<p class="article-intro">Die Jahresversammlung der American Society of Clinical Oncology, kurz ASCO, ist ein Blitzgewitter an Höhepunkten. Die meisten der grossen Studien werden zum ersten Mal auf diesem Kongress präsentiert, und das über alle onkologischen Entitäten. Entsprechend schwierig ist es, die Auswahl für einen Highlightbericht zu treffen. Zwei der Höhepunkte, die die ASCO für die Plenarsitzung ausgesucht hatte, betrafen Tumoren des Gehirns und des zentralen Nervensystems. Da Hirntumoren eine sehr distinkte Biologie aufweisen und Patienten sehr beeinträchtigen, sind Fortschritte in diesem Bereich besonders wertvoll. An dieser Stelle daher ausgewählte Studien zum Glioblastom und Neuroblastom. Gewürdigt werden sollen in diesem Bericht auch zwei Studien zur Immuntherapie beim Mesotheliom, auch wenn nur eine begrenzte Aktivität gezeigt werden konnte.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Auch bei älteren Glioblastompatienten kann Temozolomid eine Verlängerung des Gesamtüberlebens bewirken. Bei Patienten mit anaplastischem Gliom und kombiniertem 1p/19q-Verlust scheint eine adjuvante Therapie mit Temozolomid den Therapieerfolg zu verbessern.</li> <li>Kinder mit Hochrisiko-Neuroblastom profitieren mehr von einer Tandem-Konsolidierung im Vergleich zur einfachen myeloablativen autologen Stammzelltransplantation.</li> <li>Die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren als Einzelsubstanz bringt keine guten Wirksamkeitsergebnisse in der Behandlung des Mesothelioms. Die Aktivität könnte in Kombinationen möglicherweise verbessert werden.</li> </ul> </div> <h2>Temozolomid bei älteren Glioblastompatienten</h2> <p>Die adjuvante Zugabe von Temozolomid zur Radiotherapie ist bereits seit Längerem der Therapiestandard für neu diagnostizierte jüngere Glioblastompatienten. Da die meisten neu diagnostizierten Patienten zwischen 65 und 84 Jahre alt sind, wurde in der randomisierten Phase-III-Studie CCTG CE.6 eine modifizierte Bestrahlung (40Gy in 15 Fraktionen über 2–3 Wochen) mit versus ohne Temozolomid bei Patienten ≥65 Jahre im adjuvanten Setting untersucht.<sup>1</sup> Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). Insgesamt wurden 562 Patienten eingeschlossen. 29 % der Patienten waren 65–70 Jahre alt, 41 % 71–75 Jahre und 30 % älter als 75.<br /> Toxizitäten waren, wie für Temozolomid erwartet, hauptsächlich von Grad 1/2. Das OS wurde durch die zusätzliche Temozolomid-Gabe median von 7,6 auf 9,3 Monate signifikant verlängert (HR: 0,67; p<0,0001) (Abb. 1). Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde ebenfalls signifikant von median 3,9 auf 5,3 Monate verlängert (HR: 0,50; p<0,0001). Patienten mit MGMT-Promotormethylierung zeigten einen grösseren Therapieerfolg bezüglich des OS (HR: 0,53; p=0,0001), aber auch Patienten mit nicht methyliertem MGMT-Status profitierten von der zusätzlichen Temozolomid-Gabe (HR: 0,75; p=0,055). Damit besteht nun Evidenz für die Temozolomid-Behandlung bei älteren Glioblastompatienten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite15.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Adjuvante Temozolomid-Therapie beim anaplastischen Gliom</h2> <p>In den beiden EORTC-Studien 26981 und 26951 erbrachte die zusätzliche adjuvante Chemotherapie gegenüber der alleinigen Radiotherapie keinen Behandlungsvorteil. Es wurde allerdings beobachtet, dass Patienten mit methyliertem MGMT von Temozolomid profitierten und der Nachweis von 1p/19q offensichtlich einen spezifischen Gliomsubtyp markierte, der in einer gesonderten Studie untersucht werden sollte. In der Phase-III-Studie CATNON wurde im 2x2-Design der Frage nachgegangen, ob die adjuvante Temozolomid-Therapie oder Temozolomid in Kombination mit Radiotherapie einen Einfluss auf den Therapieerfolg haben.<sup>2</sup> 745 Gliompatienten mit kombiniertem 1p/19q-Verlust erhielten erst randomisiert eine alleinige Radiotherapie (59,4Gy) oder Temozolomid plus Radiotherapie und anschliessend keine weitere Therapie oder eine adjuvante Therapie mit Temozolomid (d1–5, q4w, 12 Zyklen). Primärer Studienendpunkt war das OS. Die beim ASCO-Meeting präsentierte Auswertung der adjuvanten Temozolomid-Gabe zeigte einen signifikanten OS-Vorteil der zusätzlichen Chemotherapie nach Radiotherapie ± Temozolomid mit einer Hazard-Ratio von 0,645 (p=0,0014). Nach fünf Jahren lebten 55,9 % der Patienten im Temozolomid-Arm und 44,1 % der Patienten ohne Temozolomid-Therapie. Dabei zeigte sich das Alter der Patienten (> vs. ≤50 Jahren) als hochsignifikanter prognostischer Parameter (HR: 4,04; p<0,001). Auch die MGMT-Methylierung war von prognostischem Wert (HR: 0,49; p=0,0031). Die Daten zur gleichzeitigen Gabe von Temozolomid zur Radiotherapie wurden noch nicht veröffentlicht, sodass zu diesem Zeitpunkt nur geschlussfolgert werden konnte, dass adjuvantes Temozolomid den Therapieerfolg für Patienten mit anaplastischem Gliom und kombiniertem 1p/19q-Verlust verbessert. Das Erreichen der benötigten Anzahl von Ereignissen für die komplette Auswertung der Studie wird erst für 2024 erwartet.</p> <h2>Keine Überlebensverlängerung mit Bevacizumab nach erstem Progress</h2> <p>Die Kombination aus Bevacizumab und Lomustin zeigte sich in einer Phase-II-Studie bei Glioblastompatienten nach erstem Progress als vielversprechend, sodass diese Kombination in einer Phase-III-Studie gegen die alleinige Lomustin-Therapie untersucht wurde.<sup>3</sup> Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben gewählt. Insgesamt wurden 437 Patienten in die beiden Studienarme randomisiert.<br /> Der primäre Endpunkt wurde nicht erreicht: Die zusätzliche Gabe von Bevacizumab zu Lomustin verlängerte das mediane OS nicht signifikant von 8,6 auf 9,1 Monate (HR: 0,95; p=0,650). Das PFS wurde unter Bevacizumab-Gabe allerdings von median 1,5 auf 4,2 Monate mehr als verdoppelt (HR: 0,49; p<0,0001). Bei etwa 80 % der Patienten konnte der MGMT-Status erhoben werden und es zeigte sich ein prognostischer, aber kein prädiktiver Effekt bei Vorliegen der MGMT-Methylierung. Nach Progress erhielt ein Drittel der Patienten des Lomustin-Arms ebenfalls Bevacizumab, sodass ein Cross-over-Effekt auf die OS-Differenz nicht auszuschliessen ist. In weiteren Auswertungen wird versucht, Patienten zu identifizieren, die von einer zusätzlichen Bevacizumab-Gabe profitieren. Bisher könne aus den Studienergebnissen gefolgert werden, dass zumindest bei Patienten mit unmethylierten Tumoren keine höhere Notwendigkeit für eine Bevacizumab-Therapie besteht als bei Patienten mit methylierten Tumoren.</p> <h2>Konsolidierung mit peripheren Blutstammzellen beim Hochrisiko-Neuroblastom</h2> <p>Die Children’s Oncology Group (COG) führte eine randomisierte Phase-III-Studie zur Konsolidierung mit peripheren Blutstammzellen bei Tandem-myeloablativer autologer Stammzelltransplantation (ASCT) bei Hochrisiko-Neuroblastompatienten durch.<sup>4</sup> Primäres Ziel der ANBL0532-Studie war die Verlängerung des ereignisfreien Überlebens (EFS) bei Vorliegen eines Hochrisiko-Neuroblastoms durch eine Tandem-Konsolidierung mit Thiotepa/Cyclophosphamid gefolgt von dosismodifiziertem Carboplatin/Etoposid/Melphalan verglichen mit der einfachen Konsolidierung mit Carboplatin/Etoposid/Melphalan.<br /> 665 Kinder mit neu diagnostiziertem Hochrisiko-Neuroblastom wurden rekrutiert und 355 in die Konsolidierungsstudienarme randomisiert. 197 Kinder erhielten eine einfache ASCT und 176 Kinder eine Tandem-ASCT. Die häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen waren Infektionen, mukosale Nebenwirkungen und hepatische Störungen, die mit einer vergleichbaren Inzidenz in beiden Studienarmen auftraten. Toxische Todesfälle wurden von 4,1 % vs. 1,2 % der Kinder berichtet (p=0,1746). Die 3-Jahres-EFS-Rate war im Tandem-Arm um absolut 13 % signifikant höher als bei einfacher ASCT (48,4 % vs. 61,4 % ; p=0,0081). Nach drei Jahren lebten noch 74 % der Kinder mit Tandem-ASCT und 69,1 % der Kinder mit einfacher ASCT (p=0,1850). Von der Tandem-Transplantation profitierten auch Kinder, die nach der Konsolidierung eine Immuntherapie erhielten. Die 3-Jahres-EFS-Rate wurde um absolut 17,7 % und die 3-Jahres-OS-Rate um 9,3 % signifikant erhöht.</p> <h2>Immuntherapeutische Ansätze in der Rezidivtherapie beim malignen Mesotheliom</h2> <p>In der Erstlinientherapie beim nicht resektablen malignen Mesotheliom ist die Kombination von Pemetrexed mit Cisplatin der Standard. Nach Tumorprogress stehen dann keine weiteren zugelassenen Therapien zur Verfügung. In zwei Studien wurden immuntherapeutische Strategien für diese Indikation geprüft.<br /> In der DETERMINE-Studie wurde der CTLA-4-Inhibitor Tremelimumab nach ein oder zwei vorangegangenen Therapien bei insgesamt 571 Patienten 2:1 randomisiert mit Placebo verglichen.<sup>5</sup> Primärer Endpunkt der Phase-IIb-Studie war das OS. Der primäre Endpunkt der Studie wurde nicht erreicht, das mediane OS betrug 7,7 Monate unter Tremelimumab und 7,3 Monate unter Placebo (HR: 0,92; p=0,408). Auch das PFS war in beiden Studienarmen mit 2,8 versus 2,7 Monaten vergleichbar (HR: 0,81; p=0,03). Ein Ansprechen wurde bei 4,5 % versus 5,6 % der Patienten beobachtet, eine Krankheitskontrollrate bei 31,7 % versus 22,8 % der Patienten. Nebenwirkungen von Grad ≥3 wurden bei 65 % unter Tremelimumab und 48 % unter Placebo gesehen. Bei 27 % der Patienten im Verum-Arm und 5 % im Placeboarm führten die Nebenwirkungen zum Therapieabbruch. Da CTLA-4-Inhibitoren die Expression von PD-L1 induzieren, wird nun in einer Phase-II-Studie die Kombination von Tremelimumab mit dem PD-L1-Inhibitor geprüft.<br /> Aufgrund der PD-L1-Expression auf Mesotheliomzellen wurden in die JAVELIN-Studie, die Avelumab bei verschiedenen soliden Tumoren untersuchte, auch Mesotheliompatienten eingeschlossen.<sup>6</sup> 53 Patienten wurden im Median 12 Wochen mit dem PD-L1-Inhibitor behandelt. 18,9 % der Patienten hatten bereits 4 oder mehr Vortherapien erhalten und im Median waren zwei Vortherapien appliziert worden. Im Median war die Diagnose 1,8 Jahre vor Therapiebeginn gestellt worden. Zur Zeit der Auswertung war noch etwa ein Viertel der Patienten unter Therapie. Ungefähr die Hälfte der 39 auswertbaren Patienten hatten wenigstens 1 % Tumorzellen mit PD-L1-Expression. 35,9 % der Patienten zeigten eine PD-L1-Expression auf wenigstens 5 % der Tumorzellen. Ein Ansprechen wurde bei 9,4 % der Patienten gesehen, sowohl bei Patienten mit PD-L1-Expression als auch solchen ohne. Das mediane PFS betrug 17,1 Wochen. Die Therapie mit Avelumab führte zu Nebenwirkungen vom Grad 3/4 bei 7,5 % der Patienten. 11,3 % der Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Perry JR et al: A phase III randomized controlled trial of short-course radiotherapy with or without concomitant and adjuvant temozolomide in elderly patients with glioblastoma (CCTG CE.6, EORTC 26062-22061, TROG 08.02, NCT00482677). ASCO 2016, Plenary Session, Abstr. #LBA2<br /><strong>2</strong> Van Den Bent MJ et al: Results of the interim analysis of the EORTC randomized phase III CATNON trial on concurrent and adjuvant temozolomide in anaplastic glioma without 1p/19q co-deletion: an Intergroup trial. ASCO 2016, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA2000<br /><strong>3</strong> Wick W et al: EORTC 26101 phase III trial exploring the combination of bevacizumab and lomustine in patients with first progression of a glioblastoma. ASCO 2016, Oral Abstract Session, Abstr. #2001<br /><strong>4</strong> Park JR et al: A phase III randomized clinical trial of tandem myeloablative autologous stem cell transplant using peripheral blood stem cell as consolidation ther­apy for high-risk neuroblastoma: a Children’s Oncology Group (COG) study. ASCO 2016, Plenary Session, Abstr. #LBA3<br /><strong>5</strong> Kindler HL et al: Tremelimumab as second- or third-line treatment of unresectable malignant mesothelioma: results from the global, double-blind, placebo-controlled DETERMINE study. ASCO 2016, Oral Abstract Session, Abstr. #8502<br /><strong>6</strong> Hassan R et al: Avelumab (MSB0010718C; anti-PD-1) in patients with advanced unresectable mesothelioma from the JAVELIN solid tumor phase Ib trial: safety, clinical activity, and PD-L1 expression. ASCO 2016, Oral Abstract Session, Abstr. #8503<br /><br /></p>
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