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Neues bei der Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie
Jatros
Autor:
OA Priv.-Doz. Dr. Daniel Heintel
1. Medizinische Abteilung, Zentrum für Onkologie und Hämatologie<br/> Wilhelminenspital, Wien<br/> E-Mail: daniel.heintel@wienkav.at Quelle: 13. ICML (International Conference on Malignant Lymphoma), 17.–21. Juni 2015, Lugano, Schweiz
30
Min. Lesezeit
24.09.2015
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<p class="article-intro">Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Leukämie der westlichen Hemisphäre. Insbesondere die letzten Jahre waren durch viele Fortschritte in der Behandlung dieser Erkrankung gekennzeichnet. Auch bei der ICML (International Conference on Malignant Lymphoma) in Lugano wurde eine Reihe von wichtigen Innovationen bei der Therapie der CLL präsentiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Eine Erstlinientherapie mit Bendamustin, Rituximab und Lenalidomid scheint mit einer höheren Toxizität vergesellschaftet zu sein als Bendamustin + Rituximab alleine.</li> <li>Durch Zugabe des „glycoengineered“ CD20-Antikörpers Obinutuzumab zu Bendamustin kann bei indolenten Lymphomen (inklusive Patienten mit SLL) ein verlängertes PFS im Vergleich zur Bendamustin-Monotherapie erzielt werden.</li> <li>Interessante Ergebnisse aus Studien mit PI3K-Inhibitoren der neuen Generation sowie zu neuen Antikörpertherapien wurden präsentiert.</li> <li>Der Benefit neuer chemotherapiefreier Kombinationstherapien muss noch in größeren randomisierten Studien nachgewiesen werden.</li> </ul> </div> <h2>Erstlinientherapie bei CLL</h2> <p>Abramson (Abstract #13) präsentierte die Ergebnisse einer Phase-I-Studie bei therapienaiven Patienten, die mit Rituximab, Bendamustin und Lenalidomid behandelt worden waren: Bei 23 Patienten konnte eine ORR („overall response rate“) von 92 % dokumentiert werden, die Rate an kompletten Remissionen betrug 31 % . Jedoch zeigte sich eine vergleichsweise höhere Toxizität durch die zusätzliche Gabe von Lenalidomid, vor allem Hautausschlag und Neutropenie. Bei 2 Patienten musste die Therapie aufgrund einer Pulmonalembolie trotz Prophylaxe mit ASS unterbrochen werden.</p> <h2>CD20-Antikörper</h2> <p>Imposant waren die Ergebnisse zu den Therapien mit CD20-Antikörpern (AK) der neuen Generation („glycoengineered“ AK, Obinutuzumab und Ublituximab). Mit Ublituximab in Kombination mit Ibrutinib wurde bei Hochrisiko(HR)-Patienten mit relapsierter CLL (n=44) eine ORR von 95 % erzielt (Sharman et al, Abstract #105). Im historischen Vergleich kann durch die Zugabe dieses neuen AK ein schnelleres Ansprechen als mit einer Ibrutinib-Monotherapie generiert werden. Während die Dosis von Ublituximab bei keinem Patienten vermindert werden musste, war unter Ibrutinib bei 2 Patienten eine Dosisreduktion erforderlich (1 Diarrhö, 1 Hautausschlag). Des Weiteren wurden erste Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit der Kombination von Obinutuzumab und Bendamustin (GB) vs. eine Bendamustin-Monotherapie (B) bei indolenten Lymphomen und SLL („small lymphocytic lymphoma“) präsentiert (GADOLIN-Studie; Cheson et al, Abstract #123). Patienten im B-Arm erhielten 120mg/m<sup>2</sup> Bendamustin (B) an den Tagen 1 und 2, jene im GB-Arm erhielten 90mg/m<sup>2</sup> B und zusätzlich 1.000mg Obinutuzumab an den Tagen 1, 8 und 15 im ersten Zyklus sowie am Tag 1 der 28-Tages-Zyklen 2–6. Patienten im GB-Arm, die nicht progredient waren, wurde alle 2 Monate für die Dauer von 2 Jahren eine Erhaltungstherapie mit Obinutuzumab verabreicht. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Im B-Arm betrug das PFS 14,9 Monate, während das PFS im GB-Arm nicht erreicht wurde (p=0,0001; Abb. 1). Zwischen den Gruppen fand sich kein Unterschied in der ORR und im Gesamtüberleben (OS). Bezüglich des Toxizitätsprofils wurde ein höherer Prozentsatz an Neutropenien und Infusions-assoziierten Reaktionen im GB-Arm, aber eine höhere Rate an Thrombozytopenien, Anämien und Pneumonien im B-Arm verzeichnet. In diesem Kontext ist auf die höhere Bendamustin-Dosis im Monotherapie-Arm hinzuweisen. Jedenfalls konnte die Überlegenheit bezüglich des PFS durch die Zugabe von Obinutuzumab selbst bei Rituximab-refraktären Patienten nachgewiesen werden.<br /> Außerdem wurde über eine weitere laufende Phase-III-Studie mit Obinutuzumab berichtet (iLLUMINATE-Studie, Moreno et al, Abstract #OT06). Geplant ist die Randomisierung von 212 CLL/SLL-Patienten, dabei sollen Obinutuzumab + Chlorambucil (CHL) vs. Obinutuzumab + Ibrutinib untersucht werden. Die Kombinationstherapie Obinutuzumab mit CHL ist seit der Veröffentlichung der Daten der CLL11-Studie für Patienten mit Komorbiditäten oder einer beeinträchtigten Nierenfunktion aufgrund des verbesserten PFS im Vergleich zu einer CHL-Monotherapie und zu CHL + Rituximab für die Erstlinie zugelassen (Goede et al, 2014).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite125.jpg" alt="" width="623" height="575" /></p> <h2>Neue Kombinationstherapien</h2> <p>Eine chemotherapiefreie Kombinationsstrategie bei relapsierten/refraktären Patienten mit CLL oder anderen NHL wurde präsentiert. Diese schwer behandelbaren Patienten erhielten Ibrutinib, den neuen PI3-Kinase-Inhibitor TGR-1202 sowie den CD20-AK Ublituximab (Nastoupil et al, Abstract #105). Auch CLL-Patienten, die auf eine herkömmliche Therapie mit PI3-Kinase-Inhibitoren oder BTK-Inhibitoren therapierefraktär waren, konnten in die Studie eingeschlossen werden. Bei allen bisher untersuchten CLL-Patienten konnte zumindest eine PR erzielt werden. Insgesamt sprachen 6 von 7 Lymphompatienten (86 % ) auf diese Therapie an. Die Nebenwirkungen (AE) unter dieser neuartigen Kombinationstherapie waren akzeptabel, Remissionen konnten nach kurzer Therapiedauer dokumentiert werden; die untersuchte Patientenzahl ist jedoch noch niedrig.</p> <h2>Neue Substanzen</h2> <p><strong>PI3K-Inhibitoren</strong><br />Der statistisch hochsignifikante Vorteil einer Therapie mit Idelalisib + Rituximab vs. Rituximab alleine wurde bereits publiziert (Furman et al, N Engl J Med 2014). Burris hat die Daten eines PI3K-Inhibitors der nächsten Generation, TGR-1202, präsentiert (Abstract #38). Im Gegensatz zu anderen PI3K-Inhibitoren wie Idelalisib ist dieser durch eine ausbleibende Hepatotoxizität gekennzeichnet. Die ORR bei CLL-Patienten betrug 93 % (13 von 14 Patienten). Als einzige Toxizität von Grad ≥3 fand sich bei 10 % der Fälle eine Neutropenie, zu den weiteren AE zählten Diarrhö (34 % ), Fatigue (31 % ) und Übelkeit (29 % ).<br /> Zu INCB040093, einem weiteren PI3K-Inhibitor, wurden Phase-I-Studienergebnisse vorgestellt (Philips et al, Abstract #79): Bei stark vorbehandelten CLL-Patienten konnte ein Ansprechen nachgewiesen werden, das Toxizitätsprofil war akzeptabel.<br /> <br /> <strong>Ibrutinib</strong><br /> Patienten mit relapsierter oder refraktärer CLL und einer 17p-Deletion (n=144) sprachen zu 82,6 % auf eine Monotherapie mit Ibrutinib an (O’Brien et al, ASH-Kongress 2014). Nach 12 Monaten waren noch 88,3 % aller Patienten progressionsfrei. Auch bei der ICML in Lugano wurde eine Subgruppenanalyse der Phase-III-Studie mit dem randomisierten Vergleich von Ibrutinib vs. Ofatumumab (RESONATE) präsentiert (Thomton et al, Abstract #55). Sämtliche HR-Patienten (nicht mutierter IGVH-Status, 17p-Deletion, komplexer Karyotyp) profitierten von einer Therapie mit Ibrutinib, das PFS war im Ofatumumab-Arm kürzer.<br /> <br /><strong> CD37-Antikörper</strong><br /> In einer Phase-I-Studie, in der der neue CD37-AK BI 836826 bei relapsierten/refraktären CLL-Patienten untersucht wurde (Stilgenbauer et al, Abstract #141), betrug die ORR bei 26 auswertbaren Patienten 42,3 % . Zu den häufigsten AE zählten Infusions-assoziierte Reaktionen (66,7 % ), Erkältungen (60,6 % ), Fieber (48,5 % ), Neutropenie (36,4 % ) und Thrombozytopenie (27,3 % ).</p> <h2>Allogene Stammzelltransplantation</h2> <p>Bei einzelnen therapierefraktären oder früh relapsierten CLL-Patienten stellt die allogene Stammzelltransplantation (aSZT) eine potenziell kurative Option dar. Infrage kommen jüngere Patienten mit entsprechendem Performancestatus. In einer Studie mit 89 eingeschlossenen Patienten wurde die Konditionierung mit FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab) bzw. BFR (Bendamustin, Fludarabin, Rituximab) untersucht (Khouri et al, Abstract #56). Erstmalig konnte dabei ein OS-Vorteil für ein Konditionierungsregime mit BFR gezeigt werden: Das OS nach 3 Jahren war im Vergleich zu FCR signifikant höher (82 % vs. 51 % ; p=0,03). Dasselbe gilt für das PFS (63 % vs. 27 % ; p=0,001). Der OS-Vorteil konnte auch bei Vorliegen einer 17p-Deletion (86 % vs. 50 % ), einem Alter >50 Jahre (79 % vs. 50 % ) und bei Patienten mit >3 Vortherapielinien (70 % vs. 43 % ) nachgewiesen werden. Die therapieassoziierte Mortalität nach 2 Jahren betrug 11 % im BFR-Arm und 27 % im FCR-Arm (p=0,05). Sowohl akute als auch chronische GVHD wurden im BFR-Arm seltener verzeichnet.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 1. Medizinische Abteilung,
Zentrum für Onkologie und Hämatologie<br/>
Wilhelminenspital, Wien<br/>
E-Mail: daniel.heintel@wienkav.at
Quelle:
13. ICML (International Conference on Malignant Lymphoma),
17.–21. Juni 2015, Lugano, Schweiz
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