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Neue Trends in der Stammzelltransplantation – Update vom ASH 2018
Jatros
Autor:
Prim. Prof. Dr. Felix Keil
3. Medizinische Abteilung<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: felix.keil@wgkk.at
Autor:
Dr. Sabine Burger
3. Medizinische Abteilung<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: sabine.burger@wgkk.at
Autor:
PD Dr. Alexandra Böhm
3. Medizinische Abteilung<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: alexandra.boehm@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
28.02.2019
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<p class="article-intro">Bei der 60. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2018 in San Diego wurden wieder zahlreiche klinische Studien und Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Hämatologie präsentiert. Die neuesten Trends und spannende Entwicklungen aus dem Gebiet der Stammzelltransplantation werden im folgenden Artikel zusammengefasst.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Für Patienten mit MDS/sAML zeigt sich auch langfristig kein Überlebensvorteil für eine myeloablative gegenüber einer dosisreduzierten Stammzelltransplantation, bestätigt durch eine große, prospektive Studie der EBMT.</li> <li>Sorafenib ist eine gut wirksame Erhaltungstherapie für High- Risk-AML-Patienten nach einer allogenen Transplantation.</li> <li>Die haploidente Stammzelltransplantation überzeugt weiterhin mit rascher Spenderverfügbarkeit, einfacher Durchführbarkeit und niedriger GvHD-Rate.</li> <li>Eine konsolidierende allogene Stammzelltransplantation kann bei ALL-Patienten die Langzeitergebnisse der CAR-T-Zell- Immuntherapie verbessern.</li> <li>Die Körperzusammensetzung und das Mikrobiom sollten neben den Komorbiditäten vor der Transplantation berücksichtigt werden.</li> </ul> </div> <h2>Allogene Stammzelltransplantation bei MDS und AML</h2> <p>In einer prospektiven, randomisierten Studie, durchgeführt von Prof. Kröger aus Hamburg, wurden Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) im Alter zwischen 55 und 70 Jahren zunächst mit 4 Zyklen Azacitidin behandelt.<sup>1</sup> Bei gutem Ansprechen wurde anschließend je nach Spendersituation eine allogene Stammzelltransplantation durchgeführt oder mit Azacitidin weiterbehandelt.<sup>1</sup> Bei den Ergebnissen der Überlebensanalysen zeigte sich zwar ein klarer Benefit zugunsten der allogenen Stammzelltransplantation, allerdings war die Ausfallsrate bis zur Transplantation hin aufgrund von Progress oder anderen unerwünschten Ereignissen doch beträchtlich. Bezüglich der Frage nach der optimalen Dosis der Konditionierung (dosisreduziert Bu/Flu vs. myeloablativ Bu/ Cy) wurde ein Update der RIC/MAC-Studie der EBMT gebracht.<sup>2</sup> Auch im Langzeit- Follow-up nach 7,5 Jahren konnte hier kein signifikanter Unterschied der „nonrelapse mortality“ (NRM), Relapse-free und Overall Survival beobachtet werden, woraus sich schlussfolgern lässt, dass die Intensität der Konditionierung für das Überleben langfristig offenbar nicht entscheidend ist.<br /> Ein neuer Trend nach Durchführung einer allogenen Transplantation bei AMLPatienten ist die Gabe einer zielgerichteten Erhaltungstherapie mit einem Tyrosinkinasehemmer.<sup>3, 4</sup> Das leukämiefreie Überleben war hier deutlich besser bei Patienten, die Sorafenib erhielten. Somit sollte dieses Therapieregime Eingang in den klinischen Alltag finden, nicht nur bei Patienten, die FLT3-mutiert sind (Abb. 1). Für die Behandlung der Graft-versus-Host- Erkrankung (GvHD) steht mit Ruxolitinib (in Kombination mit Steroiden) eine sehr potente Behandlung zur Verfügung. Das immunsuppressive Potenzial dieser Substanz wurde in der prospektiven REACH1- Studie bestätigt.<sup>5</sup> Hier haben mehr als die Hälfte der GvHD-Patienten rasch und dauerhaft angesprochen. Eine Phase-III-Studie, in der gegen die etablierten Therapien randomisiert wird, ist in Planung.<br /> Die geringe Toxizität und die unkomplizierte Durchführbarkeit der haploidenten Stammzelltransplantation zeigten sich auch 2018 am ASH-Kongress, sowohl in retrospektiven als auch prospektiven Analysen. Bei 444 konsekutiv transplantierten Patienten zwischen 2011 und 2017 waren sowohl die „transplant-related mortality“ (TRM) als auch die chronische GvHD gering.<sup>6</sup> In mehreren Abstracts wurde die TRM von 20 % nie überschritten und die Rate der chronisch extensiven GvHD lag im einstelligen Bereich.<sup>6–8</sup> Beim Non- Hodgkin- Lymphom ergab die haploidente Transplantation vergleichbare Ergebnisse wie die Geschwistertransplantation mit einem progressionsfreien Überleben (PFS) von 35 % .<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s38_abb1.jpg" alt="" width="1463" height="968" /></p> <h2>CAR-T-Zellen</h2> <p>Die „chimeric antigen recepter T-cells“, vor allem bei lymphoproliferativen Erkrankungen, waren auch beim ASH-Kongress 2018 wieder einer der Schwerpunkte. Allerdings sind die Langzeitergebnisse trotz initial effizienter Eradizierung und guten Ansprechens der Patienten vor allem bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) noch nicht optimal.<sup>9, 10</sup> Daher wird mittlerweile z.B. nach Kombinationsmöglichkeiten gesucht, um das Überleben noch zu verbessern. Diesbezüglich wurde eine Arbeit aus Seattle präsentiert, wonach ALL-Patienten sehr von einer konsolidierenden allogenen Stammzelltransplantation profitiert haben. Die Herstellung der CAR-T-Zellen für einen breiteren Einsatz im Rahmen von Phase-III-Studien wird die große Herausforderung für die nächsten Jahre.</p> <h2>Autologe Transplantation beim multiplen Myelom</h2> <p>Michele Cavo hat ein 10-Jahres-Follow- up von drei gepoolten Phase-III-Studien gezeigt, um die kontrovers diskutierte Frage nach der Tandem-Transplantation versus der einfachen Stammzelltransplantation beim multiplen Myelom genauer zu untersuchen (ASCT-1 vs. ASCT-2).<sup>11</sup> Insgesamt wurden Daten von 909 Patienten analysiert. Für die ASCT-2 konnte ein deutlich längeres OS und PFS beobachtet werden, sowohl bei den Standardrisiko- als auch bei den Hochrisikopatienten, am eindeutigsten waren die Ergebnisse bei den Ultra-Hochrisikopatienten mit drei ungünstigen krankheitsassoziierten Variablen. Die ASCT-2 bei Myelompatienten mit ungünstiger Zytogenetik sollte daher klinischer Standard werden bzw. bleiben.<br /> Die Lebensqualität der Patienten ist zwar kurzzeitig durch die Transplantation eingeschränkt, nähert sich aber ein Jahr nach Transplantation den Durchschnittswerten an.<sup>12</sup><br /> Übergewichtige Patienten müssen voll dosiert konditioniert werden. Eine gewichtsadaptierte Reduktion der Chemotherapie führt zu schlechterem lymphomfreiem Überleben.<sup>13</sup><br /> Eine britische Metaanalyse hat die Rolle der autologen Stammzelltransplantation im Vergleich zur konventionellen Therapieoption mit Cyclophosphamid bei der diffusen systemischen Sklerose untersucht. Inkludiert wurden drei Studien (ASSIST 2011, ASTIS 2014, SCOT 2018). Insgesamt wurden Daten von 250 Patienten mit einem Follow-up von fast 8 Jahren analysiert. Die Gesamtsterblichkeit konnte trotz einer höheren Rate an Infektionen mit der Transplantation signifikant verbessert werden.<sup>14</sup> Die rasante Zunahme der autologen Transplantationen bei Autoimmunerkrankungen wurde auch im letzten Jahresbericht der EBMT gezeigt.</p> <h2>Einfluss von Muskelabbau und Verlust der Diversität des Mikrobioms auf das Überleben nach SZT</h2> <p>Neben bekannten Faktoren wie z.B. der Wirkung der unterschiedlichen Konditionierungen (RIC vs. MAC) und dem Einfluss des Spenders (haploidenter vs. Geschwister- vs. Fremdspender) auf das Überleben nach einer Stammzelltransplantation wird es immer wichtiger herauszufinden, wie sich supportive Faktoren wie etwa die Körperzusammensetzung und das intestinale Mikrobiom auf das Überleben auswirken. Hierzu wurden mehrere Arbeiten zur prognostischen Bedeutung gezeigt.<br /> Patienten, die adipös und mit wenig Muskelmasse transplantiert werden, haben ein dramatisch schlechteres Langzeitüberleben, wenn sie autolog transplantiert werden, als die durchschnittliche Kontrollgruppe (Abb. 2).<sup>15</sup><br /> Weiters ist die Diversität des Mikrobioms im Darm entscheidend für das Gesamtüberleben von Patienten und die TRM. Die Inzidenz von GvHD und die behandlungsassoziierte Mortalität sind bei Patienten, die die Diversität der Darmflora verlieren, deutlich höher.<sup>16, 17</sup> Die Körperzusammensetzung und das Mikrobiom sollten neben den Komorbiditäten daher vor Transplantation berücksichtigt werden (z.B. Intensität der Konditionierung, Rehabilitation vor der Transplantation, antibiotische Prophylaxe).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s38_abb2.jpg" alt="" width="1461" height="816" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Kroeger N et al.: Prospective multicenter phase 3 study comparing 5-azacytidine (5-Aza) induction followed by allogeneic stem cell transplantation versus continuous 5-Aza according to donor availability in elderly MDS patients. ASH 2018, Abstract Nr. 208 <strong>2</strong> Kroeger N et al.: Reduced intensity vs. myeloablative conditioning followed by allogeneic stem cell transplantation for patients with MDS: long-term follow- up of a prospective randomized EBMT phase III study (RICMAC-Trial). ASH 2018, Abstract Nr. 1019 <strong>3</strong> Burchert A et al.: Sorafenib as maintenance therapy post allogeneic stem cell transplantation for FLT3-ITD positive AML: results from the randomized, double-blind, placebo-controlled multicenter Sormain Trial. ASH 2018, Abstract Nr. 661 <strong>4</strong> Follmer D et al.: Sorafenib bei Patienten mit myeloischer Leukämie: eine retrospektive unizentrische Analyse/a retrospective, single-center analysis of patients with myeloid leukemia treated with Sorafenib. ASH 2018, Poster Nr. 206 <strong>5</strong> Jagasia M et al.: Results from REACH1, a single-arm phase 2 study of ruxolitinib in combination with corticosteroids for the treatment of steroid-refractory acute graft-vs-host disease. ASH 2018, Abstract Nr. 601 <strong>6</strong> Bacigalupo A et al.: Unmanipulated haploidentical marrow transplantation with a modified post-transplant cyclophosphamide (PT-CY) regimen: an update on 444 patients. ASH 2018, Abstract Nr. 3351 <strong>7</strong> Bazarbachi A et al.: Influence of donor type, stem cell source and conditioning regimen on transplant outcomes after haploidentical transplant with post transplant cyclophosphamide for lymphoma: a report of the EBMT lymphoma working party. ASH 2018, Abstract Nr. 484 <strong>8</strong> Sammassimo S et al.: A cellular therapy with haploidentical peripheral hematopoietic STEM CELL transplantation MAY be a therapeutic option in patients with relapsed lymphoma with chemo-refractory disease. ASH 2018, Abstract Nr. 2189 <strong>9</strong> Summer C et al.: Long-term follow-up after SCRICAR19v1 reveals late recurrences as well as survival advantage to consolidation with HCT after CAR T cell induced remission. ASH 2018, Abstract Nr. 967 <strong>10</strong> Park JH et al.: Longterm follow-up of CD19 CAR therapy in acute lymphoblastic leukemia. NEJM 2018; 378(5): 449-459 <strong>11</strong> Cavo M et al.: Double vs. single autologous stem cell transplantation for newly diagnosed multiple myeloma: long-term follow-up (10-years) analysis of randomized phase III studies. ASH 2018, Abstract Nr. 124 <strong>12</strong> Roussel M et al.: The impact of lenalidomide, bortezomib and dexamethasone treatment on health-related quality of life in transplant-eligible patients with newly-diagnosed multiple myeloma: results from the IFM/DFCI 2009 trial. ASH 2018, Abstract Nr. 716 <strong>13</strong> Pearl N et al.: Effect of obesity on the efficacy and toxicities in patients undergoing autologous hematopoietic stem cell transplant (AHCT) for lymphoma. ASH 2018, Abstract Nr. 4617 <strong>14</strong> Patel A et al.: Randomized trials of autologous hematopoietic stem cell transplantation for diffuse cutaneous systemic sclerosis: systematic review and meta-analysis with trial sequential analysis of overall mortality. ASH 2018, Abstract 612 <strong>15</strong> Iukuridze A et al.: Muscle depletion is an important and clinically relevant predictor of outcomes after autologous hematopoietic cell transplantation (AHCT). ASH 2018, Abstract Nr. 620 <strong>16</strong> Peled JU et al.: Multicenter microbiota analysis indicates that pre-HCT microbiota injury is prelavent across geography and predicts poor overall survival. ASH 2018, Abstract Nr. 811 <strong>17</strong> Khan N et al.: Loss of microbiota diversity after autologous stem cell transplant is comparable to injury in allogeneic stem cell transplant. ASH 2018, Abstract Nr. 608</p>
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