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Management primärer Lebertumoren
Jatros
Autor:
Dr. Florian Primavesi
Oberarzt<br> E-Mail: florian.primavesi@tirol-kliniken.at
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Stefan Stättner
FRCS (Eng), FEBS (HPB)<br> Leitender Oberarzt,<br> wissenschaftliche Koordination TKFI<br> E-Mail: stefan.staettner@tirol-kliniken.at
Autor:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Manuel Maglione
Leitender Oberarzt<br> E-Mail: manuel.maglione@i-med.ac.at
30
Min. Lesezeit
12.04.2018
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<p class="article-intro">Mitte Dezember fand in Innsbruck eine Tagung zum Management primärer Lebertumoren statt. Experten aus ganz Europa trafen einander, um die letzten Neuerungen auf diesem Gebiet zu diskutieren, wobei das Thema Interdisziplinarität im Vordergrund stand.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Nach dem erfolgreichen Meeting mit Fokus auf Pankreaspathologien 2016 organisierte im Dezember 2017 das hepatobiliäre Chirurgie-Team der Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie der Medizinischen Universität Innsbruck einen Kongress zum Thema „Management primärer Lebertumore“. Von der Fortbildungsakademie der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie unterstützt gelang es dabei, Koryphäen aus ganz Europa für Vorträge zu gewinnen. Die Thematiken spannten den Bogen von der Diagnostik, dem präoperativen Management über die unterschiedlichen lokalen und systemischen Therapiemöglichkeiten bis hin zur translationalen Forschung. Eine Live-Videoschaltung aus dem interventionellen Operationssaal mit der Übertragung einer Radiofrequenzablation sowie auch der angebotene „Hands-on“-Kurs am Vortag unterstrichen einmal mehr den interdisziplinären Ansatz und den Ausbildungscharakter der Veranstaltung.</p> <h2>Klatskin-Karzinom</h2> <p>Am ersten Tag des Kongresses stand das cholangiozelluläre, perihiläre Karzinom, das Klatskin-Karzinom, im Mittelpunkt. Dieses Karzinom stellt mit 50 % den Löwenanteil der cholangiozellulären Karzinome (CCC) und ist aufgrund seiner zentralen Lage im Wesentlichen nur durch komplexe Leberresektionen kurativ therapierbar, welche jedoch eine 50 % ige Morbidität und eine bis zu 10 % ige Mortalität aufweisen. Die Tatsache, dass dieser Tumor vor allem bei älteren Patienten vorkommt, ist eine weitere Herausforderung, da die Fitness der Patienten berücksichtigt und im Rahmen des Aufklärungsgesprächs auch mit den Patienten thematisiert werden muss. Neben der etablierten endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP) und Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) gewann zuletzt die Cholangioskopie an Bedeutung, die an Zentren mit entsprechender Expertise im Falle einer unklaren Stenose der Gallengänge zur genaueren Diagnostik eingesetzt werden kann. Neuere Ansätze wie die Cholangiomikroskopie müssen auf ihre Sensitivität und Spezifität genauer evaluiert werden.<br /> Ein viel diskutiertes Thema bleibt die Indikation einer präoperativen Gallengangsdrainage. Laut einer rezenten retrospektiven Studie stellen Cholangitiden und/ oder eine Cholestase des geplanten Restleberparenchyms mit einem geschätzten Volumen von unter 50 % eine klare Indikation dar. Unbedingt zu beachten ist nämlich, dass die Cholestase eine Leberhypertrophie verhindert. Eine Empfehlung bzgl. perkutaner versus endoskopischer Drainage lässt sich aus der Literatur nicht herausfiltern. Hier spielen die Erfahrung des Zentrums mit der jeweiligen Technik und die Gegebenheiten bei den jeweiligen Patienten eine größere Rolle als der Zugang per se.<br /> Die kurative Therapie der Wahl stellen die Resektionen dar, meist links oder rechts erweiterte Resektionen der Leber inklusive regionaler Lymphadenektomie, womit eine 5-Jahres-Überlebensrate von über 30 % erzielt werden kann. Die R0-Resektion ist hierbei der wichtigste Prognosefaktor. Während die Pfortaderembolisation des (meist rechten) tumortragenden Leberlappens etabliert ist, ist der Stellenwert der ALPPS („associating liver partition with portal vein ligation for staged hepatectomy“) bei dieser Tumorentität noch nicht klar. Unterschiedliche, schlecht vergleichbare ALPPS-Varianten und die geringe Fallzahl lassen noch keine Schlüsse bezüglich einer Empfehlung dieser chirurgischen Strategie zu.<br /> In ausgewählten Fällen kann eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen werden. Indiziert ist sie bei bis zu 2cm großen Tumoren ohne extrahepatische Manifestationen. In Kombination mit einer neoadjuvanten, multimodalen Radiochemotherapie (perkutane Bestrahlung, 5-Fluorouracil, intraluminale Brachytherapie und Capecitabin), dem sogenannten Mayo-Schema, wurde in diesem hochselektionierten Patientenkollektiv eine 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 70 % erreicht.<br /> Aufgrund der hilusnahen Lage der perihilären HCC spielt die stereotaktische Radiofrequenzablation (sRFA) keine Rolle bei der Therapie dieser Patienten.<br /> Mit der Publikation der BILCAP-Studie konnte erstmals ein Überlebensvorteil bei Patienten mit einer adjuvanten Systemtherapie (Capecitabin) gezeigt werden. Diese Therapie sollte somit heutzutage in allen pTNM-Stadien als Standard gelten.<br /> Im Falle einer Kontraindikation zur Resektion bleiben palliative, lokale Verfahren wie intraduktale RFA, antegrade, perkutane oder retrograde Stents als Option übrig. Neben der etablierten systemischen Therapie mit Gemcitabin/Cisplatin bei fortgeschrittenen und metastasierten Tumoren laufen aktuell Studien, in denen Kombinationstherapien mit Nab-Paclitaxel, VEGF- oder EGFR-Inhibitoren auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Auch hier erhofft man sich eine Verbesserung der bisher erzielten 1-Jahres-Überlebensrate von 50 % .</p> <h2>Hepatozelluläres Karzinom</h2> <p>Am zweiten Tag der Veranstaltung folgten Einblicke in den häufigsten primären Lebertumor, das hepatozelluläre Karzinom (HCC). Mit einer Inzidenz von ca. 5:100 000 stellt das HCC das weltweit am sechsthäufigsten vorkommende Karzinom und die zweithäufigste krebsassoziierte Todesursache dar.<br /> Meistens entsteht es auf dem Boden einer Leberzirrhose. Die am weitesten verbreitete Klassifikation hierfür bleibt das Barcelona Clinic Liver Cancer (BCLC) Staging System. Bei den betroffenen Patienten handelt es sich meist um komplexe, multimorbide Patienten, deren Therapie am besten im Rahmen eines interdisziplinären Boards (Hepatologen, Onkologen, Fachärzte für hepatobiliäre Chirurgie, Radiologen und Pathologen) besprochen werden sollte.<br /> In der Diagnostik des HCC gilt neben dem 4-Phasen-CT mit dem pathognomonischen „early washout“ und dem diffusionsgewichteten MRT die Biopsie immer noch als Goldstandard, v.a. in den seltenen Fällen, in denen ein HCC in einer nicht zirrhotischen Leber diagnostiziert wurde. Während beim perihilären Cholangiokarzinom die Lebertransplantation nur eine Nebenrolle spielt, stellt bei malignen entarteten Leberzirrhosen die Lebertransplantation eine wichtige kurative Therapiealternative dar. Die Mitte der 90er-Jahre eingeführten Mailand-Kriterien stellen dabei einen Meilenstein dar. Für Patienten mit Tumoren innerhalb dieser Kriterien (1 Herd kleiner als 5cm oder bis zu 3 Herde mit maximalen Durchmessern von 3cm, keine makrovaskuläre Invasion) zeigte sich gemäß ursprünglichen Publikationen eine 5-Jahres-Überlebensrate von über 70 % , während Patienten mit größeren Tumoren deutlich schlechter abschnitten. Die Achillesferse dieser Klassifikation liegt darin, dass die Bildgebung (CT oder MR) das alleinige Kriterium ist. Obwohl viele Zentren, v.a. im deutschsprachigen Raum, die Indikation zur Lebertransplantation immer noch anhand der Mailand-Kriterien stellen, mehrten sich zuletzt die Hinweise, dass die Indikationsstellung nicht allein auf diesen Kriterien basieren sollte, da u.a. die Biologie des Tumors im Sinne des rezidivfreien Intervalls nach lokaler Therapie und der Höhe des Alpha-1-Fetoproteins einen wichtigen prognostischen Faktor darstellt.<br /> Bei den seltenen nicht zirrhotischen HCC steht die Resektion im Vordergrund. Einzelne Fälle von Lebertransplantationen bei nicht zirrhotischen Patienten werden in der Literatur beschrieben, wobei es hierfür keine eindeutige Empfehlung gibt. Während das Gros der Operationen konventionell durchgeführt wird, hat sich die laparoskopische Chirurgie zumindest bei kleineren, gut zugänglichen, nicht anatomischen sowie bei linkslateralen Resektionen als Standard etabliert. Laparoskopische Hemihepatektomien können in Zentren mit entsprechender Expertise angeboten werden und haben zuletzt bzgl. onkologischen Outcomes und chirurgischer Komplikationen keinen wesentlichen Nachteil gegenüber der konventionellen Chirurgie ergeben.<br /> Sowohl bei der konventionellen als auch bei der laparoskopischen Resektion stellt die Leberzirrhose ein deutlich erhöhtes Operationsrisiko dar. Pathologische Werte der Elastographie (mittels Ultraschall oder MR erhoben), portaler Hypertonus und Ösophagusvarizen gelten in den meisten Zentren als Kontraindikationen zur Resektion. Ob die Laparoskopie bzgl. postoperativer Komplikationen einen Vorteil gegenüber der konventionellen Technik bringt, ist noch Gegenstand aktueller Debatten. Noch restriktiver wird in diesem Zusammenhang die Rolle der ALPPS gesehen. Ähnlich wie beim CCC sind auch hier die Fallzahlen noch zu gering, und die zahlreichen, publizierten, unterschiedlichen weniger invasiven Varianten der ALPPS erlauben zurzeit keine Rückschlüsse auf deren Validität.<br /> Eine kurative Alternative bei Patienten im BCLC-B-Stadium bietet hingegen die sRFA, mit der in ca. 30 % der Fälle Rezidivfreiheit erreicht wird. Die sRFA spielt außerdem neben der transarteriellen Chemotherapie (TACE) eine wichtige Rolle bei der lokalen Kontrolle des HCC als Überbrückungstherapie bis zur Lebertransplantation („bridging to transplant“).<br /> Während Tyrosinkinasehemmer beim HCC als adjuvante Systemtherapie keine Rolle spielen, sind sie ein wesentlicher Bestandteil der palliativen Systemtherapie. Sorafenib, bei Unverträglichkeit bzw. Progression Lenvatinib und Regorafenib werden hierbei eingesetzt. Mit Cabozantinib steht ein weiterer Tyrosinkinasehemmer voraussichtlich kurz vor der Zulassung.<br /> Im palliativen Setting ist die selektive interne Radiotherapie (SIRT) eine interessante Option. Obwohl zwei große prospektive Studien keinen Überlebensvorteil im Vergleich zur Systemtherapie mit Tyrosinkinasehemmern zeigen konnten, stellte sich eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität und des Nebenwirkungsspektrums heraus, sodass die SIRT als gute Alternative bei Therapiemüdigkeit und Unverträglichkeit der Systemtherapie angesehen werden sollte. Ob eine Kombinationstherapie aus SIRT plus Tyrosinkinasehemmern von Vorteil ist, sollen laufende Studien beweisen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Trotz des aggressiven Verhaltens dieser beiden Tumorentitäten konnte in den letzten Jahren durch neue interdisziplinäre Ansätze in der präoperativen Diagnostik sowie in der lokalen und systemischen Therapie die Prognose bei Patienten mit einem perihilären CCC oder einem HCC deutlich verbessert werden. Das breite Spektrum an Therapieoptionen und die Neuentwicklung weiterer Therapieansätze unterstreichen die Notwendigkeit, monothematische, interdisziplinäre Fortbildungsveranstaltungen in regelmäßigen Abständen abzuhalten.</div></p>