
Wichtige Erkenntnisse und große Fortschritte in den letzten Jahren
Bericht:
Dr. Gabriele Senti
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Migräne ist eine chronische und den Patienten oft lebenslang begleitende neurologische Störung und die zweithäufigste Ursache für Jahre mit „Behinderungen“ weltweit. Die folgenden drei Publikationen der aktuellen „Lancet“-Serie „Migräne“ thematisieren umfassend die Herausforderungen und Fortschritte in der Biomarkerforschung, fassen die Daten zur Migräneepidemiologie und zu den Herausforderungen der Versorgung weltweit zusammen und erörtern den aktuellen Versorgungsstandard mit medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien.
Migräne 1: Epidemiologie und Versorgungssysteme
Migräne betrifft rund 1 Milliarde Menschen weltweit. Diese Prävalenz ist eine Last für die globale Gesundheit, die zu großen Teilen vermieden werden könnte, da effektive und kosteneffiziente Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen. Offensichtliche Mängel in den Pflegesystemen erfordern eine dringende Korrektur, die durch informierte Gesundheitspolitik unterstützt werden kann.
In diesem Zusammenhang ist das epidemiologische Monitoring ein leistungsfähiges Instrument, um den natürlichen Verlauf der Migräne zu charakterisieren und die Ergebnisse klinikbasierter Studien zu kontextualisieren. Epidemiologische Studien sind auch der Schlüssel zur Quantifizierung der direkten und indirekten Folgen von Migräne, die es uns ermöglichen, die Auswirkungen von Migräne auf die Patienten und ihre Familien, Kollegen, Arbeitgeber sowie die Gesellschaft zu verstehen.
In diesem Artikel der Reihe geben die Autoren einen Überblick über die Epidemiologie und die globale Belastung durch Migräne, um das Bewusstsein und das Verständnis für die Erkrankung als Voraussetzung für Abhilfemaßnahmen zu stärken. Sie diskutieren die aktuelle Struktur und Praxis der Migränebehandlung, einschließlich spezifischer Herausforderungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Abschließend geben die Autoren auch Empfehlungen zur Standardisierung der epidemiologischen Überwachung, zur Verbesserung der gesundheitsökonomischen Bewertung und zur Anpassung der „Best Practices“ innerhalb der Pflegesysteme an die lokalen Bedürfnisse und die Verfügbarkeit von Ressourcen.
Suchstrategie und Selektionskriterien
Die Autoren durchsuchten MEDLINE (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) und Embase (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) nach Originalforschungsarbeiten, Reviews und Metaanalysen und verwendeten den Suchbegriff „migraine“ in Kombination mit den Begriffen „epidemiology“, „burden“, „health economics“, „systems of care“, „specialist care“ und „primary care“. Ausgewählt wurden hauptsächlich Veröffentlichungen der letzten 5 Jahre, ältere Veröffentlichungen, die häufig referenziert und hoch angesehen waren, wurden ebenfalls inkludiert. Weiters wurden die Referenzlisten der Artikel durchsucht, die diese Suchstrategie hervorbrachte. Daraus wurden jene Publikationen ausgewählt, die die Autoren als relevant beurteilten.
Key Messages
Basierend auf ihren Analysen formulieren die Autoren folgende Kernbotschaften:
Migräne ist allgegenwärtig und beeinträchtigt die Gesundheit und Lebensqualität vieler Menschen mit tiefgreifenden Auswirkungen auf ihre Familien, Kollegen und die Gesellschaft.
Migräne ist die weltweit häufigste Ursache von Behinderungen bei Menschen unter 50 Jahren (insbesondere bei Frauen) und eine der Hauptursachen für enorme Verluste für die Weltwirtschaft.
Trotz dieser Tatsachen werden weltweit schwerwiegende Mängel beim Fachmann gemeldet, der ein politisches Bewusstsein für Migräne hat und seinem Management Ressourcen zuweist.
Fachkräfte der Grundversorgung sind die Hauptanbieter von Gesundheitsdiensten gegen Migräne. Bei Patienten mit Behandlungsresistenz, atypischen Merkmalen oder Komorbiditäten kann eine Überweisung durch einen Spezialisten erforderlich sein.
Epidemiologische Studien sollten weiterhin geografische und andere Wissenslücken schließen und eine standardisierte konsensbasierte Methodik verwenden, um vergleichende Bewertungen zwischen Ländern zu ermöglichen.
Es sollten Methoden entwickelt werden, um das Spektrum der indirekten Folgen von Migräne (wie Falschwirkung, Verlust der Karriere) zu bewerten und eine vollständige Darstellung der durch Migräne verursachten Belastung zu erhalten, um eine fundierte Gesundheitspolitik zu verbessern.
Mehr Forschung sollte die besten klinischen Praktiken und Pflegestrategien innerhalb strukturierter Kopfschmerzdienste identifizieren und deren Wirksamkeit, Reichweite und Kostenwirksamkeit bewerten.
In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sollten konzertierte Anstrengungen unternommen werden, um Lösungen für die Migräne im Gesundheitswesen zu finden, die auf die lokalen Bedürfnisse, Infrastrukturen und Ressourcen zugeschnitten und für die Aus- und Weiterbildung von entscheidender Bedeutung sind.
Literatur:
Ashina M et al.: Migraine: epidemiology and systems of care. Lancet 2021; 397: 1485-95
Migräne 2: Krankheitscharakteristik, Biomarker und Präzisionsmedizin
Die Pathogenese der Migräne beinhaltet eine starke genetische Komponente. Migräne wird ausschließlich durch klinische Kriterien definiert, was die Forschungsanstrengungen zur Etablierung von für die Migräne spezifischen Biomarkern für präzisionsmedizinische Ansätze beflügelt hat. Fortschritte in den Bereichen Genetik, Provokationsmodelle, Biochemie und Neuroimaging sind vielversprechend und haben das Verständnis der Migränepathogenese verbessert.
In dieser Publikation bewerten die Autoren die Fortschritte, die bei der Suche nach migränespezifischen Biomarkern erzielt wurden. Sie diskutieren die Verwendung der Integration von Daten aus mehreren Biomarker-Modalitäten, um bestimmte und einzigartige Merkmale der Migräne genauer zu bewerten.
Außerdem präsentieren sie die aktuellen Biomarker-Ansätze vor Herausforderungen und geben Empfehlungen zur Verbesserung der Erforschung von Biomarkern für Migräne.
Suchstrategie und Selektionskriterien
Die Autoren durchsuchten MEDLINE (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) und Embase (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) nach Originalforschungsarbeiten, Reviews und Metaanalysen. Sie verwendeten den Suchbegriff „migraine“ in Kombination mit den Begriffen „diagnosis“, „classification“, „genetic“, „provocation“, „human models“, „blood markers“, „serum“, „brain“, „cortical changes“, „imaging“, „data integration“, „biomarker“, „CGRP“, „PACAP“ und/oder „signaling molecule“. Ausgewählt wurden hauptsächlich Veröffentlichungen der letzten 5 Jahre, ältere Veröffentlichungen, die häufig referenziert und hoch angesehen waren, wurden ebenfalls inkludiert. Weiters wurden die Referenzlisten der Artikel durchsucht, die diese Suchstrategie hervorbrachte. Daraus wurden jene Publikationen ausgewählt, die die Autoren als relevant beurteilten.
Conclusio
Die Biomarker-Forschung hat bereits einen großen Beitrag zum Verständnis der Migränepathogenese geleistet. Fortschritte in den Bereichen Genetik, Provokationsmodelle, Biochemie und Neuroimaging haben gezeigt, dass Biomarker-gesteuerte Ansätze für Diagnose, Behandlung und Wirkstoffentdeckung von entscheidender Bedeutung sind. Die Bemühungen, Biomarker-Modalitäten zu kombinieren, haben das Verständnis der biologischen Komplexität, die der Migräne und ihren Subtypen zugrunde liegt, verbessert. Aufbauend auf dieser Grundlage sollte die zukünftige Forschung präzisionsmedizinische Ansätze untersuchen, die die Diagnose und Behandlung von Migräne verbessern.
Literatur:
Ashina M et al.: Migraine: disease characterisation, biomarkers, and precision medicine. Lancet 2021; 397: 1496-504
Migräne 3: Integrierte Ansätze für das klinische Management und neue Behandlungsansätze
Einleitung
Migräne ist eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit sowie unzureichend erkannt und verursacht erhebliche individuelle und gesellschaftliche Kosten.1 Das aktuelle Armamentarium von Behandlungen umfasst Akutmedikation, Migräneprophylaxe und nichtpharmakologische Therapien. Trotz einer Reihe verfügbarer Behandlungsmöglichkeiten gibt es weiterhin Herausforderungen bei der Unterbehandlung, der Adhärenz und dem Zugang zu Behandlungen. Im Jahr 2018 wurden diese Herausforderungen durch bevölkerungsbasierte Daten aus sechs europäischen Ländern aufgezeigt.2 Nur 3–22% der Migränepatienten wurden Triptane verordnet, während Medikamente zur Prophylaxe nur 2–14% der infrage kommenden Patienten erhielten. Diese Zahlen zeigen, dass Verbesserungen dringend notwendig sind, sodass die aktuellen „standards of care“ konsequent angewendet und in der angewandten klinischen Praxis effektiv umgesetzt werden.
In dieser Publikation der Serie3 diskutieren die Autoren die verfügbare Evidenz im Zusammenhang mit der Optimierung der Patientenversorgung und der Minimierung nicht notwendiger Therapien und von Misserfolgen bei der Behandlung. Sie analysieren seriell alle zur Verfügung stehenden therapeutischen Ansätze und überprüfen dabei die vorliegende Evidenz bezüglich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheitsprofil. Diskutiert wird außerdem, wie kürzlich genehmigte (in den letzten 3 Jahren) und aufstrebende Behandlungen in die klinische Praxis integriert werden könnten.
Suchstrategie und Selektionskriterien
Die Autoren durchsuchten MEDLINE (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) und Embase (vom Beginn der Datenbank bis zum 1. Januar 2020) nach Originalforschungsarbeiten, Reviews und Metaanalysen. Sie verwendeten den Suchbegriff „Migräne“ in Kombination mit den Begriffen „akut“, „vorbeugende“, „Behandlung“, „Medikamente“, „Droge“, „komplementär“, „Management“, „kognitiv“, „Therapie“, „Gerät“, „Diät“, „Schlaf“, „Akupunktur“, „Bildung“, „Roman“, „Wirtschaft“ und „aufstrebend“. Ausgewählt wurden hauptsächlich Veröffentlichungen der letzten 5 Jahre, ältere Veröffentlichungen, die häufig referenziert und hoch angesehen waren, wurden ebenfalls inkludiert. Weiters wurden die Referenzlisten der Artikel durchsucht, die diese Suchstrategie hervorbrachte. Daraus wurden jene Publikationen ausgewählt, die die Autoren als relevant beurteilten.
Conclusio
In den letzten 5 Jahren konnten große Fortschritte bei der Behandlung der Migräne verzeichnet werden. Ausschlaggebend dafür waren auf neuartigen Mechanismen basierende Therapieoptionen, die die „standards of care“ ergänzen und dazu beitragen, die Krankheitslast zu mildern, die der Migräne zugeschrieben wird. Viele therapeutische Möglichkeiten stehen zur Verfügung, um die Migräne effektiv zu behandeln. Nach wie vor bestehen jedoch einige Hindernisse, beispielsweise Wissenslücken zur personalisierten Behandlung von Migränepatienten. Es bedarf erstens der weiteren Erforschung der biologischen Grundlagen der Migräne, um potenzielle mechanismusbasierte Zielmoleküle für neue Wirkstoffe zu identifizieren. Zweitens müssen künftig Präzisionsmedizinstrategien, die neue Therapien für das individuelle Migräneprofil jedes Patienten maßschneidern, entwickelt werden. Schließlich sollten Kliniker evidenzbasierte multidisziplinäre Ansätze anwenden, um die klinische Praxis zu optimieren und „unmet needs“ der Migränebehandlung zu beheben.
Literatur:
1 Ashina M: Migraine. N Engl J Med 2020; 383: 1866-76 2 Katsarava Z, Mania M, Lampl C, Herberhold J, Steiner TJ: Poor medical care for people with migraine in Europe—evidence from the Eurolight study. J Headache Pain 2018; 19: 10 3 Ashina M et al.: Migraine: integrated approaches to clinical management and emerging treatments. Lancet 2021; 397: 1505-18
Wichtige Übersichtsarbeiten zum Thema Migräne
Die hier präsentierten Publikationen der „Lancet“-Serie „Migräne“ hat Professor Gregor Brössner ausgewählt. Sie fassen alle wichtigen Erkenntnisse und Aspekte zur Migräne der letzten Jahre zusammen. Prof. Brössner bringt Migräne auf den Punkt:
- Migräne ist eine chronische neurologische Erkrankung und betrifft weltweit über 1 Milliarde Menschen.
- Migräne ist weltweit die zweithäufigste Ursache für „Behinderung“, nur übertroffen von Rückenschmerzen.
- Migräne ist eine Erkrankung mit klarer neurobiologischer Grundlage. Bislang wurden in genomweiten Assoziationsstudien 38 genetische Loci gefunden, die mit Migräne assoziiert sind.
- Neben dem klassischen Migränekopfschmerz besteht die Erkrankung aber aus weitaus mehr klinischen Kennzeichen, u.a. autonomen Funktionsstörungen; die Neigung zu Angststörungen führt auch interiktal zu massiven Belastungen.
- In den letzten 5 Jahren wurden mehr neue Attacken/Prophylaxemedikamente erforscht und zugelassen als in den letzten Jahrzehnten: monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, Ditane, Gepante, aber auch neuromodulatorische Devices.
Das könnte Sie auch interessieren:
Menschen mit Demenz: Was beeinflusst deren Überleben nach Diagnosestellung?
Verschiedenste Faktoren beeinflussen die Überlebenszeit nach einer Demenzdiagnose. Das Wissen um Risikofaktoren zum Zeitpunkt der Diagnose einer Demenzerkrankung oder in deren Verlauf ...
Alzheimer: Was gibt es Neues in der Biomarker-Entwicklung?
Schätzungen zufolge leben in Österreich 115000 bis 130000 Menschen mit einer Form der Demenz. Eine Zahl, die sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird.1 Antikörper-Wirkstoffe könnten in der ...
Kappa-FLC zur Prognoseabschätzung
Der Kappa-freie-Leichtketten-Index korreliert nicht nur mit der kurzfristigen Krankheitsaktivität bei Multipler Sklerose, sodass er auch als Marker zur Langzeitprognose der ...