© Getty Images

13th European Congress on Epileptology

Von der Entschlüsselung der Ursachen bis zu neuen Therapien

<p class="article-intro">Nach 2004 fand auch heuer der Europäische Epilepsiekongress (ECE) in Wien statt, und zwar von 26. bis 30. August. Wir sprachen mit Prof. Eugen Trinka, dem Vorsitzenden der International League Against Epilepsy (ILAE) Europe und Co-Chair des ECE International Organising and Scientific Committee, über die Highlights des Kongresses und die Pläne für den ECE 2020 in Genf.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Trinka, wie beurteilen Sie den Erfolg des ECE 2018? Wie war das Feedback? <br />E. Trinka:</strong> Der Europ&auml;ische Epilepsiekongress 2018 war wirklich erfolgreich: Mit rund 2650 Teilnehmern aus der ganzen Welt war er sehr gut besucht. Wir haben auch au&szlig;erordentlich positives Feedback bekommen. Beispielsweise meinten Teilnehmer aus &Uuml;bersee im Gespr&auml;ch, dass der Kongress ein extrem hohes Niveau gehabt habe, sowohl was die wissenschaftlichen Vortr&auml;ge als auch die Fortbildungsangebote betraf.</p> <p><strong>Mit welchen Neuerungen hat der ECE 2018 auf sich aufmerksam gemacht? <br />E. Trinka:</strong> Zum ersten Mal bei einem europ&auml;ischen Epilepsiekongress haben wir Teaching Courses implementiert. Das waren Halbtageskurse, die entweder Basiswissen vermittelt haben oder aber ganz spezielles Fachwissen, wie beispielsweise Inhalte zur pr&auml;operativen Epilepsiediagnostik. Diese Kurse wurden sehr gut angenommen und waren zum Teil sogar &uuml;berbucht. Neu war dieses Jahr auch das Young Epileptologists Forum. Dr. Caroline Neuray und Dr. Gudrun Kalss haben hier ein Programm zusammengestellt, mit dem wir besonders die jungen Kollegen angesprochen haben. Weiters gab es erstmals einen Leadership- Kurs f&uuml;r junge Kollegen, der einerseits Themen spezifisch f&uuml;r F&uuml;hrungskr&auml;fte behandelte, sich andererseits aber auch mit Managementthemen auseinandersetzte. Abgerundet wurden diese Angebote von einer Reihe von Veranstaltungen au&szlig;erhalb des Kongresses wie beispielsweise einem Networkingevent oder dem Epilepsy Awareness Run.</p> <p><strong>Es gab ja dieses Jahr auch zum ersten Mal ein deutschsprachiges Patientenforum &ndash; welche Themen wurden hier mit der Bev&ouml;lkerung diskutiert? <br />E. Trinka:</strong> Ja, das deutschsprachige Patientenforum beim ECE war ebenfalls ein Novum, bisher wurden diese Foren ja immer in englischer Sprache gehalten. Die gro&szlig;en Themen waren die akute Versorgung daheim, neue Medikamente und deren praktische Anwendung, aber auch die Risiken unkontrollierter, therapieresistenter Anf&auml;lle. Es ist wichtig, die Patienten &uuml;ber die Risiken untherapierter Epilepsien aufzukl&auml;ren und dabei auch heikle Themen wie die Epilepsiechirurgie oder SUDEP anzusprechen. Leider haben Untersuchungen gezeigt, dass viele &Auml;rzte Hemmungen haben, solche sensiblen Themen an ihre Patienten heranzutragen.</p> <p><strong>In welchen F&auml;llen ist denn die Epilepsiechirurgie eine Option? <br />E. Trinka:</strong> Die Epilepsiechirurgie ist eine wirksame Methode und das Mittel der Wahl bei verschiedenen Arten von Epilepsien, die medikament&ouml;s nicht gut zu kontrollieren sind. Es ist wichtig, die M&ouml;glichkeit eines chirurgischen Eingriffs im Einzelfall zu pr&uuml;fen. Sobald das zweite Medikament versagt hat, geh&ouml;rt der Patient einem epilepsiechirurgischen Zentrum zugewiesen. Zu warten, bis etwas passiert, sind verlorene Lebensjahre!</p> <p><strong>Welche Themen haben den ECE 2018 gepr&auml;gt? <br />E. Trinka:</strong> Die Epileptologie befindet sich gerade stark im Wandel. Wir nutzen neue Methoden und k&ouml;nnen so immer besser die genetischen Ursachen f&uuml;r angeborene Epilepsien entschl&uuml;sseln. F&uuml;r immer mehr Erkrankungen findet man ein oder mehrere Gene, die mit der Erkrankung zusammenh&auml;ngen. Dadurch gibt es bereits erste Erfolge in der zielgerechten Behandlung angeborener Epilepsien. <br />Auf der anderen Seite stehen wir durch den demografischen Wandel in der Bev&ouml;lkerung einer stetig wachsenden Anzahl erworbener Epilepsien gegen&uuml;ber. Auch hier macht die Forschung gro&szlig;e Fortschritte und wir verstehen zunehmend die Zusammenh&auml;nge zwischen Epilepsie und Demenzen oder dem zerebrovaskul&auml;ren Risiko. Der epileptische Anfall im Zusammenhang mit einem &bdquo;mild cognitive impairment&ldquo; gilt beispielsweise mittlerweile als Biomarker f&uuml;r eine rasch fortschreitende degenerative Erkrankung. Patienten, die nach einem Schlaganfall einen epileptischen Anfall erleiden, haben ein h&ouml;heres Risiko, in den darauffolgenden zwei Jahren dement zu werden. Das sind nur zwei Beispiele. Es gibt hier viele Zusammenh&auml;nge, die zu entschl&uuml;sseln man gerade im Begriff ist.<br />Genau diesen Entwicklungen &ndash; einerseits den spannenden Fortschritten auf dem Gebiet der kindlichen Enzephalopathien und andererseits den Zusammenh&auml;ngen bei erworbenen Epilepsien &ndash; hatten wir mehrere Sessions beim Kongress gewidmet.</p> <p><strong>Welche Session war Ihr pers&ouml;nliches Highlight? <br />E. Trinka:</strong> Einer der Glanzpunkte beim ECE 2018 war sicherlich der Vortrag von Prof. Raphael Mechoulam, Pharmakologe an der Hebrew University of Jerusalem. Er hat die Wirkstoffe in Cannabis entschl&uuml;sselt und das endogene Cannabinoidsystem erstmals beschrieben. Mechoulam hat damit ein wirkliches Lebenswerk erschaffen und ist in meinen Augen ein Kandidat f&uuml;r den Nobelpreis. Cannabidiol ist mittlerweile zur Behandlung von kindlichen Epilepsieformen wie dem Dravet-Syndrom zugelassen und wird demn&auml;chst auch die Zulassung zur Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms bekommen. <br />Ein weiteres Highlight war das Chair&rsquo;s Symposium, das dem Thema &bdquo;Status epilepticus&ldquo; gewidmet war und von verschiedenen Referenten und unter unterschiedlichen Aspekten beleuchtet wurde: Prof. Jaideep Kapur referierte &uuml;ber die Erkenntnis, dass die epileptische Aktivit&auml;t im Gehirn dieselben Ausbreitungswege vom Hippocampus in den Neocortex nutzt wie jene zur Weiterleitung von Wissensinformation. Diese erstaunlichen Parallelen sind insofern von Bedeutung, als sich ja mit der L&auml;nge der Anfallsdauer das kognitive Outcome verschlechtert &ndash; hier er&ouml;ffnen sich neue und wichtige Forschungsfragen. Dr. Stephan R&uuml;egg sprach &uuml;ber Fortschritte und Zukunftsaussichten bei den medikament&ouml;sen Therapieoptionen und Dr. David Henshall &uuml;ber die Rolle von epigenetischen Ver&auml;nderungen bei Epilepsie. Er pr&auml;sentierte auch m&ouml;gliche therapeutische Ans&auml;tze im Rahmen dieser epigenetischen Ver&auml;nderungen. Dr. Ronit Pressler berichtete &uuml;ber den neonatalen Status epilepticus. 2015 haben wir eine neue Klassifikation der Epilepsien publiziert, in der die neonatalen Anf&auml;lle noch eine Sonderstellung eingenommen haben. Eine Task Force wurde damals eingerichtet, die nun einen Vorschlag zur Klassifikation neonataler Epilepsieanf&auml;lle gemacht hat. Ein sehr wichtiger Schritt!</p> <p><strong>K&ouml;nnen Sie bereits Ausblicke auf den ECE 2020 geben? <br />E. Trinka:</strong> 2020 wird der ECE in Genf stattfinden, da werden die von uns etablierten Neuerungen weitergef&uuml;hrt und basierend auf den Ergebnissen der Evaluierung 2018 weiterentwickelt werden. Wir haben hinsichtlich der Teaching Courses ein Curriculum entwickelt, in dem die Lehrinhalte f&uuml;r die einzelnen Stufen 1&ndash;4 klar definiert wurden. Man wird diese Kurse beim ECE, aber auch davon unabh&auml;ngig absolvieren k&ouml;nnen &ndash; das ist der Plan f&uuml;r 2020. <br />Wir werden zudem auch weiter den Weg gehen, den wir heuer eingeschlagen haben: verst&auml;rkt junge Kollegen in Planung und Durchf&uuml;hrung des Kongresses einzubinden, bei Themenvorschl&auml;gen und Vortr&auml;gen weiterhin h&ouml;chsten Wert auf die wissenschaftliche Qualit&auml;t zu legen und au&szlig;erdem beim Ausbildungsprogramm auf h&ouml;chste inhaltliche und didaktische Qualit&auml;t zu achten.</p> <p><strong>Welche Themen werden beim ECE 2020 aufgegriffen? <br />E. Trinka:</strong> Genf ist die Stadt der WHO. Wir werden dies zum Anlass nehmen, dort die gro&szlig;en Themen aus dem Bereich Public Health zu positionieren. Die WHO hat die Epilepsie zu einer der Health Care Priorities deklariert. Es wird 2020 also darum gehen, dies weiterzutragen und unterschiedliche unterst&uuml;tzende Aktionen zu setzen. <br />Wir haben in den letzten Jahren bewirkt, dass das Europ&auml;ische Parlament eine Declaration of Epilepsy verfasst und man erste Ma&szlig;nahmen erarbeitet hat: Epilepsiechirurgische Zentren wurden beispielsweise etabliert oder Epilepsiezentren f&uuml;r seltene und komplexe Erkrankungen. Beim ECE 2020 werden wir daher gr&uuml;ndlich nachfassen, wie diese Deklaration umgesetzt wurde und welche zuk&uuml;nftigen Priorit&auml;ten gesetzt werden.</p></p>
Back to top