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4,5-Stunden-Zeitfenster für Lysetherapie bestätigt
Leading Opinions
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09.07.2015
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<p class="article-intro">In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 260 000 Menschen einen Schlaganfall. Da dieser für den Betroffenen in der Regel schmerzlos ist, kommen immer noch viele Patienten zu spät auf eine Schlaganfall-Spezialstation, die sogenannte Stroke Unit. Die Behandlung muss baldmöglichst beginnen, um bleibende neurologische Ausfälle oder gar den Tod zu verhindern. Eine Metaanalyse aller grösseren Therapiestudien, die nun in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen ist,<sup>1</sup> bestätigt, dass die Lysebehandlung im Zeitfenster von 4,5 Stunden nach dem Schlaganfall und auch bei älteren Menschen effektiv ist.</p>
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<p class="article-content"><p>Vier von fünf Schlaganfällen werden durch ein Blutgerinnsel in einer Hirnarterie ausgelöst, das bei einem Teil der Patienten durch eine Infusion mit dem Enzym Alteplase, die sogenannte Lyse­behandlung, aufgelöst werden kann. „Die Wirksamkeit der Lysetherapie wurde vor beinahe 20 Jahren erstmals in einer klinischen Studie belegt, mittlerweile ist die Lyse auf allen zertifizierten Stroke Units in Deutschland fest etabliert“, erklärt Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Universitätsklinikum Essen. Durchgeführt werde die Lyse jedoch nur bei etwa 10 % der Schlaganfallpatienten in Deutschland. Dies liegt vor allem daran, dass nur etwa 30 bis 40 % der Schlaganfallpatienten rechtzeitig die Klinik erreichen. In einigen europäischen Ländern, nicht jedoch in Deutschland, werde zudem bei leichten oder aber besonders schweren Schlaganfällen sowie bei Menschen über 80 Jahre von der Behandlung abgeraten. Die Stroke Thrombolysis Trialists’ Collaborative Group, ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Dipl.-Psych. Werner Hacke, Universitätsklinik Heidelberg, hat deshalb die Ergebnisse aus neun Studien zusammengefasst. „Für die Metaanalyse haben wir die Daten aller 6756 Studienteilnehmer einzeln ausgewertet, um ein möglichst unverfälschtes Bild von der Effektivität und den möglichen Risiken zu erhalten“, erläutert Hacke. Die Metaanalyse bestätigte die Erfahrungen aus den Einzelstudien: Die Lyse­- therapie ist umso erfolgreicher, je früher sie begonnen wird. Die Chancen eines Patienten, den Schlaganfall ohne schwere Behinderungen zu überleben, waren in den ersten drei Stunden um 75 % höher als in der Vergleichsgruppe, die keine Lysetherapie erhielt. Wurde die Lyse 3 bis 4,5 Stunden nach dem Schlaganfall begonnen, betrug der Vorteil noch 26 % . „Unsere Ergebnisse bestätigen den Effekt der Lyse im Zeitfenster von 4,5 Stunden“, erklärt Hacke. Zu einem späteren Zeitpunkt, so der Experte, bleibe ihr Einsatz immer eine Einzelfallentscheidung.</p> <h2>Zurückhaltung bei älteren Patienten unbegründet</h2> <p>Derzeit sind viele Ärzte bei älteren Patienten noch zurückhaltend mit der Lysetherapie. „Die Angst vor Komplikationen ist weit verbreitet“, sagt Prof. Dr. med. Joachim Röther, Asklepios Klinik Altona. Da insgesamt 1729 Teilnehmer der Studien älter als 80 Jahre waren, liefert die aktuelle Metaanalyse hier erstmals zuverlässige Ergebnisse. „Die Erfolgsrate der Lysetherapie war bei Hochbetagten keineswegs schlechter, die Ergebnisse waren tendenziell sogar besser“, berichtet Röther. Auch hinsichtlich des Blutungsrisikos sieht der Experte bei älteren Patienten keine Probleme.<br /> Da das Enzym Alteplase Blutgerinnsel auflöst, sind Blutungen die am meisten gefürchtete Komplikation. Sie sind auch der Grund, warum vor der Lyse­therapie immer eine Computer- oder eine Kernspintomografie durchgeführt wird, um Hirnblutungen als Ursache des Schlaganfalls auszuschliessen. Die Untersuchung verzögere zwar den Therapiebeginn, doch eine gut organisierte Stroke Unit mit entsprechend qualifiziertem Personal könne dies ausgleichen. Prof. Diener: „Wichtig ist die Aufklärung der Bevölkerung. Die Angehörigen müssen wissen, dass ein Schlaganfall immer ein Notfall ist, auch wenn Betroffene keine Schmerzen haben.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der
Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Emberson J et al: Stroke Thrombolysis Trialists‘ Collaborative Group. Effect of treatment delay, age, and stroke severity on the effects of intravenous thrombolysis with alteplase for acute ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from randomised trials. Lancet 2014; 384: 1929-35</p>
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