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Depressiver Senior? Möglicherweise ein Frühzeichen von Alzheimer
Jatros
30
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06.09.2018
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<p class="article-intro">Ist ein älterer Mensch depressiv, könnte das auf Mb. Alzheimer weisen – lange bevor es zu Gedächtnisproblemen und Demenz kommt. Dies zeigten kürzlich Forscher aus Harvard.<sup>1</sup></p>
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<p class="article-content"><p>Eine Depression scheint ein Frühzeichen für Morbus Alzheimer zu sein“, kommentiert Prof. Robert Perneczky, Leiter der Sektion für Psychische Erkrankungen im Alter und Leiter des Alzheimer Therapieund Forschungszentrums an der Ludwig- Maximilians-Universität München. „Das Amyloid stört vermutlich Netzwerke im Hirn, die unsere Emotionen kontrollieren.“<br /><br /> Der Alzheimerdemenz geht eine lange „präklinische“ Phase voraus, in der sich Amyloid und pathologisches Tau-Protein im Hirn ansammeln. Dieser Prozess zieht sich mehr als zehn Jahre hin, bevor es zu ersten leichten kognitiven Einschränkungen („mild cognitive impairment“, MCI) kommt.<sup>2–4</sup> Beobachtungsstudien aus den letzten Jahren weisen darauf hin, dass sich eine Alzheimerdemenz in diesem Vorstadium durch Depressionen und andere neuropsychiatrische Symptome äußern kann. Ältere Menschen mit normaler kognitiver Funktion und neuropsychiatrischen Symptomen – vor allem mit Depressionen und Ängstlichkeit – hatten ein doppelt so hohes Risiko, in den kommenden 3–6 Jahren ein MCI zu entwickeln, als diejenigen ohne diese Beschwerden.<sup>4–7</sup> Manche Forscher postulieren, Depressionen könnten das Voranschreiten von Mb. Alzheimer fördern oder andersherum als Konsequenz der Demenz auftreten.<sup>8</sup> Schon seit Längerem suchen Wissenschaftler nach Biomarkern, mit denen man Mb. Alzheimer im präklinischen Stadium identifizieren könnte, um die Patienten besser betreuen und therapieren zu können.<br /><br /> Ein solcher Biomarker könnten Depressionen sein, insbesondere die vom ängstlichen Typ. Die Psychiaterin Dr. Nancy Donovan und ihre Kollegen von der Universität in Harvard fanden nämlich bei gesunden älteren Menschen mit (noch) normaler kognitiver Funktion höhere Amyloid-Werte bei den Teilnehmern mit Depressionen. Je höher der Amyloid-Wert, desto ängstlich-depressiver wurden die Teilnehmer über den Studienzeitraum.<br /><br /> Die Forscher schlossen 270 gesunde Senioren von der Harvard-Aging-Brain- Studie im Alter zwischen 62 und 90 Jahren ein, die keine kognitiven Einschränkungen und keine bedeutende psychiatrische Krankheit hatten. Zu Beginn der Studie wurden die Amyloid-Ansammlungen mittels PiB-Positronenemissionstomografie (PET) gemessen. Ob jemand unter einer Depression litt und wenn ja, wie sehr, ermittelten die Wissenschaftler mit der Geriatrischen Depressions-Skala (GDS) jeweils einmal am Anfang der Studie und einmal jährlich. Zusätzlich wurden der Score im Mini-Mental-Status-Test (MMSE), der Hollingshead-Score und der AMNART-Score erhoben sowie der APOE- ε4-Carrier-Status bestimmt.<br /><br /> Zu Beginn der Studie hatten die Teilnehmer insgesamt einen Wert auf der Geriatrischen Depressions-Skala von im Schnitt 2,8 und diejenigen mit früherer Depression von 3,7. Je höher die PiB-Bindung in der PET, desto mehr stieg der Wert auf der Depressions-Skala über die Jahre – unabhängig davon, ob ein Teilnehmer eine Depression hatte oder nicht. Teilnehmer mit höherer PiB-Bindung hatten im Laufe der Zeit auch zunehmend ängstliche Symptome. Je mehr Amyloid, so das Fazit der Autoren, desto ängstlich-depressiver wurden kognitiv normale ältere Erwachsene. Hatte jemand schon früher einmal eine Depression, führte das zu höheren Werten auf der Depressions-Skala, aber nicht zu einer Verschlechterung depressiv-ängstlicher Symptome. „Die Studie unterstützt die Hypothese, dass neuropsychiatrische Symptome auftreten, noch bevor frühe Zeichen von Alzheimerdemenz zu erkennen sind“, sagt Prof. Perneczky. „Sie liefert ein weiteres Mosaiksteinchen zum Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen Morbus Alzheimer und Depression.“ Trotzdem lasse sich auch weiterhin nicht klar sagen, ob eine Depression ausschließlich die Ursache oder zu einem Teil auch Ausdruck der Alzheimererkrankung ist. Nicht sicher ist auch, ob depressive Senioren später alle an Alzheimerdemenz erkranken.<br /><br /> Auf jeden Fall sei die Studie ein erneuter Beleg dafür, dass man hellhörig werden sollte, wenn sich ein älterer Mensch grundlos niedergeschlagen fühlt, und man das sorgfältig abklären sollte, erst recht dann, wenn der Betroffene zusätzlich Gedächtnisprobleme habe. „Auch wenn sich dann herausstellt, dass er keine Alzheimerdemenz hat: Eine antidepressive Behandlung erhöht die Lebensqualität enorm.“</p> <p>Lesen sie auch: <a href="1000000556">Was ist die korrekte Therapie?</a></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Donovan NJ et al.: Am J Psychiatry online, 12. 1. 2018 <strong>2</strong> Jack CR et al.: Lancet Neurol 2013; 12: 207-16 <strong>3</strong> Sperling RA et al.: Alzheimers Dement 2011; 7: 280-92 <strong>4</strong> Geda YE et al.: Arch Neurol 2006; 63: 435-40 <strong>5</strong> Steenland K et al.: J Alzheimers Dis 2012; 31: 265-75 <strong>6</strong> Geda YE et al.: Am J Psychiatry 2014; 171: 572-81 <strong>7</strong> Donovan NJ et al.: Am J Geriatr Psychiatry 2014; 22: 1642-51 <strong>8</strong> Peters ME, Lyketsos CG: Am J Geriatr Psychiatry 2015; 23: 115-8</p>
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