Stellenwert der nuklearmedizinischen Bildgebung zur Überwachung des Therapieverlaufs bei kardialer Amyloidose
Autor: Dr. René Rettl, PhD
Klinische Abteilung für Kardiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Medizinische Universität Wien
E-Mail: rene.rettl@meduniwien.ac.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Nuklearmedizinische Bildgebungsverfahren mit Amyloid-affinen Tracern haben sich als nichtinvasiver Goldstandard für die Diagnostik der Transthyretin-Amyloid-Kardiomyopathie (ATTR-CM) etabliert und gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Überwachung des Krankheits- und Therapieverlaufs. Der folgende Artikel beleuchtet den Stellenwert sowie neue Aspekte der nuklearmedizinischen Diagnostik mittels künstlicher Intelligenz bei der ATTR-CM.
Keypoints
-
Die kardiale Transthyretin-Amyloidose ist eine infiltrative Kardiomyopathie, die durch progrediente Ablagerungen von Transthyretin-assoziierten Amyloidfibrillen im Myokard verursacht wird und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist.
-
Nuklearmedizinische Bildgebungsverfahren haben sich als nichtinvasiver Goldstandard für die Diagnostik der ATTR-CM etabliert und rücken zunehmend auch zur Überwachung des Erkrankungs- und Therapieverlaufs in den Fokus.
-
Die SPECT/CT-Bildgebung mit KI-gestützter Segmentierung der kardialen Strukturen ermöglicht eine umfassende Quantifizierung der Amyloidablagerungen im Herzen.
-
Die serielle SPECT/CT-Bildgebung hat das Potenzial, den Krankheits- und Therapieverlauf bei ATTR-CM-Patient:innen zu überwachen.
Pathophysiologie und Symptomatik
Die ATTR-CM ist eine infiltrative Kardiomyopathie, deren Pathogenese von Transthyretin (TTR), einem hepatisch synthetisierten Transportprotein für Vitamin A und Schilddrüsenhormone, dominiert wird. Dabei führt die pathologische Destabilisierung des tetrameren TTR zur Dissoziation in seine Monomere, die durch abnorme Faltungsprozesse Amyloidfibrillen bilden, welche sich in weiterer Folge im Myokard ablagern.1 Die Infiltration des Herzmuskels resultiert in einer progressiven biventrikulären Hypertrophie, die mit einer erhöhten Myokardsteifigkeit mit begleitender diastolischer und systolischer Funktionseinschränkung einhergeht, was wiederum zu Symptomen einer globalen Herzinsuffizienz führt und unbehandelt häufig mit einer schlechten Prognose assoziiert ist.2
Diagnostik und Limitationen
Während die ATTR-CM einst als seltene Erkrankung angesehen wurde, haben zunehmende Awareness sowie Fortschritte bei diagnostischen Methoden und Algorithmen in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass heutzutage immer mehr Betroffene diagnostiziert werden.3 Dabei nehmen vor allem bildgebende Verfahren wie die Echokardiografie einen hohen Stellenwert ein, die anhand sogenannter „red flags“ wertvolle Hinweise auf das Vorliegen einer kardialen Amyloidose geben können. Diese umfassen eine biventrikuläre Verdickung, insbesondere im Bereich des Septums, dilatierte Vorhöfe mit hypertrophiertem interatrialem Septum, Perikard- und/oder Pleuraergüsse (Abb. 1a) sowie das charakteristische Muster einer basal reduzierten und apikal erhaltenen longitudinalen Funktion der linksventrikulären Wandabschnitte in der Strain-Analyse („apical sparing“, Abb. 1b).4 Darüber hinaus erlaubt die kardiale Magnetresonanztomografie (MRT), mittels kontrastmittelgestützter „Late-Enhancement“-Aufnahmen und T1-Mapping-Sequenzen myokardiale Amyloidablagerungen in der extrazellulären Matrix zu erfassen (Abb. 1c und 1d), wodurch eine zuverlässige differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen hypertrophen Erkrankungsformen möglich ist.5
Abb. 1: Bildgebende Verfahren zur Diagnostik einer Transthyretin-Amyloid-Kardiomyopathie (ATTR-CM) (Quelle: eigene Anfertigung)
Eine diagnostische Schlüsselrolle wird jedoch nuklearmedizinischen Verfahren wie der planaren Ganzkörper-Knochenszintigrafie mit radioaktiv markierten Amyloid-affinen Tracern (wie z.B. 99mTc-DPD) zugeschrieben (Abb. 1e).6 Diese ermöglicht die Visualisierung myokardialer Amyloidablagerungen und hat sich als nichtinvasiver Goldstandard mit hoher Sensitivität und Spezifität für die Diagnose der ATTR-CM etabliert, indem die Amyloid-bedingte Tracer-Anreicherung semiquantitativ mittels des visuellen Perugini-Scores beurteilt wird.7 Hierbei gilt es jedoch anzumerken, dass die planare Bildgebung einigen Limitationen unterliegt. Dazu gehören zum einen falsch-positive Befunde aufgrund von „Radiotracer-Blutpooling“, die fälschlicherweise als Anreicherung im Myokard interpretiert werden, und zum anderen sind planare bildgebende Verfahren nicht in der Lage, den progredienten Krankheitsverlauf zu quantifizieren oder Amyloid-spezifische Therapien zu monitieren.8 Diese potenziellen Limitationen können durch quantitative Verfahren wie die SPECT/CT-Bildgebung (Single Photon Emission Computed Tomography/Computed Tomography) verringert werden (Abb. 1f).9 Anhand quantitativer Bildgebungsbiomarker, welche die Konzentrationen des radioaktiven Tracers im Gewebe widerspiegeln, kann eine umfassende Quantifizierung myokardialer Amyloidablagerungen erfolgen. Bei serieller Anwendung bietet dies zudem das Potenzial, den Krankheits- und Therapieverlauf zu überwachen.10,11
KI-gestützte Quantifizierung myokardialer Amyloidablagerungen zur Therapieverlaufsüberwachung
Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere segmentierungsbasierter Verfahren, bietet einen vielversprechenden Ansatz zur hochpräzisen Extraktion quantitativer Bildgebungsbiomarker. Zugleich lässt sich dadurch die Interrater-Variabilität verringern und der erhebliche Zeitaufwand für den sonst arbeitsintensiven Segmentierungsprozess deutlich reduzieren.
Im Rahmen einer explorativen bildgebenden Studie der Klinischen Abteilung für Kardiologie in Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien wurde der Einfluss amyloidspezifischer Therapien auf SPECT/CT-basierte Marker untersucht (Abb. 2), die myokardiale Amyloidablagerungen widerspiegeln. Die KI-gestützte Segmentierung der kardialen Strukturen ermöglicht eine umfassende Quantifizierung der Amyloidablagerungen im Myokard und können als potenzielle nichtinvasive bildgebende Biomarker zur Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit bei Patient:innen mit ATTR-CM dienen (Abb. 3).
Die Studienkohorte umfasste 45 Patient:innen mit ATTR-CM, die eine amyloidspezifische Therapie, wie TTR-Stabilisatoren (Tafamidis) oder TTR-Silencer (Patisiran, Inotersen), erhielten und sich sowohl vor Therapiebeginn als auch nach neun Monaten im Rahmen eines Follow-ups einer SPECT/CT-Bildgebung unterzogen. Die KI-gestützte Segmentierung der kardialen Strukturen erfolgte mithilfe eines Deep-Learning-Modells, das die automatisierte Extraktion von 23 quantitativen Markern ermöglichte, darunter Intensitäts- und Volumenmarker des Tracer-Uptakes sowie der Retentionsindex über verschiedene kardiale Substrukturen. Darüber hinaus wurden funktionelle Parameter – einschließlich klinischer und laborchemischer Variablen – sowie klinische Endpunkte hinsichtlich ihrer Assoziation mit Veränderungen der SPECT/CT-Marker vor und nach der Behandlung untersucht.
Abb. 2: ATTR-CM Patient mit Segmentierungsmasken für myokardbasierte Marker: (a) SPECT/CT Aufnahme, (b) CT-Aufnahme mit Basis-Segmentierungen, (c) Segmentierung zur Extraktion klassischer SUV-Parameter wobei SUVpeak in Hellblau und SUVmax in Dunkelblau dargestellt ist, (d) Segmentierung des Amyloid-assoziierten Volumens und (e) Segmentierungen für den Retentionsindex. (Quelle: eigene Anfertigung)
Im Therapieverlauf zeigten sich signifikante Reduktionen bei 14 von 16 (88%) SPECT/CT-Markern, insbesondere eine deutliche Abnahme der Tracer-Aufnahme im linken Ventrikel und Myokard. Diese Veränderungen korrespondierten mit Verbesserungen funktioneller Parameter. So war ein reduzierter NT-proBNP-Wert mit einer geringeren Tracer-Aufnahme assoziiert, insbesondere in Bezug auf den SUVpeak-Wert des Myokards und den SUVmax-Wert des Myokards, des rechten und des linken Ventrikels. Darüber hinaus ging eine Reduktion des Retentionsindex mit einer Verbesserung der „New York Heart Association (NYHA)“-Klasse einher. Angaben zu herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen (HFH) lagen für 30 von 45 (67%) Patient:innen vor, von denen 9/30 (30%) ein Ereignis nach einem medianen Follow-up von 34,9 Monaten aufwiesen.
Die Studie unterstreicht den Nutzen der KI-gestützten SPECT/CT-Bildgebung zur Erfassung therapieinduzierter Veränderungen der kardialen Amyloidlast bei Patient:innen mit ATTR-CM. Die automatisierte Markerextraktion durch KI reduziert die Variabilität zwischen Auswerter:innen, erhöht die Effizienz und verbessert die Reproduzierbarkeit. Die Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial von SPECT/CT-Markern als sensitive, nichtinvasive Bildgebungsbiomarker zur frühen Beurteilung des Therapieansprechens und bieten damit eine Alternative zur kardialen Magnetresonanztomografie bei ATTR-CM-Patient:innen mit implantiertem Schrittmacher oder Defibrillator. Diese Erkenntnisse ebnen den Weg für personalisierte Behandlungsstrategien und eine breitere klinische Anwendung von KI in der Nuklearmedizin.
Zusammenfassung
Bei der ATTR-CM handelt es sich um eine zunehmend häufig diagnostizierte, infiltrative Kardiomyopathie, die durch progrediente Ablagerungen von Amyloidfibrillen im Myokard gekennzeichnet ist und unbehandelt häufig mit einer schlechten Prognose einhergeht. In den letzten Jahren hat sich die ATTR-CM durch gestiegene Awareness sowie erhebliche Fortschritte in Diagnostik und Therapie von einer unheilbaren zu einer behandelbaren Erkrankung gewandelt. Dabei hat die Quantifizierung der myokardialen Amyloidlast mittels nuklearmedizinischer Marker – insbesondere durch KI-gestützte, segmentierungsbasierte Methoden – zur Überwachung des Krankheits- und Therapieverlaufs an Bedeutung gewonnen.
Literatur:
1 Gertz MA et al.: Diagnosis, prognosis, and therapy of transthyretin amyloidosis. J Am Coll Cardiol 2015; 66(21): 2451-66 2 González-López E et al.: Clinical characteristics of wild-type transthyretin cardiac amyloidosis: Disproving myths. Eur Heart J 2017; 38(24): 1895-904 3 Garcia-Pavia P et al.: Diagnosis and treatment of cardiac amyloidosis: a position statement of the ESC Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J 2021; 42(16): 1554-68 4 Binder C et al.: Mechanisms of heart failure in transthyretin vs. light chain amyloidosis. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2019; 20(5): 512-24 5 Duca F et al.: Cardiac magnetic resonance T 1 mapping in cardiac amyloidosis. JACC Cardiovasc Imaging 2018; 11(12): 1924-6 6 Gillmore JD et al.: Nonbiopsy diagnosis of cardiac transthyretin amyloidosis. Circulation 2016; 133(24): 2404-12 7 Perugini E et al.: Noninvasive etiologic diagnosis of cardiac amyloidosis using 99mTc-3,3-diphosphono-1,2-propanodicarboxylic acid scintigraphy. J Am Coll Cardiol 2005; 46(6): 1076-84 8Dorbala S et al.: ASNC/AHA/ASE/EANM/HFSA/ISA/SCMR/SNMMI Expert Consensus Recommendations for Multimodality Imaging in Cardiac Amyloidosis: Part 1 of 2-evidence base and standardized methods of imaging. Circ Cardiovasc Imaging 2021; 14(7): e000029 9 Scully PR et al.: DPD quantification in cardiac amyloidosis: a novel imaging biomarker. JACC Cardiovasc Imaging 2020; 13(6): 1353-63 10 Rettl R et al.: Monitoring tafamidis treatment with quantitative SPECT/CT in transthyretin amyloid cardiomyopathy. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2023; 24(8): 1019-30 11 Rettl R et al.: Reduction in 99mTc-DPD myocardial uptake with therapy of ATTR cardiomyopathy. Amyloid 2024; 31(1): 42-51 12 Rettl R et al.: DPD quantification correlates with extracellular volume and disease severity in wild-type transthyretin cardiac amyloidosis. JACC Adv 2024; 3(10): 101261
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
Der diagnostische Ansatz bei pulmonaler Hypertonie
Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine Erkrankung, die oft erst spät erkannt wird: Unspezifische Symptome verschleiern, dass ein erhöhter Druck in der Lungenarterie bereits seit Jahren ...