
Frühzeitig daran denken und gezielt handeln
Bericht:
Dr. Alexander Kretzschmar
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Mit der Verfügbarkeit hochpotenter krankheitsmodifizierender Therapien (DMT) gewinnt der Einsatz effektiver Impfstrategien als Teil des therapeutischen Managements der Multiplen Sklerose (MS) an Bedeutung. Der erste gemeinsame Konsensus von ECTRIMS und EAN zur Impfung von MS-Patient:innen trägt dieser Entwicklung Rechnung.1 Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei spezifische vulnerable Populationen und Therapiesituationen.
Pädiatrische MS
Das Auftreten der pädiatrischen MS vor dem 10. Lebensjahr ist mit einer Inzidenz von 0,09/100000 sehr selten und steigt in der Adoleszenz auf 2,64/100000.2 Aufgrund der geringen Zahl gemeldeter Fälle insbesondere im präpubertären Alter ist die Datenlage zum Management infektiöser Erkrankungen sehr schlecht, stellte eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe bereits auf einem ECTRIMS-Workshop 2021 fest.3 Daten zur Sicherheit und Effektivität von Vakzinen bei dieser Altersgruppe fehlen bislang. Dies wiegt umso schwerer, als pädiatrische MS-Patient:innen stärker anfällig für Infektionen sind, die sich durch Impfungen vermeiden ließen.1 Auch ist der Einfluss einer vorangegangenen DMT auf das Infektionsrisiko unter einer nachfolgenden Immuntherapie nicht ausreichend erforscht.3 Grundsätzlich sollten Impfungen aber die gleiche Aufmerksamkeit wie bei erwachsenen MS-Patient:innen erhalten, so die ECTRIMS/EAN-Konsensusgruppe. Sie empfiehlt, alle für diese Altersgruppe verfügbaren Impfstoffe gemäß den nationalen Regelwerken einzusetzen.1
Schwangerschaft und Impfungen
Da sich die MS bei der Hälfte der Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr manifestiert, wird die Wahl der Immuntherapie maßgeblich durch eine Schwangerschaft bzw. einen Kinderwunsch geprägt. Eine Schwangerschaft ist ein wichtiger Grund für einen Therapiewechsel – bei über 20% der Frauen mit MS im Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30.4 Schwangere sind wegen ihres erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos aufgrund von Infektionen eine bevorzugte Zielgruppe. Bei MS-Patient:innen im gebärfähigen Alter sollte daher routinemäßig der Impfstatus erhoben werden, um gefährliche Impflücken vor einer möglichen Schwangerschaft zu schließen.1
Während der Schwangerschaft sind nur inaktivierte Vakzine angezeigt, attenuierte Lebendvakzine sind kontraindiziert. Für Schwangere werden insbesondere Impfungen gegen Influenza in allen Trimestern sowie gegen Diphtherie und Pertussis jeweils zwischen der 20. und 36. Schwangerschaftswoche (2. und 3. Trimester) empfohlen. Weitere Impfungen richten sich nach individuellen Risikofaktoren und der Gefährdungslage. Schwangere ohne Antikörper gegen Röteln oder Varicella zoster sollten post partum 4–6 Wochen vor Wiederbeginn der DMT geimpft werden.1
Nach der Geburt sollten ausstehende Impfungen mit attenuierten Lebendvakzinen 4–6 Wochen vor Wiederbeginn der DMT durchgeführt werden – unabhängig davon, ob die Neugeborenen Muttermilch erhalten oder nicht (Ausnahme: Gelbfieber). Bei Neugeborenen, die während der Schwangerschaft Anti-CD20-Therapien exponiert waren, sollte die Zahl der CD19-positiven B-Zellen gemessen werden. Mit der Impfung mit attenuierten Lebendvakzinen sollte in diesen Fällen gewartet werden, bis die B-Zell-Zahl wieder den Normbereich erreicht hat. Grundsätzlich sollten mögliche Impfungen sowie die Zeit bis zum Erreichen eines ausreichenden Immunstatus ein integraler Teil der Therapieplanung in der Post-partum-Periode sein.1
Impfungen bei älteren MS-Patient:innen
Der Anteil älterer MS-Patient:innen nimmt analog zur Gesamtbevölkerung kontinuierlich zu. Rund die Hälfte aller Patient:innen mit MS in den USA ist bereits ≥55 Jahre alt, berichtete Prof. Bianca Weinstock-Guttman, Los Angeles, auf dem ACTRIMS-ECTRIMS 2023 in Mailand.5 Mit steigendem Lebensalter altert auch das Immunsystem. Diese Immunseneszenz ist mit einer steigenden Anfälligkeit für Infektionen und einer schwächeren Immunantwort bei Impfungen assoziiert.3 Bislang gibt es jedoch keine ausreichenden Daten zur Sicherheit und Effektivität für Evidenz-basierte Empfehlungen zum Einsatz von Vakzinen bei dieser Altersgruppe, beklagen die Konsensusautoren. Abgeleitet von den Erfahrungen bei älteren Individuen ohne MS sollten aber MS-Patient:innen ebenfalls eine jedes Jahr erneuerte Influenzaimpfung sowie eine Impfung gegen Pneumokokken und Herpes zoster erhalten, so das Votum.1
Impfprävention vor Fernreisen
MS-Patient:innen, die eine Fernreise planen, sollten idealerweise mindestens 2–3 Monate vor Reisebeginn ihre Neurologin/ihren Neurologen und/oder ihre:n Reisemediziner:in aufsuchen, um die notwendigen Impfungen ohne Zeitdruck durchführen zu können. Das gilt insbesondere bei Impfungen gegen z.B. Hepatitis A und B, Tollwut, Tetanus und/oder Polio. Dort sollte die Impfantwort überprüft und bei ungenügendem Titer ausreichend Zeit für eine Booster-Impfung bleiben.1
Patient:innen mit/ohne immunsuppressive Therapie können bei hohem Infektionsrisiko spezifische Reiseimpfungen gegen Hepatitis A und B, Tollwut, Japanische Enzephalitis, Meningokokken, Cholera, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Polio und Typhus erhalten. Dagegen sind unter immunsuppressiver Therapie inaktivierte Lebendvakzine wie z.B. gegen Gelbfieber, Typhus, Dengue, Varicella zoster und/oder Masern/Mumps/Röteln (MMR) kontraindiziert. Alternativ kann nach einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung eine Unterbrechung der DMT erwogen werden, um damit eine Impfung mit inaktivierten Lebendvakzinen zu ermöglichen.1
Literatur:
1 Otero-Romero S et al.: ECTRIMS/EAN consensus on vaccination in people with multiple sclerosis: improving immunization strategies in the era of highly active immunotherapeutic drugs. Mult Scler 2023; 29(8): 904-25 2 Reinhardt K et al.: Multiple sclerosis in children and adolescents: incidence and clinical picture – new insights from the nationwide German surveillance (2009-2011). Eur J Neurol 2014; 21(4): 654-9 3 Tur C et al.: The risk of infections for multiple sclerosis and neuromyelitis optica spectrum disorder disease-modifying treatments: Eighth European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis Focused Workshop Review. April 2021. Mult Scler 2022; 28(9): 1424-56 4 DMSG: Schwangerschaft, Kinderwunsch und Therapie der Multiplen Sklerose. https://www.dmsg.de/news/detailansicht/schwangerschaft-kinderwunsch-und-therapie-der-multiplen-sklerose . Letzter Zugriff am 27.2.2024 5 Weinstock-Guttman B: Late-onset MS, clinical and imaging features. ACTRIMS-ECTRIMS; Oral Session O014
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