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24th International AIDS Conference

Konferenz unter dem Motto „Re-engage and follow the science“

Von 29. Juli bis 2. August 2022 fand die 24. Internationale AIDS Conference statt – der weltweit größte Kongress rund um HIV/Aids. Der Kongress (kurz AIDS2022 genannt) wurde zwar als Hybridveranstaltung durchgeführt, von den knapp 13000 Teilnehmern aus 161 Ländern waren allerdings mit über 9500 Personen die meisten vor Ort in Montreal.

Kongress mit aktivistischer Stimmung

Das Kongressmotto „Re-engange and follow the science“ fasste bereits die aktuelle globale Lage zusammen, wie auch die Präsidentin der Internationalen AIDS Society, Prof. Dr. Adeeba Kamarulzaman, University of Malaya, Malaysia, in der Eröffnung betonte: „Wir haben unglaubliche Fortschritte in Prävention, Therapie und Heilung erreicht. Doch es muss klar gesagt werden, dass wir in den letzten zwei Jahren im Zuge der Corona-Pandemie vom Weg abgekommen sind. Wir müssen dringend Ressourcen bereitstellen, Forschungslücken schließen und Stigmata beseitigen. Wir müssen uns also wieder neu engagieren, Wissenschaft, Politik und Communities zusammenbringen und gemeinsam dem wissenschaftlichen Fortschritt folgen.“

Derartige Forderungen sind für diese Konferenz üblich und machen ihr einzigartiges Flair aus. Denn neben unzähligen Beiträgen aus Wissenschaft und Medizin liegt der Schwerpunkt auf dem weltweiten Aktivismus – es präsentieren sich Organisationen, Projekte, Kampagnen und vor allem unterschiedlichste Communities. Keine andere Konferenz repräsentiert so sichtbar die vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Lebenswelten, die sich gemeinsam gegen HIV einsetzen.

Neuer Fall einer HIV-Remission

Nach dem dritten Fall einer HIV-Remission, der auf der CROI 2022 präsentiert wurde, folgte auf der AIDS2022 ein weiterer und damit der vierte Fall. Es handelt sich um einen 66-jährigen kaukasischen Mann aus Kalifornien, dessen HIV-Infektion bei einem Nadir von <100 CD4-Zellen/µL bereits 1988 diagnostiziert wurde. Der Patient einwickelte 2018 eine AML (akute myeloische Leukämie), welche 2019 mit einer Stammzelltransplantation von einem Spender mit homozygoter CCR5delta32-Deletion behandelt wurde. Die HIV-Therapie wurde zwei Jahre nach der Transplantation abgesetzt. Seit mittlerweile 17 Monaten nimmt der Patient keine ART ein und es kam bislang zu keinem viralen Rebound.1

Sicherheit einer HIV-PrEP während Schwangerschaft weiter bestätigt

Nur wenige Studien befassen sich mit dem potenziellen Einfluss einer mütterlichen Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in der Schwangerschaft auf die Kinder. Zudem endet oft die Nachbeobachtungszeit innerhalb eines Jahres nach Geburt des Kindes.

Bei dieser auf der Konferenz vorgestellten Studie wurden Daten aus 20 kenianischen Mutter-Kind-Kliniken und von 664 Mutter-Kind-Paaren ausgewertet.2 119 Mütter nahmen eine PrEP während der Schwangerschaft ein. 13% der Frauen hatten einen HIV-positiven Partner und insgesamt 54% aller PrEP-Anwenderinnen nahmen auch in den neun Monaten nach Geburt eine PrEP ein. Sowohl 24, 30 als auch 36 Monate nach der Geburt wurden keine Unterschiede in Gewicht und Größe der Kinder von PrEP- und Nicht-PrEP-Anwenderinnen beobachtet. Auch bei Kindern mit Untergewicht oder anderen Fehlentwicklungen wurde keine Assoziation mit der pränatalen PrEP-Exposition registriert. Zusätzlich wurde mit dem ASQ-Score (Ages & Stages Questionnaire) die neurologische und soziale Entwicklung der Kinder im Alter von drei Jahren bewertet. Auch hier zeigte sich kein Unterschied zwischen den Kindern von PrEP- und Nicht-PrEP-Anwenderinnen. Die Autoren kommentierten die Daten dahin gehend, dass sie beruhigend seien, da sie das Sicherheitsprofil einer PrEP-Anwendung während der Schwangerschaft weiter vervollständigten.

Sinkende HCV-Inzidenz auch bei HIV-PrEP

Seit Einführung der HIV-Präexpositionsprophylaxe werden immer wieder Bedenken diskutiert, dass die Verwendung von PrEP die Transmission anderer Infektionen begünstigen könnte, so auch Hepatitis C.

In einem Abstract auf der AIDS2022 wurde die Analyse der HCV-Inzidenz bei homo- und bisexuellen Männern, die eine PrEP anwendeten, vorgestellt.3 Eingeschlossen wurden knapp 18400 Personen aus 17 Studien, die zwischen 2015 und 2021 publiziert wurden und insgesamt 145 registrierte HCV-Infektionen auswiesen. Die Studien, deren Beobachtungszeitraum vor dem breiten Zugang zu DAA („direct acting agents“) zur HCV-Therapie begann, ergaben eine gepoolte HCV-Inzidenz von 1,27/100py („person-years“). Bei den Studien, die nach dem Einsatz der DAA begannen, lag sie bei 0,3/100py. Die Autoren ziehen den Schluss, dass der breite Einsatz der HCV-DAA und damit die sinkende HCV-Inzidenz auch zu einer deutlichen Verringerung der Inzidenz in den sexuellen Netzwerken der PrEP-User führten.

Tab. 1: Charakterisika der Affenpockenpatienten, n=528 (modifiziert nach Thornhill JP et al. 2022)5

Tab. 2: Klinische Erscheinung der Affenpocken, n= 528 (modifiziert nach Thornhill JP et al. 2022)5

Affenpocken: vergleichbare Ausbrüche und ein Impfprogramm

Affenpocken („monkey pox“; MPX) waren ebenfalls Thema. Laut Weltgesundheitsorganisation, WHO, wurden (Stand Anfang August) 99% aller aktuellen MPX-Fälle bei Männern, die Sex mit Männern haben, registriert.

Prof. Dr. Dimie Ogoina, Niger Delta University, Nigeria, berichtete auf einem Symposium, dass bereits 2017 eine epidemiologische Verschiebung von MPX-Fällen in Westafrika beobachtet wurde. Bisher traten MPX ausschließlich in Regenwaldgebieten und zu 89% in Dörfern mit weniger als 1000 Einwohnern auf. Zu 80% waren Kinder betroffen, der Hauptübertragungsweg wurde mit 70% auf Kontakt zu Wildtieren zurückgeführt. Ab demAuftreten der ersten Fälle 2017 wurden bis 2022 jedoch 327 MPX-Fälle mit anderer epidemiologischer Dynamik bestätigt: Die meisten Fälle traten in urbanen Regionen und bei Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Es wurden HIV-Koinfektionen und als Symptomatik u.a. Läsionen im Anogenitalbereich registriert.4

Prof. Dr. Chloe Orkin, Queen Mary University of London, berichtete für die SHARE-Net Clinical Group von einer internationalen Studie mit über 520 MPX-Fällen.5 Davon waren 98% homo- oder bisexuelle Männer und das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren (Tab. 1). Eine Symptomatik mit Läsionen im Anogenitalbereich wurde bei 73% beschrieben, bei 41% lag eine HIV-Koinfektion vor (Tab. 2). Die Studie zeigt, dass bei den HIV-positiven Personen keine anderen Symptome als bei HIV-negativen Personen beobachtet wurden. Festzuhalten ist jedoch, dass fast alle unter effektiver HIV-Therapie standen, die durchschnittliche CD4-Zellzahl lag bei 680/µl.

Auch in der Closing Session fand das Thema MPX Raum. Es wurde nochmals eine ganz besondere Aktion hervorgehoben: Kongressteilnehmer hatten sich im Rahmen von Montreals kostenfreiem MPX-Impfprogramm für bestimmte Zielgruppen selber impfen lassen können. In Anbetracht der schwierigen Verfügbarkeit von Impfstoffen in vielen Ländern zu dem Zeitpunkt ein fantastisches Angebot. Und es spiegelt die Stimmung dieser einzigartigen Konferenz wider: Re-engange and follow the science.

1 Dickter J: The „City of Hope“ patient: prolonged HIV-1 remission without antiretrovirals (ART) after allogeneic hematopoietic stem cell transplantation (aHCT) of CCR5-Δ32/Δ32 donor cells for acute myelogenous leukemia (AML). AIDS2022 2 Gomez L: Association of prenatal PrEP exposure with neurodevelopmental and growth outcomes beyond 24 months among Kenyan children. AIDS2022 3 Traeger M et al.: Pooled estimates of hepatitis C incidence among gay and bisexual men using PrEP by country-level availability of hepatitis C DAA treatment: a systematic review and meta-analysis. AIDS2022; Abstract #PESAC13 4 Ogoina D: Monkeypox: Outbreak and response in non-endemic countries. AIDS2022 5 Thornhill JP et al. for the SHARE-net Clinical Group: Monkeypox virus infection in humans across 16 countries — April–June 2022. N Engl J Med 2022; doi: 10.1056/NEJMoa2207323

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