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Die infektiöse Endokarditis: neuer Konsensus
Jatros
30
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29.09.2016
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<p class="article-intro">Das neueste Konsensus-Statement der ÖGIT greift das heiße Eisen der infektiösen Endokarditis auf – eine langwierige und schwer zu behandelnde Erkrankung. Zunächst ist es wichtig, auf korrekte Weise einen Erregernachweis zu versuchen, wobei die Blutkultur nach wie vor im Mittelpunkt steht. Die Echokardiografie liefert eine Reihe wichtiger Informationen. Die Therapie sollte sofort mit einem bakteriziden parenteralen Antibiotikum beginnen.</p>
<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1603_Weblinks_seite14.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Behandlung der IE sollte durch ein multiprofessionelles Team erfolgen.</li> <li>Die wichtigste bildgebende Methode ist die Echokardio­grafie.</li> <li>Der vorliegende Konsensus gibt klare Leitlinien für die ­initiale und erregerspezifische antimikrobielle Behandlung sowie für die Indikationen zur chirurgischen Therapie vor.</li> </ul> </div> <p>Die ÖGIT befasst sich in ihrem neuesten Konsensus mit einem komplexen Thema: der infektiösen Endokarditis (IE). In ihren aktuellen Leitlinien hat die europäische kardiologische Gesellschaft (ESC) dieser Komplexität durch die Forderung Rechnung getragen, eine IE sei multidisziplinär durch ein „Endokarditis-Team“ zu behandeln. Diesem Team sollten Kardiologen, Herzchirurgen, Mikrobiologen und klinische Infektiologen sowie nach Bedarf auch Spezialisten anderer Fächer angehören.</p> <h2>Keimspektrum</h2> <p>Die häufigsten IE-Erreger sind grampositive Bakterien, die mehr als 80 % aller bekannten Erreger ausmachen. Führend sind Staphylokokken, vor allem <em>S. aureus</em>, aber auch koagulasenegative Staphylokokken (KNS); Letztere treten häufig bei Patienten mit Klappenersatz auf. Ebenfalls häufig sind Streptokokken, vor allem die artenreiche Gruppe der vergrünenden Streptokokken. Ob Staphylokokken oder Streptokokken häufiger eine IE verursachen, ist von Land zu Land verschieden.<br /> <br /> Seltener kommen Enterokokken (<em>E. fae­calis</em> und <em>E. faecium</em>) oder gramnegative Erreger wie Enterobakterien oder Nonfermenter vor. Erreger der HACEK-Gruppe sowie Pilze können ebenfalls eine IE verursachen.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Für das Stellen der Diagnose IE sollen laut ESC die modifizierten Duke-Kriterien verwendet werden.<br /> Die mikrobiologische Diagnostik beruht vor allem auf der Abnahme von Blutkulturen (BK). Die BK-Abnahme (immer eine aerobe und eine anaerobe Flasche) muss vor Beginn der antimikrobiellen Therapie erfolgen. Ob für das Abnehmen mehrerer BK getrennte Punktionen und zeitliche Abstände erforderlich sind, ist wissenschaftlich umstritten.<br /> <br /> Das abgenommene Blutvolumen ist ein wichtiger Faktor für die Sensitivität der BK-Diagnostik. Der Transport ins Labor sollte raschestmöglich erfolgen.<br /> <br /> Multiplex-PCR-Systeme haben den Vorteil, dass sie rasch ein Ergebnis liefern, können jedoch nicht zwischen lebenden und toten Erregern unterscheiden, da sie auf die DNA des Erregers (die auch frei vorliegen kann) reagieren. Zudem beschränken sich die diagnostischen Möglichkeiten auf die im Primer-Set abgedeckten Erreger.<br /> <br /> Eine negative BK bedeutet keinen Ausschluss einer Infektion – es kann sich auch um einen Erreger handeln, der auf normalen Nährböden nicht wächst oder gar nicht kultivierbar ist. Falls die BK nach Beginn der antimikrobiellen Therapie abgenommen wurde, ist ein Erregernachweis ebenfalls oft nicht mehr möglich.<br /> <br /> Unter den bildgebenden Verfahren spielt die Echokardiografie eine zentrale Rolle. Ihre Qualität ist allerdings von der Erfahrung des Untersuchers abhängig. Aber auch andere Methoden wie Multi­slice-CT, MRT und PET-CT gewinnen zunehmend an Bedeutung.</p> <h2>Konservative Therapie</h2> <p>Für die antimikrobielle Behandlung der IE gilt allgemein, dass keine bakteriostatischen, sondern bakterizide Antibiotika verwendet werden sollten. Weiters ist initial immer parenteral zu behandeln.<br /> <br /> Aufgrund der Anamnese sowie der lokalen Epidemiologie sollte das Risiko für das Vorliegen eines MRSA (Methicillin-resistenter <em>S. aureus</em>) oder VRE (Vancomycin-resistenter Enterococcus) abschätzbar sein. Ein Erregernachweis sollte unbedingt angestrebt werden.<br /> <br /> Handelt es sich um einen MSSA (Methicillin-empfindlicher <em>S. aureus</em>), so ist ein Betalaktam indiziert – erste Wahl ist Flucloxacillin, Alternativen stellen Cef­azolin oder auch Daptomycin dar. Ist eine Kombinationstherapie erforderlich, so kommen Daptomycin oder Fosfomycin als Kombinationspartner infrage, während ein Aminoglykosid in diesem Fall nicht empfohlen wird. Letzteres entspricht auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, die ihrerseits auf den ESC-Guidelines 2015 beruhen.<sup>1, 2</sup><br /> <br /> Bei Vorliegen eines MRSA ist Daptomycin in Kombination mit Rifampicin erste Wahl. Alternativen mit zugelassener Indikation sind Vancomycin, Teicoplanin oder Linezolid. Darüber hinaus gibt es Alternativen, denen jedoch die entsprechende Zulassung fehlt. Auch hier sollte kein Aminoglykosid verwendet werden.</p> <h2>KNS werden genauso wie MRSA therapiert.</h2> <p>Bei Streptokokken ist ebenfalls ein Betalaktam (erste Wahl hier: Penicillin G) indiziert, Alternative ist Ceftriaxon, und auch hier sollte auf ein Aminoglykosid als Kombinationspartner verzichtet werden.<br /> Auch Enterokokken (vor allem <em>E. faecalis</em>, da <em>E. faecium</em> in jedem Fall individuell nach Antibiogramm behandelt werden muss) sollten primär mit einem Betalaktam therapiert werden, z.B. mit Ampicillin plus Ceftriaxon. In diesem Fall ist eine Kombination mit einem Aminoglykosid möglich, obwohl dazu die Studienlage dürftig ist. Einen Überblick über die erregerspezifische Therapie gibt Tabelle 1</p> <p>. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1603_Weblinks_seite12.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Chirurgische Therapie</h2> <p>Zu den Indikationen für ein chirurgisches Vorgehen gehören unter anderem eine nicht kontrollierte Infektion, eine Herzinsuffizienz oder die Gefahr von arteriellen Embolien. Aber auch die IE durch bestimmte Erreger, wie etwa Pilze oder multiresistente Bakterienstämme, kann eine Operationsindikation darstellen.<br /> <br /> Das Konsensus-Statement enthält noch weitere Kapitel, die hier nicht abgebildet sind, wie z.B. eine umfassende Darstellung der aktuellen Datenlage zur IE, einschließlich der Endokarditisdaten der Österreichischen Gesellschaft für Thorax- und Herzchirurgie.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Frantz S et al: Commentary on the 2015 European Society of Cardiology guidelines for infectious endocarditis. Der Kardiologe 2016; 10(3): 142-8. doi: 10.1007/s12181-016-0058-4 <strong>2</strong> Frantz S et al: Pocket-Leitlinie: Infektiöse Endokarditis (Kurzfassung und Bearbeitung durch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie). URL: <a href="http://leitlinien.dgk.org/files/2016_PLL_Infektioese_Endo.pdf" target="_blank">http://leitlinien.dgk.org/files/2016_PLL_Infektioese_Endo.pdf</a>. Letzter Zugriff: 5. 9.2016</p>
</div>
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