
Neuigkeiten aus der Hepatologie
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Für Lebererkrankungen gibt es relativ wenig Awareness, obwohl einige von ihnen durchaus Schlagzeilen machen – etwa die immer noch ungeklärten Hepatitisfälle bei Kindern. Aber auch die nichtalkoholische Fettleber ist ein stark beforschtes Gebiet, in dem sich erstmals eine neue medikamentöse Therapie abzeichnet, wie Experten am ILC berichteten.
Der International Liver CongressTM (ILC) – das jährliche Meeting der European Association for the Study of the Liver (EASL) – fand heuer in hybridem Format statt. An der Eröffnungszeremonie in London nahmen fast 7000 Personen teil, davon knapp 5500 vor Ort und 1500 online. Mehr als 1600 Abstracts aus Ländern rund um die Welt wurden präsentiert und mehr als 450 Vortragende aus mehr als 45 Ländern brachten die Zuhörer auf den neuesten Stand. „Die Welt steht nicht still – und auch die Belastung und das Stigma durch Lebererkrankungen tun das nicht“, mahnte Prof. Dr. Philip Newsome, Generalsekretär der EASL von 2019 bis 2021, bei der Eröffnungszeremonie.
Virushepatitis
„Es könnte sein, dass wir am Anfang eines goldenen Zeitalters im Hinblick auf die Virushepatitis stehen“, erklärte Prof. Dr. Thomas Berg, der aktuelle Generalsekretär der EASL, bei einer Pressekonferenz. „Immerhin haben wir bereits die Möglichkeit, Hepatitis C zu heilen. Leider gibt es noch keine Heilung, wohl aber eine Behandlung für die Hepatitis B und D.“
Spontan auftretende Hepatitis bei Kindern
Diese hoffnungsvolle Botschaft stand ein wenig im Schatten der plötzlich auftretenden Hepatitis bei Kindern, deren Ursprung bislang noch immer nicht erklärt werden kann. „Die Zahl der Fälle einer ätiologisch noch ungeklärten Hepatitis bei Kindern und Jugendlichen beträgt in der EU bereits um die 500“, berichtete Prof. Dr. Maria Buti, Barcelona. „Ca. ein Drittel davon musste hospitalisiert werden und 10% benötigten sogar eine Lebertransplantation.“ Ob vorangegangene Infektion(en), genetische Prädisposition, Umweltfaktoren oder Kombinationen davon: Mittels mikrobiologischer Analysen, genetischer Charakterisierung und immunologischer Profiling-Technologien wird zurzeit noch immer nach der genauen Ursache dieser Erkrankung gesucht.
Hepatitis D
„Hepatitis D ist ein vielleicht zu wenig beachtetes Problem und eigentlich eine seltene, aber sehr schwer zu behandelnde Erkrankung“, erläuterte Prof. Dr. Heiner Wedemeyer, Hannover. „Und es handelt sich bei der Hepatitis D um die schwerste Form der chronischen Virushepatitis. Diese Patienten haben ein hohes Risiko sowohl für die Entwicklung einer Leberzirrhose als auch eines hepatozellulären Karzinoms. Bis vor Kurzem stand zur Behandlung nur Interferon zur Verfügung, das konnte aber nur bei 20 bis maximal 25% der Patienten eingesetzt werden, die Mehrheit konnten wir gar nicht behandeln.“
Dies hat sich nun verändert: Im August 2020 wurde Bulevirtid von der EMA bedingt zugelassen. Dabei handelt es sich um einen Entry-Inhibitor, der sowohl das Hepatitis-Beta-Virus (HBV) als auch das Hepatitis-Delta-Virus (HDV) am Eintritt in die Zelle hindert.
„Wir haben uns eigentlich über die Zulassung gewundert, weil sie nur auf Basis einer relativ kleinen Phase-II-Studie erfolgt ist“, fuhr Wedemeyer fort. „Eine Phase-III-Studie bestätigte nun, dass die Hepatitis mit Bulevirtid erfolgreich behandelt werden kann. An dieser Studie nahmen ca. 150 Patienten teil,sie wurde in Deutschland, Schweden, Russland und Italien durchgeführt. Die Studie bestätigte die Daten der Phase-II-Studie. Wir können also sagen, dass das Medikament wirklich funktioniert“, so der Experte. Die Viruslast sinkt durch Bulevirtid,die Leberenzyme normalisieren sich und das Medikament ist sicher. „Das sind gute Nachrichten“, sagte Wedemeyer. Es gibt natürlich noch offene Fragen. Eine davon ist, wie lang die Behandlung fortgesetzt werden muss (derzeit gibt es Daten über 48 Wochen). Eine andere besteht darin, ob eine Kombination von Bulevirtid mit Interferon sinnvoll ist.1
Hepatitis B
„Hepatitis B ist ein globales Problem. Letzten Schätzungen zufolge sind weltweit ca. 300 Millionen Menschen davon betroffen“, so Prof. Dr. Kosh Agarwal, London. „Fast alle 30 Sekunden stirbt irgendwo auf der Welt jemand an Hepatitis B. Das ist also eine Pandemie, die wir zwar gut medikamentös behandeln, aber noch nicht heilen können.“
In der REEF-2-Studie, einer Phase-IIb-Studie, wurde über 48 Wochen evaluiert, ob die Verabreichung zweier „small interfering RNA“ (siRNA) in Kombination mit einem Nukleos(t)idanalogon (NA) zu einer stärkeren Reduktion des HBsAg führt als das NA alleine. Zu Woche 48 wurden alle Medikamente abgesetzt. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt die HBsAg-Spiegel unter den siRNA deutlich niedriger als unter NA allein. „Sechs Monate später hatte zwar kein Patient das HBsAg verloren, aber 30% hatten keine messbare Viruslast mehr und ihre HBsAg-Spiegel waren sehr niedrig“, erklärte Agarwal.2
Akute hepatische Porphyrie
„Die akute hepatische Porphyrie, kurz AHP, ist eine seltene genetische Erkrankung“, berichtete Prof. Dr. Manish Thapar, Philadelphia, USA. „Sie erzeugt akute neuroviszerale Symptome, die auch zum Tod führen können.“
Givosiran ist eine siRNA, die gegen die überschießende Aktivität von ALAS1 (Aminolevulinatsynthase) wirkt, die die Symptome der AHP verursacht. „Wir haben eine Studie über 36 Monate durchgeführt, in der es vor allem darum ging, wie sich die Aktivität von Givosiran über drei Jahre entwickelt“, erklärte Thapar. „Wir sahen eine reduzierte jährliche Anfallsrate, und zwar sowohl bei den Patienten, die von Anfang an das Verum erhielten, als auch bei jenen, die zunächst Placebo bekamen und dann auf Givosiran umgestellt wurden. Diese Patienten hatten vorher durchschnittlich zehn Anfälle pro Jahr, nach Umstellung weniger als einen. Die Medikation wurde ziemlich gut vertragen.“3
HCV-positive Organe zur Transplantation
„Wir haben in den USA relativ viele HCV-positive Organspender“, so Prof. Dr. Bashar Aqel, Phoenix, USA, „aber relativ wenige HCV-positive Patienten, die ein Organ benötigen.“ In einer Studie wurde nun gezeigt, dass die Kombination von Glecaprevir und Pibrentasvir, die unmittelbar vor der Transplantation beim Empfänger begonnen und acht Tage lang gegeben wurde, die HCV-Infektion des Empfängers verhindert. Die Patienten erhielten zusätzlich Ezetimib, weil es den Cholesterinrezeptor blockiert, den HCV für den Eintritt in die Zelle benötigt. „Wir haben mit diesem Protokoll Nieren, Pankreas und auch Herzen transplantiert und waren bezüglich HCV zu 100% erfolgreich“, berichtete Aqel.4
HCC: kein Nutzen für Kombinationstherapie
„Wir verglichen bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom (HCC) ein- oder mehrmalige Chemoembolisation allein mit der Kombination von Chemoembolisation und Radiotherapie“, erklärte Prof. Dr. Dominique Thabut, Paris. „Das war nicht ganz einfach, weil es bereits acht Studien – alle aus China – gibt, die für die Kombinationstherapie sprechen. Unsere Studie mit 120 Patienten war die erste aus einem westlichen Land – und sie zeigte keinen Nutzen für die Kombinationstherapie, dafür aber mehr Nebenwirkungen als bei Chemoembolisation allein“, betonte die Expertin. Die Unterschiede zwischen den Studien erklären sich wohl aus genetischen und sonstigen Unterschieden zwischen den verschiedenen Populationen. „Auch die Ätiologie des HCC könnte eine Rolle spielen – wir hatten weniger Virushepatitiden und mehr alkoholische Leberschäden als die Chinesen“, ergänzte Thabut.
NAFLD: auch eine Pandemie
„Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist die am schnellsten zunehmende – und in mehreren Ländern, wie den USA oder Frankreich, bereits führende – Ursache für Leberkrebs“, betonte Prof. Dr. Aleksander Krag, Odense. „Wir stehen hier vor einer regelrechten Pandemie, die auch unglaubliche Kosten verursacht, und müssen versuchen, bereits auf Bevölkerungsebene Maßnahmen – wie z.B. das Verbot einer Werbung für Junk Food – zu setzen“, fuhr Krag fort.
„Eine von uns durchgeführte Metaanalyse von 132 Studien mit fast 10000 Teilnehmern zeigte, dass die globale Prävalenz von NAFLD bei 29,1% liegt, wobei die höchsten Prävalenzzahlen in Lateinamerika zu finden sind (44,4%), gefolgt vom Nahen Osten und Nordafrika (39,9%), den USA (Bevölkerung mit hohem Einkommen; 32,9%) und Westeuropa (24,6%)“, berichtete Prof. Dr. Zobair Younossi, Inova Fairfax Medical Campus, USA.5 „Und trotzdem ist erstaunlicherweise die Awareness für diese Erkrankung – sowohl in der Bevölkerung als auch bei Gesundheitsanbietern und Entscheidungsträgern – extrem niedrig“, fuhr der Experte fort. „Sogar die WHO erwähnt NAFLD als wichtige nichtübertragbare Erkrankung nicht – das muss sich ändern!“, forderte Younossi.
Aber auch Therapieoptionen zeichnen sich ab. So wurde am ILC 2022 eine erste humane Studie mit Pemvidutid präsentiert. Dabei handelt es sich um einen dualen GLP-1- und Glukagonrezeptoragonisten. Die Studienteilnehmer waren übergewichtig oder adipös, d.h., sie hatten einen BMI zwischen 25 und 40kg/m2. Dosisabhängig hatten die Teilnehmer nach zwölf Wochen zwischen 4,9% und 10,3% ihres Körpergewichts verloren. Diejenigen fünf Patienten, die mittels MRT-PDFF („proton density fat fraction“), einer nichtinvasiven Bildgebungsmethode zur Messung des Fettgehalts der Leber, untersucht wurden, zeigten eine Fettreduktion von über 90% (bis hin zu nicht mehr messbarem Leberfettgehalt).
„Man hat lange geglaubt, dass Gewichtsverluste in einem solchen Ausmaß und Tempo nur mittels bariatrischer Chirurgie erreichbar wären“, betonte Dr. Scott Harris, Vertreter der Firma Altimmune, die das Produkt herstellt. „Wir haben auch Reduktionen von Gesamt-Cholesterin, LDL-Cholesterin und Triglyzeriden im Bereich von 25 bis 40% gesehen – was etwa dem entspricht, was sich mit Statinen bzw. Fibraten erreichen lässt“, fuhr Harris fort. „Das war zwar erst eine Phase-I-Studie, aber die Einführung dieser Substanz könnte neue Standards in der Behandlung von NAFLD bzw. nichtalkoholischer Fettleberhepatitis, kurz NASH, setzen“, betonte Harris abschließend.6
Quelle:
Presseinformationen vom ILC 2022
Literatur:
1 Wedemeyer H et al.: ILC 2022; oral presentation #GS006 2 Agarwal K et al.: ILC 2022; oral presentation #GS010 3 Thapar M et al.: ILC 2022; oral presentation #OS075 4 Aqel B et al.: ILC 2022; oral presentation #OS002 5 Younossi Z et al.: ILC 2022; poster #THU048 6 Harrison S et al.: ILC 2022; oral presentation #OS124
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