
JAK-Hemmer: auch eine Option für seltene entzündliche Dermatosen?
Bericht: Dr. med. vet. Susanne Kammerer
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JAK-Hemmer haben sich bereits als stark wirksame Therapeutika beim atopischen Ekzem, bei der Vitiligo und der Alopecia areata etabliert. Doch positive Wirknachweise gibt es auch für eine Reihe von seltenen Erkrankungen.
Prurigo nodularis (PN) ist eine entzündliche Hauterkrankung, die durch stark juckende Hautläsionen, Hautschmerzen sowie Stechen und Brennen an der Haut für Betroffene sehr belastend ist. In der Pathogenese der PN spielt auch der JAK/STAT-Signalweg eine Rolle, besonders JAK1. Diese Beteiligung war der ausschlaggebende Grund, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des selektiven JAK1-Hemmers Povorcitinib in dieser Indikation zu untersuchen. Dr. Shawn Kwatra, Johns Hopkins University School of Medicine (USA), stellte die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit dem JAK1-Hemmer Povorcitinib vor, die einen Zeitraum von 40 Wochen umfasste.1 An der randomisierten, doppelblinden Studie nahmen 146 Patient:innen mit moderater bis schwerer PN teil, die über einen Zeitraum von 16 Wochen täglich einmal mit Povorcitinib in drei unterschiedlichen Dosierungen (15mg, 45mg oder 75mg) behandelt wurden. Daran schloss sich eine 24-wöchige Verlängerungsphase an. Das primäre Ziel der Studie war eine Reduktion des Juckreiz-Scores (Itch Numerical Rating Scale, NRS) um mindestens 4 Punkte nach 16 Wochen, eine Veränderung, die als klinisch relevant gilt. Zu den sekundären Zielen gehörten die Zeit bis zum Erreichen von NRS4 und der Anteil der Teilnehmer:innen, die nach Einschätzung des Prüfarztes einen Behandlungserfolg erreichten, definiert als entweder vollständige Abheilung der PN-Läsionen oder Bestehen von maximal ein bis fünf PN-Läsionen.1
Nach 16 Wochen erfüllten 36% der Teilnehmer:innen, die 15mg Povorcitinib erhielten, das primäre Ziel der klinisch relevanten Juckreizreduktion (NRS4). In der Gruppe mit 45mg waren es 44%, während 57% der Teilnehmer:innen in der 75-mg-Gruppe dieses Ziel erreichten. Zum Vergleich: In der Placebogruppe lag der Anteil bei lediglich 8% (Unterschiede jeweils p<0,01).
In der anschliessenden 24-wöchigen, einfach verblindeten Verlängerungsphase erhielten Teilnehmer:innen, die sowohl die Juckreizreduktion (NRS4) als auch einen Behandlungserfolg bei den PN-Läsionen erreichten, weiterhin 45mg Povorcitinib. Teilnehmer:innen mit partiellem oder fehlendem Ansprechen wurden auf eine 75-mg-Dosis umgestellt und bis zur 40. Woche behandelt. Die Mehrheit der Responder behielt den Behandlungserfolg bei. So gelang es 88% der Responder, zu Woche 16 sowohl die Juckreizreduktion (NRS4) als auch einen Erfolg in der behandlung der PN-Läsionen bis zur 40. Woche zu erhalten.1
Abheilung der PN-Läsionen benötigt Zeit
Die Studie zeigte ausserdem, dass sich Teilnehmer:innen, die initial nur teilweise oder nicht auf die Behandlung ansprachen, während der Verlängerungsphase noch deutlich verbesserten. Während zu Woche 16 nur 34%eine NRS4-Reduktion erreichten, stieg dieser Anteil nach der Umstellung auf 75mg Povorcitinib bis zur 40. Woche auf 70%. Dies unterstreicht die Bedeutung einer längerfristigen Behandlung, insbesondere wenn es um die Abheilung der knotigen PN-Läsionen geht. Bezüglich dieses Endpunkts erreichten nur 11% in der zusammengesetzten Non-Responder-Gruppe einen Behandlungserfolg nach 16 Wochen. Dieser Anteil stieg jedoch bis Woche 40 auf 51% an.1 Dr. Kwatra bemerkte: «Die Verbesserung des Juckreizes tritt schneller ein, aber viele der Hautläsionen benötigen etwas mehr Zeit für eine sichtbare Besserung.» Die Beurteilung der Verträglichkeit fiel positiv aus, es wurden nur wenige schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet.
TYK-2-Inhibition wirksam bei Lichen planopilaris
Lichen planopilaris (LPP) ist eine seltene Erkrankung, die zu einer vernarbenden Alopezie an der Kopfhaut führt und momentan nur unzureichend behandelt werden kann. In der Pathogenese spielt das Interferon-Signaling eine grosse Rolle. Eine erste kleine Studie mit Deucravacitinib weckt jetzt die Hoffnung, dass auch diesbezüglich bald effektivere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen werden.2 Deucravacitinib ist ein Tyrosinkinasehemmer, der zur Untergruppe der JAK-Inhibitoren gehört. Er hemmt selektiv die Tyrosinkinase 2 (TYK2) und ist seit 2023 zur Behandlung der Plaque-Psoriasis zugelassen.
Da Th17-Zellen eine Rolle in der Pathogenese des LPP spielen, untersuchten Prof. Aaron Mangold, Mayo Clinic in Scottsdale (USA), und sein Team Deucravacitinib als potenzielle Behandlungsoption in einer einarmigen Phase-II-Studie. Hier wurden erwachsene Patient:innen mit durch Biopsie gesichertem LPP eingeschlossen, die nach einer Auswaschphase ihrer vorherigen Medikamente über einen Zeitraum von 24 Wochen zweimal täglich 6mg Deucravacitinib erhielten. Neben der Sicherheitsbewertung wurden verschiedene Parameter wie der Aktivitätsindex des LPP (LPPAI), die Lebensqualität (Dermatology Life Quality Index, DLQI), die globale ärztliche Bewertung (Physician’s Global Assessment, PGA) sowie der Juckreiz in einer numerischen Bewertungsskala (NRS) alle vier Wochen erfasst.2 Die Studienkohorte umfasste 10 Patient:innen mit einem Durchschnittsalter von 61,4 Jahren. Zu Studienbeginn lagen der durchschnittliche LPPAI und DLQI bei 3,8, während der Pruritus-NRS-Wert bei 4,2 lag. Die Behandlung mit Deucravacitinib wirkte sich rasch auf den LPPAI aus: Nach 12 Wochen sank dieser auf 1,6 (p=0,006) und erreichte bereits nach 16 Wochen 1,2 (p=0,008). Nach Ausführung von Prof. Mangold lag die Ansprechrate, definiert als eine Verbesserung um mindestens 50% nach zwei Wochen, bei 20% und verbesserte sich bis Woche 12 auf 80%. Nach 16 Wochen zeigten alle Patient:innen eine Verbesserung von über 50% in Bezug auf die PGA-Ergebnisse. Im Gegensatz zur AD kam es bei LPP-Patienten erst zu einer klinischen Besserung, ehe die Linderung des Juckreizes eintrat. Durchschnittlich vergingen 11,1 Wochen, bis es zu einer Verbesserung des Juckreizes um mehr als 50% kam.2
Pan-JAK-Hemmer: auch als Lokaltherapie bei FFA wirksam
Frühere Untersuchungen an betroffenen und nicht betroffenen Kopfhautbereichen von Patient:innen mit frontal fibrosierender Alopezie (FFA) zeigten eine signifikante Hochregulierung von Interferon(IFN)γ, CXCL9, CXCL10, STAT1 und JAK3. Im Vergleich zur Alopecia areata war die Th1-Antwort stärker ausgeprägt, während STAT1 und JAK3 in höherem Masse aktiviert waren. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Untersuchung des Pan-JAK-Hemmers Delgocitinib als mögliche Therapieoption.3
In der randomisierten Phase-II-Studie wurden 30 Frauen mit FFA im Verhältnis 1:1 entweder mit Delgocitinib-Creme (20mg/g) zweimal täglich oder mit einem passenden wirkstofffreien Vehikel über einen Zeitraum von 12 Wochen behandelt. Der primäre Endpunkt bestand in der Veränderung der Marker IFNγ, CXCL9 und CXCL10 von Studienbeginn bis zu Woche 12. Die Teilnehmerinnen waren im Schnitt 64,4 Jahre alt und wiesen zu Beginn der Studie einen LPPAI von 2,79 auf.
Die RNA-Sequenzierung und die Analyse von Th1-Biomarkern zeigten eine numerische Reduktion von IFNγ und CXCL10 sowie eine statistisch signifikante Abnahme von CXCL9 (p<0,05). Prof. Maryanne Senna von der Harvard Medical School in Boston (USA) betonte, dass diese Ergebnisse auf eine Abschwächung wichtiger entzündlicher Marker in der Kopfhaut durch Delgocitinib hindeuten. Im Gegensatz dazu verschlechterte sich das Transkriptomprofil der Vehikel-Gruppe um 33%. Auch der Aktivitätsindex zeigte einen stärkeren Rückgang bei den mit Delgocitinib behandelten Teilnehmerinnen.
In einer offenen Verlängerungsphase bis zur 24. Woche setzten alle Teilnehmerinnen die Behandlung mit Delgocitinib fort. Bei allen Teilnehmerinnen war ein Haarwachstum zu verzeichnen. Im Durchschnitt wurden nach 12 Wochen bei den Delgocitinib-Teilnehmerinnen 6,9 neue Haare pro Quadratzentimeter Kopfhaut ermittelt, wogegen in der Vehikel-Gruppe 11,1 Haare verloren gingen.
Die Delgocitinib-Zubereitung wurde gut vertragen. Es trat lediglich ein behandlungsbedingtes unerwünschtes Ereignis (mässige Handdermatitis) in der Vehikel-Gruppe auf.3
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei neutrophilen Dermatosen?
Eine Literaturauswertung deutet darauf hin, dass sich auch die Behandlung von neutrophilen Dermatosen (ND) mit JAK-Hemmern lohnen könnte.4 ND sind eine heterogene Gruppe von schwer behandelbaren immunvermittelten Hauterkrankungen wie Pyoderma gangraenosum, VEXAS-Syndrom, CANDLE-Syndrom, Behçet’s Disease, Sweet-Syndrom und Acne fulminans. In der Literaturauswertung wurde hauptsächlich der Pan-JAK-Hemmer Tofacitinib (bei 51% der ausgewerteten Fälle) eingesetzt, gefolgt von Baricitinib, Ruxolitinib, Upadacitinib und Filgotinib. Die Autoren schliessen aus der Analyse, dass sich ein Behandlungsversuch besonders mit Tofacitinib lohnen könnte.4 Hohe Abheilungsraten seien besonders bei Pyoderma gangraenosum, Behçet’s Disease, VEXAS-Syndrom und Sweet-Syndrom zu erwarten. Um dies sicher beurteilen zu können, müssten nach Ansicht der Autoren placebokontrollierte Studien durchgeführt werden, was angesichts der Seltenheit der Erkrankungen allerdings unwahrscheinlich ist.4
Literatur:
1 Kwatra S: Efficacy and safety of oral povorcitinib in patients with prurigo nodularis: 40-week results from a randomized, double-blind, placebo-controlled phase 2 study. Präsentation D2T01.3F; EADV-Kongress 2024, Amsterdam 2 Mangold A: Deucravacitinib in the treatment of lichen planopilaris - interim analysis. Präsentation D1T01.1E; EADV-Kongress 2024, Amsterdam 3 Senna MM: Randomized vehicle-controlled clinical trial with the topical JAK inhibitor delgocitinib in patients with frontal fibrosing alopecia demonstrates biomarker and clinical efficacy. Präsentation D3T01.4F; EADV-Kongress 2024, Amsterdam 4 Yeung J: Ruxolitinib cream for mild-to-moderate hidradenitis suppurativa: 32-week data from a randomized phase 2 study. Präsentation D2T01.3D; EADV-Kongress 2024, Amsterdam
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