© Bennphoto - stock.adobe.com

64. Kongress der DGP

E-Zigaretten und Krebsrisiko – was wissen wir?

E-Zigaretten und Tabakerhitzer sind für die Tabakindustrie ein neuer, wirtschaftlich bedeutsamer Markt. Im Fokus der Diskussion über die gesundheitlichen Auswirkungen steht vor allem die Frage, inwieweit die von E-Zigartetten freigesetzten Schadstoffe das Krebsrisikoerhöhen. Allerdings sind bislang nur wenige aussagekräftige Langzeitdaten verfügbar, da es auch hier wie beim herkömmlichen Zigarettenkonsum eine lange Latenzzeit bis zum Auftreten von Folgeerkrankungen gibt.

Keypoints

  • Alle bisherigen Daten sprechen dafür, das auch von E-Zigaretten ein Krebsrisiko ausgeht, auch wenn es deutlich niedriger ist als das von klassischen Zigaretten.

  • Eine offizielle Bewertung der IARC ist mehr als überfällig.

  • Regulierungsbehörden und Ärzteschaft sind angehalten, einer Verharmlosung von E-Zigaretten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.

Der Umsatz an E-Zigaretten hat in den letzten 10 Jahren stark zugenommen.1 Über die gesundheitlichen Risiken beim sogenannten Vapen gibt es bisher nur ein begrenztes Wissen. Insbesondere das Krebsrisiko durch E-Zigaretten wird teilweise noch kontrovers diskutiert.

Durch die lange Latenz zwischen Exposition und Auftreten von Krebserkrankungen ist es schwer, frühzeitig einen zweifelsfreien Zusammenhang zu erkennen. So hat es auch viele Jahre gedauert, bis das Lungenkrebsrisiko durch das Zigarettenrauchen allgemein anerkannt war.

Beurteilung des Krebsrisikos

Es gibt verschiedene Gremien, die eine Beurteilung über das Krebsrisiko abgeben. Die bedeutsamsten wissenschaftlichen Stellungnahmen stammen von der International Agency for Research on Cancer (IARC), einer Arbeitsgruppe der WHO, die zu den verschiedensten Substanzen, Stoffgemischen und Tätigkeiten sogenannte Monografien herausgibt (Tab. 1). Hierfür analysiert ein Expertengremium die Literatur und gibt eine abschließende Stellungnahme ab.

Tab. 1: IARC-Klassifikation von Karzinogenen (Quelle: Kambartel K 2024)

Eine systematische Analyse hinsichtlich des Krebsrisikos erfolgt durch die CLP-Verordnung Nr. 1272/2008 der EU. Diese fordert für jede Substanz, die in der EU in Verkehr gebracht wird, eine Analyse in Bezug auf ein mögliches Krebsrisiko. Ausgenommen hiervon sind aber Medikamente und Lebensmittel, wozu in Europa die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten zählen.

In Deutschland legen das Tabakerzeugnisgesetz und die Tabakerzeugnisverordnung fest, dass die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten, die E-Liquids, außer Nikotin in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen dürfen.

In der Realität entstehen durch die Erhitzung der Liquide an den Heizdrähten trotzdem krebserregende Substanzen wie Formaldehyde, Acetaldehyde etc.2 Kern der Diskussion über das Krebsrisiko ist die Frage, ob die freigesetzten Schadstoffe das Krebsrisiko in einem messbaren Maß erhöhen. Allerdings gibt es bei karzinogenen Substanzen, anders als bei Giftstoffen, keinen Grenzwert, unterhalb dessen der Gebrauch bedenkenlos ist.

Studiendaten zu toxischen Substanzen

In mehreren toxikologischen Studien wurden im Urin von „Vapern“ erhöhte Konzentrationen von krebserregenden Stoffen im Vergleich zu Nichtrauchern gemessen. Beim klassischen Zigarettenrauch sind diese Konzentrationen allerdings noch höher.3

Ein großes Problem ist aber, dass viele Benutzer von E-Zigaretten gleichzeitig auch klassische Zigaretten rauchen. In dieser Gruppe der sogenannten „dualusers“ wurde in Studien besonders hohe Konzentrationen von karzinogenen Substanzen gefunden, die über das normale Zigarettenrauchen hinausgehen.

Auch in Tierversuchen zeigte sich ein erhöhtes Krebsrisiko.4 Hier lag die Inzidenz von Adenokarzinomen der Lunge bei Mäusen, die intensiv E-Zigaretten exponiert waren, mehr als 5x höher als in der Kontrollgruppe. Auch konnte eine deutliche Zunahme an Hyperplasien durch die E-Zigaretten-Exposition nachgewiesen werden. Kritiker dieser Studie verweisen auf die kurzzeitige und hohe Exposition, die nicht der Realität beim Menschen entsprechen würde.

In der Zellkultur konnten aber zahlreiche karzinogene Mechanismen durch E-Zigaretten ausgelöst werden. So finden sich epigenetische Veränderungen, Zellinflammation, Makrophagenaktivierung, oxidativer Stress und Mitochondrienverletzungen.5 Ebenso findet sich eine dosisabhängige Zunahme von DNA-Schädigungen bei „Vapern“ wie auch bei klassischen Rauchern.6 Diese DNA-Schädigungen sind in der Regel die Grundlage für maligne Veränderungen.

Neben toxischen Substanzen werden von E-Zigaretten natürlich auch in erheblichen Maße Feinstäube freigesetzt. Bei alveolengängigen Feinstäuben ist das Krebsrisiko, auch auf molekularer Ebene, inzwischensehr gut dokumentiert.

Neben E-Zigaretten finden auch Tabakerhitzer zunehmend Verbreitung. Hier wird Tabak durch einen Glühdraht verdampft. Dabei entstehen ebenfalls Feinstäube und krebserregende Substanzen, wobei die gesundheitlichen Folgen noch weniger gut untersucht sind.

Nach toxikologischen Berechnungen vermutet man, dass das Krebsrisiko durch E-Zigaretten gegenüber Zigaretten um über 90% reduziert ist (Abb. 1). Dazu fehlen aber belastbare Langzeitdaten.7

© skyfoto, SpicyTruffel, daniiD, demiurge_100 – stock.adobe.com

Abb. 1: Berechnung des Krebsrisikos durch Zigaretten, Tabakerhitzer und E-Zigaretten anhand von toxikologischen Daten (modifiziert nach Stephens WE 2018)7

Aromen sprechen junge Menschen an

E-Zigaretten und Tabakerhitzer sind für die Zigarettenindustrie ein neuer, wirtschaftlich bedeutsamer Markt. Die Vermarktung mit Aromen wie Erdbeere etc. soll einerseits gesundheitliche Risiken verschleiern, andererseits aber auch gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen. Unter anderem aus diesem Grund fordern zahlreiche medizinische Fachgesellschaften ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten.

Verharmlosung entgegenwirken

Bei allen Überlegungen unbeantwortet ist die Frage, ob E-Zigaretten möglicherweise viel intensiver inhaliert werden als normale Zigaretten. Es fehlt auch der Nachweis, dass durch E-Zigaretten der Konsum von klassischen Zigaretten in der Tabakentwöhnung reduziert wird. Die Daten zeigen eher, dass es meist zu einem „dual use“ kommt, was möglicherweise mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht.

Auch wenn letztendlich die Evidenz gering ist, so ist es doch dringend an der Zeit, dass die IARC eine Stellungnahme zum Krebsrisiko abgibt. Zumindest eine Eingruppierung in die Kategorie 2B als potenziell karzinogen sollte geprüft werden.8

Trotz der noch begrenzten Daten sind die Regulierungsbehörden, aber auch die Ärzteschaft gefragt, auf die potenziellen Risiken der E-Zigaretten hinzuweisen und insbesondere einer Verharmlosung und Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.9

1 www.statista.de 2 Marques P et al.: Respir Res 2021; 22:151 3 Herbst RS et al.: J Clin Oncol 2022; 40: 4144-55 4 Tang M et al.: PNAS 2019; 116(43): 21727-31 5 Shehata S et al.: Cancers 2023; 15(18): 4525 6 Tommasi S et al.: Nicotine Tob Res 2023; 25(6): 1145-54 7 Stephens WE: Tob Control 2018; 27(1): 10-17 8 Braillon A, Lang AE: Eur J Epidemiol 2023; 38: 391 9 Rupp A et al.: Pneumologie 2024; doi:10.1055/a-2282-9908

Back to top