
Netz ist nicht gleich Netz: welches Netz wann?
Autor:
DDr. Burghard Abendstein
Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, LKH Feldkirch
E-Mail: burghard.abendstein@lkhf.at
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Beckenbodenprolaps ist ein weitverbreitetes Problem. 50% aller Frauen, die jemals spontan geboren haben, sind davon betroffen. Das kumulative Lebenszeitrisiko für eine Prolapsoperation liegt derzeit bei 11%. 30% aller wegen eines Prolaps operierten Patientinnen benötigen mehr als einen operativen Eingriff. Bei 21% wird eine zusätzliche Inkontinenzoperation nötig.
Das zugrunde liegende Hauptproblem aller Prolapserscheinungsbilder besteht in Bindegewebsdefekten. Diese können sowohl erworben als auch genetisch vorgegeben sein. Alle bisher erhobenen Daten weisen darauf hin, dass die operativen Korrekturen, welche mit körpereigenem Gewebe durchgeführt werden, höhere Rezidivraten aufweisen im Vergleich zu Eingriffen unter Zuhilfenahme von Fremdgewebe. Deshalb wurde schon früh begonnen, Fremdmaterial zur Korrektur von Prolapsbefunden zu verwenden. Die ersten Berichte über transvaginale Prolapskorrekturen mit Netzmaterialien datieren aus den frühen 1950er-Jahren. In der Folge kam es zu einer rasanten Entwicklung von unterschiedlichsten Netzmaterialien und -formen sowie Einlagetechniken. Die Folgen dieses „Wildwuchses“ blieben nicht aus und ließen zahlreiche Probleme und ernsthafte Komplikationen erkennen. Diese wiederum führten in den USA zum allseits bekannten Verkaufsverbot für vaginal eingebrachte Prolapsnetze durch die FDA.
In Europa wurden in diesem Zusammenhang 2015 vom Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) bis heute gültige Empfehlungen publiziert. Diese wurden von den Europäischen Gesellschaften für Urogynäkologie und Urologie weitestgehend übernommen. Darin wird der Einsatz vaginaler Netze zur Prolapstherapie für komplexe Fälle oder Rezidive in Betracht gezogen. Insbesondere wird darauf hingewiesen, synthetische Netze zu verwenden, wenn andere Verfahren mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv belastet sind. Darüber hinaus regt SCENIHR ein Zertifizierungssystem für Operateure an.
Die derzeit gültigen Leitlinien für den deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) lassen die Verwendung von vaginalen Netzen grundsätzlich zu. Es wird allerdings darauf hingewiesen, Patientinnen ausführlich über ein höheres Komplikationsrisiko in Relation zu besseren anatomischen Resultaten zu informieren. Ausdrücklich wird unter diesen Umständen die Verwendung transvaginal eingebrachter Kunststoffnetze in speziellen Situationen ermöglicht.
Leitstruktur Sakrouterinligament
In der Behandlung von Beckenbodenprolapserscheinungen haben wir es mit einem außerordentlich hohen Variantenreichtum zu tun. Der Vielzahl von unterschiedlichsten anatomischen Prolapserscheinungen steht eine nicht weniger vielfältige Ausprägung von Symptomen gegenüber. Als Hauptprinzip jeglicher Prolapskorrektur hat sich die Notwendigkeit der apikalen Korrektur etabliert. Diese richtet sich in erster Linie auf die Korrektur oder Wiederherstellung des Lig. sacrouterinum. Die korrekte anatomische Lage des Sakrouterinligaments konnte in mehreren Arbeiten demonstriert werden (Abb.1). Es zieht von S5 bis C3 zur Zervixhinterwand bzw. apikalen Vagina. Alle unsere Korrekturbestrebungen richten sich nach dieser anatomischen Leitstruktur.
In Ermangelung ausreichender Evidenz und klarer internationaler Empfehlungen wird hier der Versuch einer personalisierten Strategie gewagt (Tab.1). Zusammenfassend ergeben sich folgende grundsätzlichen Empfehlungen:
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Die operative Behandlung von symptomatischen Prolapserscheinungen erfordert ein gutes geschultes Expertenwissen, sowohl für die Diagnostik als auch für die spezifische Aufklärung und Durchführung spezifischer Eingriffe.
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Eine ausführliche und genaue Patientinneninformation ist Grundvoraussetzung.
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Komplexen Befunden stehen multiple Therapieoptionen gegenüber.
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Die Behandlungsstrategien sind sowohl patientinnen- als auch expertenorientiert zu wählen. In speziellen Situationen sollte einer Patientin auch der Weg in ein Zentrum mit entsprechender Expertise angeboten werden.
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Vaginale Netze werden ihren Platz behaupten, wenn auch nicht für jede Patientin und nicht für jeden Operateur.
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Gerade im Hinblick auf die Komplexität der verschiedensten Prolapsbilder bedarf es sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch der Patientinnensicherheit stärkerer Spezialisierung.
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags bei der 30./31. Jahrestagung der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ), 15.–16. Oktober 2021, Linz
Literatur:
beim Verfasser
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