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Juvenile Rheumaerkrankungen bei Mädchen und weiblichen Jugendlichen
Jatros
Autor:
Dr. Andrea Ulbrich
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Kinderrheumatologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: andrea.ulbrich@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
28.03.2019
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<p class="article-intro">Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist in 7 Untergruppen unterteilt. Dies ist für die Therapie und Prognose wichtig. In 65 % der Fälle sind Mädchen betroffen, wobei bei den meisten Subformen die Rate bei 70–80 % liegt. Etwa die Hälfte der JIA-Patientinnen benötigt auch im Erwachsenenalter eine Therapie.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Kinder klagen oft über Gelenksschmerzen, ernsthafte rheumatische Erkrankungen kommen im Vergleich selten vor. Die JIA ist jedoch mit einer Inzidenz von 1:10 000 und einer Prävalenz von 0,1 % die häufigste chronisch-inflammatorische Arthritis bei Kindern.<br /> Definiert ist die JIA mit dem Beginn der Arthritis unter 16 Jahren und der Dauer der Gelenksentzündung von mehr als 6 Wochen. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten. 40 % der Patienten erkranken bereits im Kleinkindalter. Somit kann die Erkrankung fast alle Lebensbereiche beeinflussen.<br /> Anders als die rheumatoide Arthritis (RA) des Erwachsenen kann die JIA grob in eine systemische, eine oligoartikuläre und eine polyartikuläre Form eingeteilt werden. Im Verlauf, oft erst nach mehreren Monaten, kann die JIA in eine der insgesamt 7 verschiedenen Subgruppen eingeteilt werden (Tab. 1). Die Einteilung ist später für die Therapie und Prognose bedeutend. Bis auf die Enthesitis-assoziierte Arthritis, die meistens Buben im Volksschulalter betrifft, und die systemische Arthritis, die beide Geschlechter gleich häufig betrifft, ist die Mädchenlastigkeit bei allen Subgruppen sehr hoch und wird mit insgesamt 65 % der Fälle angegeben, wobei bei den meisten Subformen die Rate bei 70–80 % liegt (Tab. 2).<br /> Es gibt noch weitere wichtige Unterschiede zum Rheuma des Erwachsenen. Kinder befinden sich in der Wachstumsund Entwicklungsphase. Eine chronische und aktive Entzündung hat Einfluss auf das Wachstum der Kinder und kann zu einem Knick in der Wachstumskurve führen. Das wachsende Skelett kann bei inadäquater Therapie bleibende Folgeschäden wie Beinlängendifferenz, Gesichtsasymmetrie, Fingerfehlstellungen und mehr erleiden. Außerdem sind gerade für Kinder Bewegung und Motorik für die körperliche, aber auch für die geistige Entwicklung wichtig. Gelenksschmerzen führen zu einer Schonhaltung und damit verbunden zu einem muskulären Ungleichgewicht. In der Folge kann es zu Verkürzungen und Kontrakturen der Muskulatur kommen. Um dauerhafte Folgeschäden im Erwachsenenalter zu vermeiden, sind eine frühzeitige Diagnose und eine rasche und adäquate intensive Therapie besonders wichtig.<br /> Die Prognose der JIA hat sich in den letzten 15 Jahren mit Einführung weiterer Therapiemöglichkeiten deutlich gebessert. Abhängig vom JIA-Phänotyp kann es am ehesten in den ersten fünf Jahren ab Erkrankungsbeginn zu einer Remission kommen. Die beste Chance auf eine Remission hat mit 83 % die juvenile idiopathische „Systemic onset“- Arthritis, gefolgt von der persistierenden Oligoarthritis mit 80 % (Tab. 3). Trotz alledem ist nach einem zehnjährigen Krankheitsverlauf bei 30 % der Patienten mit funktionellen Einschränkungen zu rechnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s82_tab1.jpg" alt="" width="550" height="581" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s83_tab2+3.jpg" alt="" width="550" height="682" /></p> <h2>Transition von Mädchen in die Erwachsenenrheumatologie</h2> <p>Da bei etwa der Hälfte der Patienten eine Behandlung über das Jugendalter hinaus notwendig ist und bei einem Drittel der Patienten eine aktive Arthritis im Erwachsenenalter bestehen bleibt, ist natürlich auch die Transition, der Weg ins Erwachsenenalter, ein großes Thema. Nur knapp zwei Drittel der behandlungsbedürftigen jungen Erwachsenen werden auch tatsächlich von einem Erwachsenenrheumatologen weiter betreut. Die anderen Patienten brechen später die Behandlung ab. In Untersuchungen hat sich auch gezeigt, dass es im Erwachsenenalter häufig zu einem Diagnosewechsel und zu einem Absetzen der Therapie gekommen ist.<br /> Pubertät und Erwachsenwerden bedeuten eine Vielzahl an physiologischen und psychologischen Entwicklungsprozessen wie Identitätsfindung, Autonomieentwicklung sowie körperliche und soziale Reife. Gerade in dieser Phase des Lebens haben die Jugendlichen mit vielen Entwicklungsaufgaben zu kämpfen. Unzufriedenheit, Verdrängung, Gleichgültigkeit und rebellisches Verhalten sind normale Reaktionen.<br /> Mädchen vergleichen sich oft mit Gleichaltrigen, genauso wie mit perfekten Frauenbildern in den Medien. Dies führt oft zu einem sehr kritischen Umgang mit dem eigenen Körper. In dieser vulnerablen Phase des Lebens ist eine chronische Erkrankung oft besonders schwer zu akzeptieren. Besonders schwierig für Eltern und Ärzte wird der Umgang mit den jungen Erwachsenen, wenn sich das rebellische Verhalten und die Verweigerung gegen die Krankheit und die Behandlung richten. Hinzu kommt die Angst der jungen Rheumatikerinnen und Rheumatiker, zeitlebens eine chronische Erkrankung zu haben, die sich auf das Privatleben, das soziale Umfeld, die Sexualität, die Familienplanung und das Berufsleben auswirkt. Als Folge kommt es zu massiven Adhärenzproblemen. Kommt dann noch ein Wechsel des Behandlungsteams dazu, führt dies daher oft noch zu einer Unterbrechung der Versorgung und damit zu einer Krankheitsverschlechterung. Die Daten der deutschen Kerndokumentation zeigen, dass nur jeder zweite Jugendliche seine Medikamente regelmäßig einnimmt. Pädiatrische Patientinnen und Patienten müssen daher vor der Transition auf die neue Situation vorbereitet werden. Die Selbstständigkeit, die Eigenverantwortlichkeit und das Wissen um die Krankheit müssen geschult werden. Die Beziehung zum neuen betreuenden Arzt sollte rechtzeitig aufgebaut werden.<br /> Gerade für Mädchen und junge Frauen sind Einrichtungen, die sich auf Familien- und Schwangerschaftsberatung für chronisch Kranke spezialisiert haben, sehr wichtig. Oft hilft auch der Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen Jugendlichen.<br /> Die Transition ist ein wichtiger Bestandteil der Kinder- und Jugendmedizin und sollte ein geplanter und vorbereiteter Prozess mit zielgerichtetem Transfer in die Erwachsenenmedizin sein. Ziel ist in jedem Fall eine lückenlose Weiterbetreuung der jungen Erwachsenen durch einen qualifizierten Facharzt.</p></p>
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