
Irreguläre prämenopausale Blutung – eine differenzialdiagnostische Herausforderung
Autorin:
Priv.-Doz.in Dr.in Birgit Volgger
Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Bezirkskrankenhaus Lienz
E-Mail: b.volgger@kh-lienz.at
Irreguläre vaginale Blutungen außerhalb des regelmäßigen Zyklus sind häufig, verunsichern Patientinnen und stellen den gynäkologischen Facharzt aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten der zugrunde liegenden Störung nicht selten vor ein differenzialdiagnostisches Problem.
Die Ursachen von Störungen der Menstruationsblutung in Stärke, Häufigkeit und Dauer – Meno-/Metrorrhagien – sind mannigfaltig und umfassen ein Spektrum von uterinen Ursachen wie Myomen, Adenomyose oder malignen Erkrankungen bis hin zu nichtuterinen Ursachen wie ovulatorischer Dysfunktion, Störungen der Blutgerinnung oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Es kann für Frauen schwierig sein, die Stärke der Blutung abzuschätzen. Bei Unsicherheit hinsichtlich eines starken Blutverlusts im Rahmen der Menstruation sind Blutbild und Eisenstatus hilfreich. In einer Arbeit aus dem Jahr 2004 sind Warner et al. der Frage nach dem Blutverlust im Rahmen starker Menstruationsblutungen nachgegangen und konnten nur bei einem Drittel der Frauen mit subjektiv sehr starker Blutung einen Blutverlust von mehr als 80ml/Zyklus objektivieren.1 Bei Patientinnen, die einen Termin zur Routineuntersuchung wahrnehmen, kann allerdings üblicherweise die hämodynamische Stabilität vorausgesetzt werden.
Abklärung von Blutungen
Die Voraussetzung für jegliche Differenzialdiagnostik ist einerseits eine umfassende Anamnese, andererseits die exakte gynäkologische Untersuchung. Die Anamnese umfasst Fragen zum Ablauf des Zyklus hinsichtlich Häufigkeit und Dauer der Blutung, Auftreten von Zwischenblutungen, insbesondere in den letzten Monaten, und zum Auftreten von Dysmenorrhö bzw. Dyspareunie. In Zusammenhang damit ist auch zu klären, ob es sich tatsächlich um eine vaginale Blutung im Unterschied zu einer rektalen Blutung bzw. einer Blutung aus den Harnwegen handelt. Mit der Patientin ist auch die Art und Weise der Kontrazeption zu erörtern – nahezu alle hormonellen Kontrazeptiva, aber auch intrauterine Pessare können irreguläre Blutungen verursachen. Unbedingt zu klären ist die Frage nach einem eventuellen Trauma, z.B. im Rahmen von sexuellen Kontakten. Außerdem ist eine – womöglich bislang unerkannte – Schwangerschaft auszuschließen. Ein Schwangerschaftstest ist bei allen Frauen vor der Menopause in jedem Fall einer irregulären Blutung durchzuführen. Die Sexualanamnese kann auch das Risiko der Patientin für sexuell übertragbare Erkrankungen wie eine Infektion mit Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae, Trichomonas u.a. klären.
Gerade bei Patientinnen, die sich kürzlich gynäkologischen Eingriffen unterzogen haben, ist eine Blutung als Folge des Eingriffs möglich – sei es eine Blutung nach Myomenukleation, Konisation oder auch nach Sectio caesarea.
Die Möglichkeit einer hormonellen Ursache für eine Blutungsstörung muss in Betracht gezogen werden – und damit auch die Möglichkeit eines hormonellen Blutungsstopps. Allerdings ist bei anhaltender oder wiederkehrender Blutungsstörung in jedem Fall auch eine weitere Abklärung v.a. in Hinblick auf die Entwicklung eines Malignoms in Betracht zu ziehen.
Stanzbiopsie bei Auffälligkeiten von Vulva und Vagina indiziert
Eine exakte Inspektion der Vulva zum Ausschluss diverser Krankheitsbilder bis hin zur Dysplasie, dem Vorliegen eines Lichen sclerosus oder auch eines Malignoms ist unbedingt erforderlich, selbst wenn der Altersgipfel für das Vorliegen eines Vulvakarzinoms jenseits des 60. Lebensjahres (medianes Erkrankungsalter ≈73 Jahre) liegt. Allerdings werden trotzdem 25% der Vulvakarzinome vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert, sie sind meist HPV-assoziiert (v.a. HPV 16). Gerade aufgrund der niedrigen Inzidenz des Vulvakarzinoms von 1–2/100000 Frauen ist die Diagnose bei Frauen vor der Menopause erschwert.2 In jedem Fall erscheint der großzügige Einsatz einer Stanzbiopsie bei auffälligen Veränderungen indiziert.
Auch das noch seltenere Vaginalkarzinom (Inzidenz 0,4/100000 Frauen) ist häufig HPV-assoziiert, tritt zu mehr als 50% bei Frauen jenseits des 70. Lebensjahres auf und nur etwa 15% werden zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr diagnostiziert.3 Häufiger als das primäre Vaginalkarzinom sind Metastasen (z.B. bei Vorliegen eines Endometriumkarzinoms) oder eine Tumorausbreitung per continuitatem angrenzender Organe wie der Vulva, Zervix, Harnblase oder des Rektums in die Vagina.4 Zur Klärung eines auffälligen Befundes der Vagina und zur Abgrenzung zu benignen Veränderungen, wie Granulationspolypen nach vaginalen Eingriffen oder Traumata, wird auch in diesen Fällen die Stanzbiopsie beitragen.
Inzidenz des Zervixkarzinoms durch Zytologiescreening gesunken
Im Unterschied dazu ist das Zervixkarzinom, das immer wieder aufgrund einer atypischen Blutung, einer Blutung nach Geschlechtsverkehr oder eines anhaltenden blutigen Fluors diagnostiziert wird, weltweit das vierthäufigste Karzinom der Frau mit einer Inzidenz von 13,1/100000 Frauen. Allerdings variiert die Häufigkeit länderspezifisch zwischen 4 und 75 Frauen/100000. Weltweit beträgt das durchschnittliche Erkrankungsalter 53 Jahre, wobei zwei Altersgipfel – 35.–40. Lebensjahr und 60.–70. Lebensjahr – zu verzeichnen sind.5 Durch die Einführung der Zervixzytologie im Rahmen eines Screenings um 1970 konnte die Inzidenz des Zervixkarzinoms in Deutschland vom häufigsten Karzinom der Frau auf die 13. Stelle verdrängt werden.6 In Österreich wurde 2018 eine Inzidenz für das Zervixkarzinom von 9,5/100000 beobachtet, gegenüber 26,4/ 100000 im Jahr 1983.7
Der stärkste Risikofaktor für die Entstehung eines Zervixkarzinoms ist eine persistierende Infektion mit humanen Papillomviren, wobei bei 70–75% der Zervixkarzinome HPV 16 und 18 nachzuweisen sind. Rund 80% der Frauen erleiden im Laufe ihres Lebens eine Infektion mit HP-Viren, allerdings bleibt dieser Infekt bei 75% der Frauen subklinisch und bei den meisten Frauen kommt es zu einer spontanen „Clearance“, d.h., bei über 80% der Infizierten ist die Erkrankung nach 12 Monaten nicht mehr nachweisbar.3,8 Risikofaktoren für eine Infektpersistenz sind HIV-Infektion, Immunsuppression und auch Nikotinabusus. Große Hoffnungen werden hier in eine breite Anwendung der HPV-Impfung gesetzt, wobei der moderne nonavalente Impfstoff noch weitere 4–18% der Zervixkarzinome verhindern sollte. Das würde insgesamt einer Reduktion der diagnostizierten Zervixkarziome um 80–85% entsprechen.
Vaginale Blutung bei Endometriumkarzinom häufig
Das Leitsymptom für das Endometriumkarzinom ist bei 90% der Fälle eine irreguläre vaginale Blutung, wobei die Inzidenz in Österreich über die letzten 20 Jahre relativ stabil bei 12/100000 bzw. ungefähr 940 neu diagnostizierten Fällen pro Jahr geblieben ist. Zwar sind 90% der Patientinnen zum Zeitpunkt der Diagnose über 50 Jahre alt, trotzdem werden 20% der Endometriumkarzinome vor der Menopause und 5% sogar vor dem 40. Lebensjahr diagnostiziert. Gerade durch die Häufigkeit von irregulären Blutungen in der Prämenopause und die zumeist gutartigen zugrunde liegenden Ursachen sind hier eine sorgfältige Abklärung und Führung der Patientin von allergrößter Bedeutung. Bei rezidivierenden Blutungsstörungen eventuell in Verbindung mit einer auffälligen sonografischen Struktur des Endometriums ist für die weitere Abklärung und Abgrenzung einer gutartigen Veränderung des Endometriums bzw. eines submukösen Myoms eine Hysteroskopie und nachfolgende Curettage großzügig zu indizieren. Zum Ausschluss bzw. zur Diagnose eines Endometriumkarzinoms wurde zwar die Durchführung einer Endometriumbiopsie mittels Pipelle in 4 Studien als gleichwertig zum „Goldstandard“ der diagnostischen Hysteroskopie mit nachfolgender fraktionierter Curettage gesehen, allerdings ist gerade bei benignen Veränderungen damit die Therapie der Blutungsursache im Falle von polypösen Veränderungen oder intracavitären Myomen nicht abgeschlossen. Zu beachten ist darüber hinaus, dass eine Veränderung des Endometriums mit malignem Potenzial wie eine Endometriumhyperplasie mit Atypien sowie ein Endometriumkarzinom vor jedweder Form der ablativen Therapie bei Meno-/Metrorrhagien auszuschließen ist.
Das Ovarialkarzinom fällt bei Frauen im reproduktiven Alter nur selten primär durch eine vaginale Blutung auf, trotzdem ist – vor allem bei hormonsezernierenden Tumoren – auch diese Differenzialdiagnose in Betracht zu ziehen. Speziell Granulosazelltumoren oder Thekome können aufgrund der Östrogenproduktion auch mit Endometriumhyperplasien oder Endometriumkarzinomen vergesellschaftet sein.
Conclusio
Zusammenfassend darf gesagt werden, dass (prä-)maligne Veränderungen des weiblichen Genitales bei der Konsultation eines Gynäkologen aufgrund pathologischer Blutungen zwar sicher in der Fülle der möglichen Ursachen eine geringe Rolle spielen, in ihrer Konsequenz für Frauen in jungem Alter aber die größte Tragweite haben und in die Differenzialdiagnose bei der Abklärung immer miteinbezogen werden müssen.
Literatur:
1 Warner PE et al.: Menorrhagia I: measured blood loss, clinical features and outcome in women with heavy periods: a survey with follow-up data. Am J Obstet Gynecol 2004; 190(5): 1216-23 2 DGGG /OEGGG/SGGG-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen, 2018 3 AGO Austria: Manual der gynäkologischen Onkologie, 2021 4 DGGG/OEGGG/SGGG Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Vaginalkarzinoms und seiner Vorstufen, 2018 5 Arbyn M et al.: Estimates of incidence and mortality of cervical cancer in 2018: a worldwide analysis. Lancet Glob Health 2020; 8(2): e191-e203 6 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3 Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarziom, 2021 7 Statistik Austria 22.12.2020 8 Bhatla N, Denny L: FIGO cancer report 2018. Int J Gynaecol Obstet 2018; 143(Suppl 2): 2-3
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