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28. Osteoporoseforum

Hormontherapie und Osteoporoseprävention in der Menopause

Bei einem Behandlungsbeginn vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb der ersten 10Jahre nach der Menopause ist die menopausale Hormontherapie (MHT) die effektivste Behandlung für das klimakterische Syndrom und für hormonell bedingte urogenitale Beschwerden. Auch für die Prävention von vertebralen, nicht vertebralen und proximalen Femurfrakturen kann bei diesen Frauen im selben Zeitfenster eine MHT in Betracht gezogen werden.

Osteoporose ist eine systemische Erkrankung mit verminderter Knochenqualität bzw. Knochendichte, die mit einem konsekutiv erhöhten Frakturrisiko einhergeht. Ein erhöhtes Frakturrisiko kann durch allgemeine Faktoren wie beispielsweise Lebensalter, genetisches Risiko, vorangegangene Frakturen und niedrige Knochendichte gegeben sein. Auch zahlreiche Erkrankungen und diverse Medikamente sind mit einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert. Für eine wirkungsvolle Prävention ist bei Frauen schon bei Beginn der Menopause die Bestimmung des Frakturrisikos notwendig. Dafür kann man einen Risikorechner wie FRAX (Fracture Risk Assessment Tool) verwenden und damit die 10-Jahres-Wahrscheinlichkeit für eine Fraktur berechnen. Eine Knochendichtemessung ist – auch ohne erhöhtes Risiko – bei Frauen ab 65 Jahren und bei Männern ab 70 Jahren indiziert.

Östrogene und Knochendichte

„Eine Knochendichtemessung ist keine Vorsorgeuntersuchung, weil echte Vorsorge nur mit einer Senkung der Inzidenz verbunden sein kann. Für ein erhöhtes Frakturrisiko braucht es auch nicht zwingend eine verminderte Knochendichte“, erklärte Priv.-Doz. Dr. Georg Pfeiler, Medizinische Universität Wien, Leiter der onkologischen Brustambulanz der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und der Ambulanz für Knochengesundheit, Wien. Mit Vitamin-D-Supplementation, ausreichender Kalziumzufuhr, Alkohol-, Kaffee- und Nikotinreduktion, Krafttraining, Sturzprävention, physikalischer Therapie und einer adäquaten Proteinzufuhr (1g/kg/Tag) kann jede Frau selbst etwas zur Gesunderhaltung des Knochens beitragen.

In der medikamentösen Prävention spielen Östrogene eine zentrale Rolle. Bei Absinken des Östrogen-Hormonspiegels vermindern sich normalerweise auch die Knochendichte und die Knochenqualität, und das Frakturrisiko steigt. Im PEPI-Trial1 zeigten Frauen nach der Menopause, denen ein Placebo verabreicht wurde, eine verminderte BMD („bone mineral density“) an Wirbelsäule und Hüfte, während sich bei Frauen, die einer Östrogenersatztherapie unterzogen wurden, die BMD über einen Zeitraum von 36 Monaten an klinisch wichtigen Stellen erhöhte. „Bei Frauen zwischen 45 und 65 kann man durch die Gabe von Östrogen den Abfall der Knochendichte tatsächlich verhindern. Je länger die Therapie anhält, desto besser, und es kann sogar zu einer Frakturrisikoreduktion im Sinne einer primären Prävention durch eine Hormonersatztherapie kommen“, sagt Pfeiler.

Osteoporoseschutz bei Brustkrebs

Die Behandlung von Brustkrebs kann oftmals mit einem Knochenverlust einhergehen und damit das Frakturrisiko erhöhen. Dafür können eine bilaterale Ovarektomie, eine Chemo- oder Strahlentherapie sowie eine Behandlung mit Glukokortikoiden, Aromatesehemmern oder GnRH-Agonisten ursächlich verantwortlich sein. In der ABCSG(Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group)-Studie 182, einer placebokontrollierten, doppelblinden und multizentrischen Phase-III-Studie an Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs, waren insgesamt 3425 Patientinnen eingeschlossen. Als Standardtherapie für postmenopausale Frauen mit diesem Typ von Brustkrebs werden Aromataseinhibitoren (AI) verabreicht, die jedoch ungünstige Auswirkungen auf die Knochendichte haben. Deshalb wurde in einem der Behandlungsarme der monoklonale Antikörper Denosumab zusätzlich zur antihormonellen Therapie eingesetzt. Es kam damit zu einer Verringerung der Inzidenz von klinischen Knochenbrüchen um 50% und zu einer generellen Verbesserung der Knochengesundheit ohne zusätzliche Nebenwirkungen. Bei einer Beendigung der Denosumab-Therapie kann es jedoch zu einem Wirkungsverlust mit einem Rückgang der Knochenmasse kommen, falls nicht begleitende medikamentöse Maßnahmen getroffen werden.

In einer ebenfalls im Lancet veröffentlichten, randomisierten Doppelblindstudie3 wurde Anastrozol versus Tamoxifen zur Vorbeugung von lokoregionalem und kontralateralem Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen mit lokal ausgeschnittenem Duktalkarzinom in situ (IBIS-II DCIS) verglichen. Primäres Ziel war die Senkung der Brustkrebsrate. Mit einem medianen Follow-up von 7,2 Jahren konnte zwischen den beiden Behandlungen ein signifikanter, wenn auch in absoluten Zahlen geringer Unterschied in der Zahl der Frakturen nachgewiesen werden (Anastrozol 9%, n=1449; Tamoxifen 7%, n=1489).

Veränderungen nach der Menopause

Da heute die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen bei 85 Jahren liegt, kommt es nach der Menopause sehr lange zu einem Zustand eines relativen Hormonmangels. Sexualhormone fungieren als „biologische Multifunktionäre“. Ein Mangel an Sexualhormonen beeinflusst neben dem Knochen- und Muskelstoffwechsel (Osteoporose, Sarkopenie) auch das vasomotorische System (Wallungen, nächtliches Schwitzen, starke Transpiration, Palpitationen, Tempoanomalien), das urogenitale System (vaginale Trockenheit und Schmerzhaftigkeit, Dyspareunie, Reizblase, Harnwegsinfekte), das kardiovaskuläre System (Lipidstoffwechsel, Insulinresistenz, Koagulation, Fibrinolyse, Endothelfunktion) und die Psychosomatik (Stimmungsveränderungen, Depression, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche).

Die WHI(Women’s Health Initiative)-Studie 20024 führte zu einer großen Verunsicherung bei Frauen und Ärzten, da es in einem Studienarm unter Hormontherapie zu einer Erhöhung des Risikos für Brustkrebs und kardiovaskuläre Erkrankungen gekommen war. „Viele Frauen brachen aus diesen Gründen die Hormontherapie ab“, berichtete Dr. Bernhard Svejda, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klagenfurt. In der WHI-Studie wurde die Kombination CEE (konjugierte equine Östrogene) mit dem synthetischen Gestagen MPA (Medroxyprogesteronacetat) und in einem zweiten Arm CEE alleine untersucht. Im CEE-alone-Arm wurde nur ein Anstieg der tiefen Venenthrombosen (+2,5%) festgestellt, bei allen anderen Nebenwirkungen (KHK, Schlaganfall, Brustkrebs, Darmkrebs, alle Krebsarten, alle Frakturen) zeigten sich nur positive Effekte. Auch die Brustkrebsrate ging zurück (–2,5%). Im CEE/MPA-Trial kam es zu einem Anstieg von tiefen Venenthrombosen, KHK, Schlaganfall und Brustkrebs.

In der WHI-Studie war das durchschnittliche Lebensalter der Frauen über 63 Jahre, 70–80% waren übergewichtig oder adipös, 69% Raucherinnen, 48% bzw. 34% hatten eine arterielle Hypertonie. Hitzewallungen galten aus Ausschlusskriterium und es wurden konjugierte Östrogene mit oder ohne MPA oral verabreicht. „Das korreliert in unseren Breiten nicht mit den Verschreibungsgewohnheiten bei symptomatischen menopausalen Frauen“, so Svejda. Im Laufe der letzten 10Jahre wurde diese Studie genauer evaluiert, mit der Erkenntnis, dass die Vorteile einer fachgerechten Hormontherapie größer sind als die Nachteile, vor allem bei symptomatischen Frauen ohne Risikofaktoren. Insgesamt kommt es zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität. Das optimale therapeutische Fenster liegt innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause.

„Die Ergebnisse der WHI-Studie beziehen sich auf ein Medikament, welches bei uns gar nicht mehr im Handel ist und in diesem Kollektiv heute auch nicht mehr verschrieben werden würde. Wir haben aber daraus gelernt und haben durch andere Substanzen, Dosierungen und verschiedene Applikationsformen der Hormontherapie andere Voraussetzungen“, erläuterte Svejda. Die menopausale Hormontherapie (MHT) heute sei nicht vergleichbar mit der Hormonbehandlung vor 20 Jahren, trotzdem „erschreckt sie wie ein Zombie noch heute Frauen und Ärzte“, so Svejda.

Therapieformen und Substanzauswahl

Wie in vielen weiteren Studien gezeigt werden konnte, kommt es in puncto MHT und ernsthafter Nebenwirkungen auf die Verwendung der richtigen Substanzen an. Im Portfolio befinden sich Östrogene (Östradiol, Östriol), Progestogene (Dydrogesteron, Norethisteron, Norgestrol, Progesteron) und Androgene (DHEA). Darüber hinaus sind unterschiedliche Kombinationen (z.B. Östradiol+Dydrogesteron), unterschiedliche Regime (zyklisch, kontinuierlich), unterschiedliche Dosierungen (high und low dose) und unterschiedliche Applikationsformen (oral, transdermal, vaginal) möglich.

In den NICE-Guidelines 20155 über Diagnose und Management der Menopause wurde festgehalten, dass das Risiko für eine venöse Thrombose bei oraler Gabe ansteigt und bei transdermaler Anwendung wesentlich geringer ist. Das Brustkrebsrisiko über 5 Jahre für Frauen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren lag im CEE-alone-Arm bei 19 pro 1000, im CEE/MPA-Arm bei 27 pro 1000 (Allgemeinbevölkerung: 23/1000).

In der „Danish osteoporosis prevention study“ (DOPS)6 zeigte sich nach 10-jähriger randomisierter Behandlung von relativ jungen Frauen zwischen 50 und 60 Jahren, die eine Hormonersatztherapie erhielten, ein signifikant verringertes Risiko für Mortalität, Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt, ohne dass das Risiko für Krebs, venöse Thromboembolien oder Schlaganfälle anstieg.

In der KEEPS(Kronos Early Estrogen Prevention)-Studie7 wurde ebenfalls auf den Benefit der transdermalen Anwendung von Östrogenen hingewiesen. Hinsichtlich Osteoprotektion ist sie der oralen Anwendung ebenbürtig, bringt aber keine Erhöhung des Thrombose-, Schlaganfall- und Brustkrebsrisikos.

Fazit

Innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause sind keine Nachteile durch eine Hormontherapie für Frauen nachzuweisen, diese könnten im Hinblick auf kardiovaskuläre Risiken sogar profitieren. „Das erhöhte Brustkrebsrisiko unter MHT ist in erster Linie auf die zur Östrogentherapie zusätzlich verabreichten Gestagene und die Anwendungsdauer zurückzuführen“, erklärt Svejda. Progesteron und Dydrogesteron (ein Derivat des Progesterons, das aus diesem durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht synthetisert wird und daher eine sehr ähnliche Wirkung hat) scheinen ein geringeres Brustkrebsrisiko zu haben als synthetisches Gestagen und könnten laut Svejda die erste Behandlungslinie sein.

Bei der MHT handelt es sich um die effektivste Behandlung von klimakterischen Beschwerden. Die Verbesserung einer wegen Östrogenmangels beeinträchtigten Lebensqualität und Prävention und Therapie der Osteoporose bei Frauen mit einem erhöhten Frakturrisiko sind evident. Innerhalb eines „therapeutischen Zeitfensters“ und fachgerecht angewendet ist die MHT wirksam und sicher. Dabei weisen die Verwendung von Progesteron bzw. Dydrogesteron und die transdermale Anwendung von Östradiol das günstigste Wirkungsprofil auf. „Eine individuelle Aufklärung und begleitende Betreuung sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung der oft schwer betroffenen Frauen. Sie werden es ihnen aber danken“, so Svejda.

28. Osteoporoseforum, 15.–17. Oktober 2020, St. Wolfgang

1 JAMA 1996; 276(17): 1389-96 2 Gnant M et al.: Lancet 2015; 386(9992): 433-43 3 Forbes JF et al.: Lancet 2016; 387: 866-73 4 Manson JE, Kaunitz AM: N Engl J Med 2016; 374(9): 803-6 5 NICE guideline: Menopause: diagnosis and management. Published 12. November 2015 (update 2019); www.nice.org.uk/guidance/ng23 6 Schierbeck LL: BMJ 2012; 345: e6409 7 Miller VM et al.: Menopause 2019; 26(9): 1071-84

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