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«Heisse Eisen» der Hormonersatztherapie im Fokus

<p class="article-intro">Wie werden Frauen mit schweren Wechseljahrbeschwerden und einer kardiovaskulären Erkrankung am besten behandelt? Und wie beeinflusst eine Hormonersatztherapie das Brustkrebsrisiko? Diese Fragen erörterten Prof. Dr. med. Petra Stute, Bern, und Prof Dr. med. Eberhard Windler, Hamburg, im Schwerpunktthemenblock «Hormonersatztherapie» am Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) in Interlaken.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die menopausale Hormontherapie (MHT) ist bei klimakterischem Syndrom indiziert und kontraindiziert nach vaskul&auml;ren Ereignissen und Mammakarzinom. &laquo;Im Alltag w&uuml;rden wir dennoch gelegentlich gern schwere menopausale Beschwerden auch bei Frauen nach einem kardiovaskul&auml;ren Ereignis mit Hormonen behandeln&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Eberhard Windler, Internist und Co-Direktor des Medizinischen Pr&auml;ventionCentrums Hamburg. Der Experte er&ouml;rterte deshalb einige Fakten, die es bei einem &laquo;Offlabel &raquo;-Einsatz in Kombination zu bedenken gibt.<br /> Bei postmenopausalen Patientinnen zwischen 50 und 60 Jahren zeigt die WHI-Studie unter &Ouml;strogenmonotherapie eine Tendenz zu einer geringeren Zahl an kardiovaskul&auml;ren Ereignissen und bei Patientinnen mit Uterus und einer kombinierten &Ouml;strogen-/Gestagen-Therapie einen neutralen Effekt.<sup>1</sup> &laquo;Doch das Risiko steigt mit zunehmendem Alter an und ist bei Frauen nach einem kardialen Ereignis, also bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit, im ersten Jahr nach Beginn einer Hormontherapie deutlich erh&ouml;ht&raquo;, sagte Prof. Windler.<sup>2</sup> In der WHI hatten insbesondere Frauen mit einem metabolischen Syndrom ein erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko.<sup>3</sup> Ein geringeres Risiko, ohne den Risikoanstieg zu Beginn einer MHT, hatten dagegen Patientinnen, die zus&auml;tzlich zu den Hormonen ein Statin &ndash; Hinweis auf eine bessere Versorgung bez&uuml;glich ihres kardiovaskul&auml;ren Risikoprofils &ndash; einnahmen.<sup>4</sup> &laquo;Vor Beginn einer Hormontherapie sollten wir deshalb immer alle Risikofaktoren gut abkl&auml;ren und behandeln&raquo;, betonte der Professor.</p> <h2>Das Problem sind Thrombosen und Schlaganf&auml;lle</h2> <p>Bei Frauen, die unter einer MHT einen Myokardinfarkt erleiden, empfehlen die kardiologischen Gesellschaften, die Hormone sofort abzusetzen. &laquo;Doch dazu besteht keine Evidenz&raquo;, so der Referent. In einer Studie beispielswiese hatten unter 114 724 Frauen im Alter von &uuml;ber 55 Jahren, die mit einem Herzinfarkt in ein amerikanisches Krankhaus eingeliefert wurden, diejenigen eine geringere Mortalit&auml;t, die ihre MHT weiter einnahmen.<sup>5</sup> &laquo;Von den Daten her k&ouml;nnte man also Frauen nach einem Myokardinfarkt besser weiter unter der MHT belassen&raquo;, erkl&auml;rte der Professor.<br /> Nicht wegzudiskutieren ist jedoch das deutlich erh&ouml;hte Risiko f&uuml;r Thrombose und Schlaganfall.<sup>6, 7</sup> &laquo;Das Thromboembolierisiko ist zu Beginn einer MHT-Therapie um das Vierfache erh&ouml;ht und ist auch nach dem ersten Behandlungsjahr um das Zweifache erh&ouml;ht&raquo;, betonte der Experte. Allerdings haben Frauen nur unter einer oralen MHT ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Thrombosen und Schlaganfall, nicht aber bei einer transdermalen Applikation, wenn die Standarddosis nicht &uuml;berschritten wird. Die transdermale MHT ist deshalb gem&auml;ss Prof. Windler insbesondere bei Risikopatientinnen klar vorzuziehen.</p> <h2>Hormonersatztherapie und Mammakarzinomrisiko</h2> <p>Viele menopausale Frauen haben grosse Angst vor einem Mammakarzinom, da das Brustkrebsrisiko mit zunehmendem Alter steigt (Tab. 1).<sup>8</sup> Wie Prof. Dr. med. Petra Stute, Spezialistin f&uuml;r gyn&auml;kologische Endokrinologie und Leitende &Auml;rztin an der Frauenklinik in Bern, ausf&uuml;hrte, hat zum Beispiel eine 50-j&auml;hrige Frau allein aufgrund ihres Altersprofils ein Brustkrebsrisiko von 1,3 % . Dies bedeutet in absoluten Zahlen: 13 von 1000 Frauen im Alter von 50 Jahren erhalten in den n&auml;chsten f&uuml;nf Jahren die Diagnose Brustkrebs, wie die Referentin ausf&uuml;hrte. Nehmen die Frauen noch eine kombinierte MHT ein, steigt das Risiko um den Faktor 1,24 an. &laquo;Das bedeutet, dass 16 von 1000 50-j&auml;hrigen Frauen unter einer MHT in den kommenden 5 Jahren eine Brustkrebsdiagnose erhalten, 3 mehr als ohne MHT&raquo;, erkl&auml;rte Prof. Stute. Allerdings steige das Brustkrebsrisiko nur unter einer kombinierten MHT an, nicht aber unter einer reinen &Ouml;strogentherapie.<br /> In ihrem weiteren Vortrag zeigte die Professorin an Patientenf&auml;llen auf, was eine MHT in Kombination mit weiteren Risikofaktoren in Bezug auf das Brustkrebsrisiko f&uuml;r die einzelne Patientin bedeutet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s6_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="824" /></p> <h2>Brustkrebs bei einem Verwandten ersten Grades</h2> <p>Der erste Fall betraf eine 50-j&auml;hrige Frau mit Hitzewallungen, deren Mutter im Alter von 60 Jahren an Brustkrebs erkrankt ist. Wie Prof. Stute sagte, erh&ouml;ht Brustkrebs bei einem Verwandten ersten Grades das Mammakarzinom-Risiko um 2,6. &laquo;Unter Ber&uuml;cksichtigung der Alterskategorie bekommen somit 34 von 1000 Frauen im Alter von 50 Jahren, die famili&auml;r vorbelastet sind, in den n&auml;chsten 5 Jahren die Diagnose Brustkrebs gestellt, 21 mehr als bei Frauen ohne famili&auml;re Vorbelastung&raquo;, sagte die Professorin. Wie die WHI-Studie und deren Subanalysen zeigen, erh&ouml;ht jedoch eine MHT das Brustkrebsrisiko bei famili&auml;r vorbelasteten Frauen h&ouml;chstens marginal.<sup>9</sup> Die famili&auml;re Vorbelastung durch die Mutter stelle f&uuml;r die Patientin im Fallbeispiel somit kein Hindernis dar, eine MHT einzunehmen.</p> <h2><em>BRCA</em>-Mutation und beidseitige Salpingo-Oophorektomie</h2> <p>Im zweiten Fall ging es um eine 38-j&auml;hrige Patientin mit <em>BRCA</em>1-Mutation, die selbst nicht an Brustkrebs erkrankt ist, intakte Br&uuml;ste hat und jetzt pr&auml;ventiv eine Salpingo-Oophorektomie (BSO) bekommen soll. &laquo;In dieser Situation stellt sich die Frage, ob nach einer BSO eine MHT das Mammakarzinomrisiko erh&ouml;ht&raquo;, so die Expertin. Die Studien, die diese Fragestellungen untersucht haben, zeigen: Eine BSO senkt das Brustkrebsrisiko bei Mutationstr&auml;gerinnen &ndash; unabh&auml;ngig von einer MHT &ndash; um 60 % .<sup>10</sup> Die Daten weisen zudem keine Erh&ouml;hung des Mammakarzinomrisikos nach einer BSO durch eine MHT aus.<sup>11</sup> &laquo;Die Patientin im Fallbeispiel muss also nach der Eierstockentfernung wegen des Brustkrebsrisikos nicht auf Hormone verzichten&raquo;, so das Fazit von Prof. Stute. Dies entspricht auch den Empfehlungen der ESHRE 2016.</p> <h2>Hormone bei erh&ouml;hter mammografischer Brustdichte</h2> <p>Als drittes Beispiel pr&auml;sentierte Prof. Stute den Fall einer 52-j&auml;hrigen Patientin mit einer mammografisch erh&ouml;hten Brustdichte (MBD) und diskutierte anschliessend die Frage, ob in dieser Situation eine MHT das Brustkrebsrisiko weiter erh&ouml;ht. Daten dazu liefert eine Fall-Kontroll-Analyse zur WHI-Studie.<sup>12</sup> Diese zeigt:</p> <ul> <li>Jede MBD-Erh&ouml;hung um 1 % erh&ouml;ht das Mammakarzinomrisiko um 1 % .</li> <li>Ohne Hormone ver&auml;ndert sich die MBD innerhalb eines Jahres nicht oder sie nimmt tendenziell um 0,05 % leicht ab.</li> <li>Unter einer kombinierten MHT mit konjugierten &Ouml;strogenen und Medroxyprogesteronacetat (CEE+MPA) erh&ouml;ht sich die MBD in einem Jahr im Schnitt um 9,73 % .</li> <li>Vom erh&ouml;hten Brustkrebsrisiko besonders betroffen sind Frauen unter einer MHT mit einer niedrigen MBD zu Therapiebeginn, die sich im Verlauf besonders stark erh&ouml;ht.</li> <li>Keinen Effekt auf das Brustkrebsrisiko hat eine MHT bei Frauen, die zu Therapiebeginn bereits eine erh&ouml;hte MBD hatten.</li> <li>Am st&auml;rksten betroffen von einer Risikoerh&ouml;hung sind die Frauen, die unter einer MHT den gr&ouml;ssten Zuwachs an MBD gehabt haben; die Signifikanz ist jedoch abh&auml;ngig von der St&auml;rke der MBD-Zunahme.</li> </ul> <p>&laquo;Im Fallbeispiel ist also damit zu rechnen, dass eine kombinierte MHT zwar die MBD, nicht aber das Mammakarzinomrisiko weiter signifikant erh&ouml;ht, da die Patientin bereits zu Beginn der Therapie eine erh&ouml;hte Brustdichte hatte&raquo;, sagte Prof. Stute. Anders verhalte es sich allerdings bei Frauen, bei denen sich die MBD erst im Verlauf einer MHT erh&ouml;ht. &laquo;In dieser Situation kann sich das Risiko bei einer grossen MBD-Zunahme signifikant erh&ouml;hen&raquo;, so die Referentin. Steige es deutlich an, so empfehlen die Studienautoren eine Reevaluation der MHT. Wie Daten zeigen, scheinen bioidentische Hormone (&Ouml;stradiol + mikronisiertes Progesteron) etwas brustfreundlicher zu sein als synthetische.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGGG-Jahreskonferenz, Session über menopausale Hormontherapie, 27. Juni 2018, Interlaken </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Manson JE et al.: Estrogen plus progestin and the risk of coronary heart disease. NEJM 2003; 349: 523-534 <strong>2</strong> Schierbeck LL et al.: Effect of hormone replacement therapy on cardiovascular events in recently postmenopausal women: randomised trial. BMJ 2012; 345 <strong>3</strong> Wild RA et al.: Coronary heart disease events in the WHI hormone. Menopause 2013; 20(3): 254-260 <strong>4</strong> Blackely J A: H eart and estrogen/progestin replacement study (HERS): hormone replacement therapy produced harm, consistent with the observational data. Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study (HERS): AHA 2000 <strong>5</strong> Tackett AH et al.: Hormone replacement therapy among postmenopausal women presenting with acute myocardial infarction: Insights from the GUSTO-III trial. AHJ Oct 2010; 160(4): 678-683 <strong>6</strong> Cushman M et al.: Estrogen plus progestin and risk of venous thrombosis. JAMA 2004; 292(13): 1573- 1580 <strong>7</strong> Wassertheil-Smoller S et al.: Effect of estrogen plus progestin on stroke in postmenopausal women: The Women's Health Initiative: a randomized trial. JAMA 2003; 289(20): 2673-2684 <strong>8</strong> National Institutes of Health: Breast Cancer Risk Assessment Tool. Available at www. cancer.gov/bcrisktool <strong>9</strong> Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer: Familial breast cancer: Collaborative reanalysis of individual data from 52 epidemiological studies including 58209 women with BC and 101986 women without the disease. Lancet 2001; 358(9291): 1389-1399 <strong>10</strong> Rebbeck TR et al.: Effect of short-term hormone replacement therapy on breast cancer risk reduction after bilateral prophylactic oophorectomy in BRCA1 and BRCA2 mutation carriers: the PROSE Study Group. J Clin Oncol 2005; 23(31): 7804-7810 <strong>11</strong> Domchek SM et al.: Is hormone replacement therapy (HRT) following risk-reducing salpingo-oophorectomy (RRSO) in BRCA1 (B1)- and BRCA2 (B2)-mutation carriers associated with an increased risk of breast cancer? J Clin Oncol 2011; 29(15): 1501-1501 <strong>12</strong> Byrne C et al.: Mammographic density change with estrogen and progestin therapy and breast cancer risk. JNCI 2017; 109(9). doi: 10.1093/jnci/djx001 <strong>13</strong> Stute P et al.: Multinational multicenter open-label randomized controlled parallel trial comparing vaginal nonhormonal moisturizing cream to vaginal estriol cream in postmenopausal women with vaginal dryness: oral presentation on SGGG Congress 2018, Interlaken <strong>14</strong> Stute P et al.: Effect of CIMIcifuga racemosa on metaBOLIC parameters in women with menopausal symptoms &ndash; a retrospektive cohort study (CIMBOLIC Studie): oral presentation on SGGG Congress 2018, Interlaken</p> </div> </p>
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