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Gewalt (k)ein Thema der Frauenheilkunde?

<p class="article-intro">Frauen machen – viel mehr noch als Männer – Gewalterfahrungen. Schätzungen zufolge ist jede 5. Frau in Österreich von Gewalt betroffen. Gewalt ist ein die Gesundheit beeinträchtigender Faktor. Sie wird in verschiedenen Kontexten und Beziehungen erlebt. Und: Frauen sind in verschiedenen Lebenssituationen besonders vulnerabel, zum Beispiel während der Schwangerschaft und unter der Geburt. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>In den letzten Monaten ist Gewalt unter der Geburt auch in &Ouml;sterreich zum Thema geworden.<br />Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2014) definiert Gewalt in der Geburtshilfe als &bdquo;Handlungen und Vorg&auml;nge, die sich w&auml;hrend der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett negativ beeinflussend, ver&auml;ndernd oder sch&auml;digend auf Frauen und ihre Kinder auswirken&ldquo;. Die WHO fordert ausdr&uuml;cklich das Recht von Frauen auf eine w&uuml;rde- und respektvolle Behandlung sowie k&ouml;rperliche Unversehrtheit unter der Geburt ein. Selbstverst&auml;ndlich ist es ein Grundrecht der Geb&auml;renden, dass vor jedem Eingriff ihr &bdquo;informed consent&ldquo; eingeholt wird. Sie kann auch jederzeit die Behandlung verweigern.</p> <h2>Quellen und Inhalt</h2> <p>Zur Gewalt unter der Geburt gibt es keine Studien, aber zunehmend Einzelfallberichte von betroffenen Frauen wie auch Hebammen &ndash; vor allem Hebammenstudentinnen. Die Installierung des sogenannten &bdquo;Roses Revolution Day&ldquo; am 25. November jedes Jahres, an dem Betroffene, die im Krei&szlig;saal Gewalterfahrungen gemacht haben, Rosen vor die Krei&szlig;saalt&uuml;re legen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, zeigt, dass Gewalt ein Thema ist, dem sich auch die Frauenheilkunde stellen muss &ndash; in einer differenzierten Herangehensweise unter Beachtung der besonderen Situation der Geburt.</p> <h2>Was bedeutet Gewalt unter der Geburt?</h2> <p>In B&uuml;chern von Betroffenen zu diesem Thema und in Internetforen werden dazu folgende Angaben gemacht: unn&ouml;tig h&auml;ufige Untersuchungen, Kristeller-Handgriff, unn&ouml;tige Einleitung einer Geburt, unn&ouml;tig gro&szlig;e Schnittf&uuml;hrungen, enges Vern&auml;hen einer Episiotomie, forcierte Gewinnung der Plazenta, Bewegungseinschr&auml;nkung unter der Geburt und vor allem Eingriffe, die medizinisch nicht notwendig sind. Immer wieder wird auf die in &Ouml;sterreich und Deutschland hohe Sectiorate von &uuml;ber 30 % hingewiesen. Sie steht pars pro toto f&uuml;r alle weiteren die physiologische Geburt st&ouml;renden unn&ouml;tigen Interventionen. <br />Als Hintergr&uuml;nde werden die Technisierung der Geburtshilfe, die allzu rasche Definition einer Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft, die mangelnde Aufkl&auml;rung und die Verweigerung des Rechtes, nein zu sagen, angef&uuml;hrt. Ein medizinischer Eingriff ohne medizinischen Mehrwert wird als gewaltsamer &Uuml;bergriff definiert. <br />Als aktuelle Ursachen werden finanzielle Anreize, Personalmangel (keine 1-zu-1-Betreuung, auf eine Geb&auml;rende kommt nicht eine Hebamme), mangelnde Geb&auml;rbeziehungen (Begleithebamme, Doula) und Forensik im Sinne von Defensivmedizin beschrieben.<br />Gewalt im Krei&szlig;saal und unter der Geburt ist traumatisierend f&uuml;r M&uuml;tter, Kinder und V&auml;ter, aber auch f&uuml;r das geburtshilfliche Personal sowie f&uuml;r eine gesamte &bdquo;geburtsvergessene&ldquo; Gesellschaft. M&uuml;tter und V&auml;ter k&ouml;nnen mit Versagens&auml;ngsten, posttraumatischen Belastungsst&ouml;rungen, postpartalen Depressionen samt Still- und Bondingproblemen sowie sekund&auml;rer Sterilit&auml;t und einer gesteigerten Nachfrage nach Wunschsectiones nach traumatisierender Geburt reagieren.<br />Um dem Rechnung zu tragen bzw. &bdquo;gewaltsame &Uuml;bergriffe&ldquo; im Krei&szlig;saal zu verhindern, gibt es Empfehlungen der WHO in 16 Punkten &ndash; unter dem Motto &bdquo;Geburt ist keine Krankheit&ldquo;. (Diese Empfehlungen sind Teil des im April 1985 ver&ouml;ffentlichten Berichtes &bdquo;Appropriate Technology for Birth&ldquo; der Weltgesundheitsorganisation.) <br />Insgesamt werden nach Durchsicht der vielf&auml;ltigen Beitr&auml;ge, B&uuml;cher und Diskussionen in Internetforen folgende Erfahrungen als traumatisierend angesehen:</p> <ul> <li>Unter- wie &Uuml;berversorgung</li> <li>Verletzung der Intimsph&auml;re</li> <li>Allein gelassen werden unter der Geburt</li> <li>Mangelnde Aufkl&auml;rung</li> <li>Mangelnde Nachbereitung traumatisierender Erfahrungen</li> </ul> <h2>&nbsp;</h2> <p>&nbsp;</p> <h2>Was k&ouml;nnen wir daraus lernen?</h2> <p>Was lernen wir als Geburtshelferinnen und Geburtshelfer aus dieser oft auch mehr emotional als differenziert gef&uuml;hrten Debatte f&uuml;r eine Frauenheilkunde, die sich der Gesundheit ihrer schwangeren Frauen und deren Kindern verpflichtet f&uuml;hlt?</p> <ul> <li>Die Geburt als physiologischen Vorgang zu respektieren und &ndash; wo immer medizinisch verantwortbar &ndash; die Chance auf eine Spontangeburt zu erm&ouml;glichen. Keine Intervention ohne medizinische Indikation.</li> <li>Geb&auml;rende mit Respekt und Feinf&uuml;hligkeit zu begleiten und ein positives Geburtserlebnis zu erm&ouml;glichen. Unter einer psychosomatisch orientierten Geburt ist zu verstehen, dass jede Geb&auml;rende ihre Erfahrungen aus ihrem bisherigen Leben in die Geburt einbringt und diese ihr Geburtserleben beeinflussen. So gehen auch die Vorstellungen zu einer &bdquo;idealen Geburt&ldquo; weit auseinander.</li> <li>Aber auch nicht &bdquo;das Kind mit dem Bade auszusch&uuml;tten&ldquo;: Eine gelungene Geburt ist eine sichere Geburt. Die Medizin hat &ndash; was die Sterblichkeit von M&uuml;ttern und Kindern wie auch nachhaltige negative Folgen f&uuml;r deren Gesundheit betrifft &ndash; gro&szlig;e Fortschritte gemacht. Dies sollte nicht unterbewertet werden und in einen therapeutischen Nihilismus f&uuml;hren. Auch gehen viele Frauen mit besonderen Vorbedingungen in die Geburt, die medizinische Betreuung erfordern, um Schaden von den M&uuml;ttern und ihren Kindern abzuwenden. Die Debatte ist differenziert zu f&uuml;hren.</li> <li>Eine frauenfreundliche Gesundheitspolitik erlaubt keine Unterfinanzierung der Geburtshilfe, sondern schafft Strukturen, die Frauen ebenso wie dem sie betreuenden Personal eine Geburtshilfe &bdquo;so nat&uuml;rlich wie m&ouml;glich, so sicher wie n&ouml;tig&ldquo; und das Zugrundelegen eines biopsychosozialen Modells mit Beachtung der Bed&uuml;rfnisse von Geb&auml;renden erm&ouml;glichen.</li> </ul></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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