© Getty Images/iStockphoto

Schwanger trotz Krebs

Fruchtbarkeitserhaltende Therapien bei Brustkrebs

<p class="article-intro">Die Diagnose Brustkrebs ändert das Leben einer Frau von einem Moment auf den anderen: Operation, meist noch belastende Chemo- oder Strahlentherapie, und die Lebensplanung wird völlig durcheinandergebracht. Die Therapie kann die Eierstöcke so schädigen, dass die Frau keine Kinder mehr bekommen kann. Während sich bei Männern mit Krebs Spermien oder Hodengewebe relativ leicht einfrieren und so vor einer schädigenden Therapie schützen lassen, ist die Fertilitätsprotektion bei Frauen schwieriger. Am Kongress der International Society for Fertility Preservation im November 2017 in Wien berichtete Prof. Dr. med. Michael von Wolff, Bern, wie man Frauen mit Brustkrebs und Kinderwunsch richtig berät und welche Technik für welche Frau die beste ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Prognose von Brustkrebs hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm verbessert, sodass viele Frauen fast eine normale Lebenserwartung haben. 4&ndash;5 % der Patientinnen sind bei der Diagnose j&uuml;nger als 40 Jahre und damit noch im geb&auml;rf&auml;higen Alter. In der Schweiz entspricht das etwa 280 Patientinnen pro Jahr.<sup>1</sup> Damit jeder Gyn&auml;kologe und Onkologe im deutschsprachigen Raum Frauen mit Krebs und Kinderwunsch gut beraten kann, hat Prof. von Wolff vor mehr als zehn Jahren gemeinsam mit Kollegen das Netzwerk <em>Ferti</em>PROTEKT e.V. gegr&uuml;ndet (www.fertiprotekt.com). Bei etwa vier von zehn Beratungen bei <em>Ferti</em>PROTEKT geht es um Brustkrebs.<sup>1</sup><br /> &laquo;Jeder Patientin soll man empfehlen, sich m&ouml;glichst fr&uuml;h in einem Zentrum f&uuml;r Reproduktionsmedizin vorzustellen&raquo;, sagte Prof. von Wolff in Wien. &laquo;Je fr&uuml;her, desto besser. So haben wir gen&uuml;gend Zeit, um fertilit&auml;tsprotektive Massnahmen durchzuf&uuml;hren.&raquo; Melden k&ouml;nne sich die Frau auch schon, sobald das Staging abgeschlossen ist. Anhand eines Algorithmus erkl&auml;rte der Endokrinologe, wie man praktisch vorgeht (Abb. 1). Es ist zu kl&auml;ren, ob die Frau noch jung genug ist, um bei ihr eine fruchtbarkeitserhaltende Therapie durchzuf&uuml;hren &ndash; das ist bis zu einem Alter von 40 Jahren der Fall. &laquo;Schwieriger ist es, die Prognose einzusch&auml;tzen &raquo;, erkl&auml;rte er, &laquo;denn dabei spielen so viele Faktoren eine Rolle.&raquo; Die Prognose h&auml;ngt von Alter, Tumorstadium, dem histologischen Subtyp und der genetischen Klassifikation ab. Die 10-Jahres&Uuml;berlebensrate aller Brustkrebsarten betr&auml;gt 86 % , Frauen unter 35 Jahren haben aber eine schlechtere Prognose, denn sie erkranken &ouml;fter an aggressiven Tumoren oder solchen mit ung&uuml;nstigem genetischem Subtyp.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1801_Weblinks_lo_gyn_1801_s43_abb1_kor.jpg" alt="" width="1424" height="1304" /></p> <h2>Krankenkassen zahlen nicht</h2> <p>Mit fortschreitendem Stadium verschlechtert sich die Prognose drastisch: Frauen unter 40 mit einem Stadium II, III oder IV haben eine Mortalit&auml;tsrate von 20 % , 44 % bzw. 66 % .<sup>2</sup> Der genetische Subtyp spielt eine weitere Rolle: Ein tripelnegatives Mammakarzinom oder ein Luminal- B-Typ haben beispielsweise eine schlechtere Prognose als ein Luminal-ATyp. Als dritten Schritt sch&auml;tzt Prof. von Wolff das Risiko f&uuml;r eine Infertilit&auml;t ein. &laquo;Das Risiko einer vorzeitigen ovariellen Insuffizienz h&auml;ngt wesentlich vom Alter der Patientin und dem Behandlungsregime ab&raquo;, so der Referent. Nach dem klassischen sechsmonatigen CMF-Schema haben 33 % der Frauen unter 40 Jahren und 81 % der Frauen &uuml;ber 40 Jahre eine Amenorrh&ouml;.<sup>3</sup> Bei neueren Chemotherapieregimen wie AC, ACT, FAC oder FACT sind es deutlich weniger: Frauen unter 30 Jahren haben ein Risiko f&uuml;r eine Amenorrh&ouml; von 10&ndash;20 % , bei den &uuml;ber 30-J&auml;hrigen liegt es bei 13&ndash;68 % .<sup>4</sup></p> <p>F&uuml;r fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen stehen verschiedene Techniken zur Verf&uuml;gung, die einzeln oder in Kombination vor Beginn einer Chemo- und/oder Strahlentherapie angewendet werden: Die Eierst&ouml;cke k&ouml;nnen mit GnRH-Agonisten &laquo;ruhig gestellt&raquo; werden, Eizellen k&ouml;nnen gewonnen und unbefruchtet oder befruchtet eingefroren, oder es kann Eierstockgewebe entnommen und eingefroren werden. &laquo;Welche Massnahme infrage kommt, h&auml;ngt ab von der Ovartoxizit&auml;t, der Dauer der Chemotherapie, der ovariellen Reserve und dem Sicherheitsbed&uuml;rfnis der Patientin &raquo;, so Prof. von Wolff. Nicht zuletzt spiele auch das Finanzielle eine Rolle: &laquo;Die Krankenkassen &uuml;bernehmen fertilit&auml;tserhaltende Massnahmen in der Regel nicht.&raquo;<br /> GnRH-Agonisten sollten idealerweise eine halbe bis eine Woche vor Beginn der Chemotherapie verabreicht werden. Die Medikamente k&ouml;nnen das Risiko f&uuml;r eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz senken,<sup>5</sup> aber ein langfristiger Effekt, d.h. &uuml;ber f&uuml;nf bis sieben Jahre nach der Chemotherapie, ist bisher nicht nachgewiesen.<sup>6</sup> GnRH-Agonisten sind gem&auml;ss bisheriger Datenlage sicher: Bei hormonrezeptorpositiven Frauen beeinflussen sie das rezidivfreie &Uuml;berleben nicht, bei hormonrezeptornegativen Frauen verl&auml;ngern sie es sogar.<sup>7</sup></p> <h2>Wenig Zeit: Kryokonservierung</h2> <p>Durch ovarielle Stimulation und Follikelpunktion lassen sich Oozyten gewinnen, die unfertilisiert oder fertilisiert kryokonserviert werden k&ouml;nnen. &laquo;Dank neuer Protokolle k&ouml;nnen wir jetzt unabh&auml;ngig vom Zyklustag der Patientin jederzeit anfangen zu stimulieren&raquo;, sagte Prof. von Wolff. &laquo;So brauchen wir nur noch maximal zwei Wochen.&raquo; Mit Antagonisten und einer Ovulationsinduktion mit GnRHAgonisten k&ouml;nnen heute zudem ovarielle &Uuml;berstimulationen vermieden werden, die fr&uuml;her noch zu einer Verschiebung der Chemotherapie gef&uuml;hrt h&auml;tten. Die Geburtenchance betr&auml;gt pro einmaliger Stimulation und Kryokonservierung von Oozyten bei Frauen unter 35 Jahren im Schnitt rund 30&ndash;40 % .<sup>8, 9</sup> Bei Frauen &uuml;ber 35 Jahre scheint eine Stimulation mit Kryokonservierung von Oozyten effektiver zu sein als Kryokonservierung von Ovargewebe. F&uuml;r Frauen unter 35 Jahren kommt sowohl eine Stimulation infrage als auch eine Kryokonservierung von Ovargewebe, weil sie in der Regel eine hohe Ovarialreserve und eine hohe Follikeldichte haben. &laquo;Die Technik ist auch geeignet, wenn wir nur eine halbe Woche Zeit haben bis zum Beginn der Chemotherapie &raquo;, erkl&auml;rte Prof. von Wolff. &laquo;Denn eine Stimulation mit Eizellentnahme dauert mit etwa zwei Wochen dann zu lange.&raquo; Etwa eine von drei Patientinnen mit Kryokonservierung von Ovargewebe wird gem&auml;ss neuesten <em>Ferti</em>PROTEKT-Zahlen schwanger,<sup>10</sup> die besten Chancen haben Frauen unter 35 Jahren. Die einzelnen Methoden k&ouml;nnen auch kombiniert werden, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erh&ouml;hen. &laquo;Hierbei ist es von Vorteil, eine gewisse Reihenfolge einzuhalten &raquo;, erkl&auml;rte der Referent. &laquo;Das heisst, zuerst entnehmen wir Ovargewebe, ab dem zweiten postoperativen Tag k&ouml;nnen wir stimulieren und am Tag der Follikelpunktion geben wir GnRH-Agonisten.&raquo;<br /> So sch&ouml;n die Geburt eines Wunschkindes ist: So manch eine Frau sorgt sich, ob sich die Schwangerschaft negativ auf ihre Brustkrebserkrankung auswirkt. Bei Frauen mit nodal-negativem Befund scheint eine Schwangerschaft die Brustkrebsmortalit&auml;t sogar leicht zu senken, bei Frauen mit nodal-positivem Befund allerdings nicht.<sup>11</sup> &laquo;Vielleicht ist das Immunsystem bei Schwangeren im Sinne einer besseren Tumorabwehr aktiviert&raquo;, mutmasst Prof. von Wolff. &laquo;Viel wichtiger f&uuml;r die Prognose bleiben aber die histologischen und genetischen Eigenschaften des Tumors. Sprechen diese f&uuml;r eine gute Prognose, steht auch bei Krebspatientinnen einem Wunschkind mehrere Jahre nach der Krebserkrankung nichts im Wege.&raquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 5<sup>th</sup> World Congress of the International Society for Fertility Preservation, 16.–18. November 2017, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> von Wolff M et al.: Reprod Biomed Online 2015; 31: 605- 612 <strong>2</strong> Gnerlich JL et al.: J Am Coll Surg 2009; 208: 341-347 <strong>3</strong> Goldhirsch A et al.: Ann Oncol 1990; 1: 183-188 <strong>4</strong> Sukumvanich P et al.: Cancer 2010; 116: 3102-3111 <strong>5</strong> Senra JC et al.: Ultrasound Obst Gynecol 2018; 51: 77-86 <strong>6</strong> Demeestere I et al.: J Clin Oncol 2016; 34: 2568-2474 <strong>7</strong> Regan MM et al.: Ann Oncol 2017; 28: 2225-2232 <strong>8</strong> Alvarez RM, Ramanathan P: Hum Reprod 2016; [epub ahead of print] <strong>9</strong> Lawrenz B et al.: Fertil Steril 2010; 94: 2871-2873 <strong>10</strong> Van der Ven H et al.: Hum Reprod 2016; 31: 2031-2041 <strong>11</strong> Azim HA et al.: Eur J Cancer 2011; 47: 74-83 <strong>12</strong> von Wolff M, Seitz S: Fertilit&auml;tserhalt bei gonadotoxischen Therapien. FORUM 2017; 32: 126-133</p> </div> </p>
Back to top