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Adipositas, Präeklampsie und Gestationsdiabetes

Das metabolische Syndrom in der Betreuung von Hochrisikoschwangerschaften

<p class="article-intro">Das metabolische Syndrom, bisher meist als entscheidender Risikofaktor für Erkrankungen arterieller Gefäße, insbesondere der koronaren Gefäße, bekannt, ist mittlerweile ein vielbeschriebenes Problem in der Schwangerschaft.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Schwangerschaften von Frauen mit metabolischem Syndrom sind als Risikoschwangerschaften zu betrachten und dementsprechend zu betreuen.</li> <li>Eine pr&auml;konzeptionelle Gewichtsreduktion verbessert das Schwangerschaftsoutcome.</li> <li>Aufgrund seines gro&szlig;en Wirkungsfeldes ist der Einsatz von Metformin bei Frauen mit metabolischem Syndrom anzudenken.</li> </ul> </div> <p>Definiert wird das metabolische Syndrom durch Adipositas, arterielle Hypertonie, Hypercholesterin&auml;mie bzw. Hypertriglyzerid&auml;mie sowie eine Insulinresistenz bzw. gest&ouml;rte Glukosetoleranz.<sup>1</sup> Ursachen sind prim&auml;r eine hyperkalorische Ern&auml;hrung sowie Bewegungsmangel. Insbesondere ein pr&auml;konzeptionell erh&ouml;hter BMI ist mit schwerwiegenden Komplikationen der Schwangerschaft assoziiert. So erh&ouml;ht sich das Risiko f&uuml;r eine Pr&auml;eklampsie um das Sechsfache, eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) um das Dreifache und einen Gestationsdiabetes um das F&uuml;nffache. Eine bereits pr&auml;konzeptionell bestehende Adipositas geht weitaus h&auml;ufiger mit Komplikationen in der Schwangerschaft einher als eine starke Gewichtszunahme w&auml;hrend der Schwangerschaft.<sup>2</sup></p> <h2>Das metabolische Syndrom in der Schwangerschaft</h2> <p>Es ist bereits seit l&auml;ngerer Zeit bekannt, dass hypertensive Erkrankungen der Schwangerschaft, u.a. Pr&auml;eklampsie, mit einer Adipositas assoziiert sind. Robinson et al. haben anhand einer retrospektiven Arbeit normalgewichtige Frauen mit Frauen mit &bdquo;moderater&ldquo; Adipositas (90&ndash;120kg) und Frauen mit schwerer Adipositas (&gt;120kg) verglichen und eine signifikante Assoziation zwischen Adipositas und schwangerschaftsinduzierter Hypertonie, Pr&auml;eklampsie und HELLP-Syndrom nachweisen k&ouml;nnen.<sup>3</sup> Im Rahmen einer gro&szlig;en retrospektiven Analyse wurde bei 287 213 Einlingsschwangerschaften &ndash; 176 923 (61,6 % ) normalgewichtig (BMI 20&ndash;24,9), 79 014 (27,5 % ) moderat adip&ouml;s (BMI 25&ndash;29,9) und 1276 (10,9 % ) ausgepr&auml;gt adip&ouml;s (BMI &gt;30) &ndash; das maternale und fetale Schwangerschaftsoutcome analysiert. Die Autoren fanden heraus, dass u.a. ein Gestationsdiabetes sowie eine Pr&auml;eklampsie bei schwangeren Frauen mit einem BMI &gt;25 signifikant h&auml;ufiger auftreten.<sup>4</sup><br /> Eine rezente Metaanalyse von 92 Studien mit insgesamt 25 356 688 Schwangerschaften hat unterschiedliche Risikofaktoren f&uuml;r das Auftreten einer Pr&auml;eklampsie untersucht. Neben einer Pr&auml;eklampsie in einer vorherigen Schwangerschaft sowie einer chronischen Hypertonie hatten Frauen mit einem pr&auml;existenten Diabetes mellitus bzw. einem pr&auml;konzeptionellen BMI &gt;30 das h&ouml;chste Risiko, eine Pr&auml;eklampsie zu entwickeln.<sup>5</sup><br /> Die Arbeitsgruppe von Lei Q et al. hat einen Cluster an metabolischen Risikofaktoren (pr&auml;konzeptionelle Adipositas, Hypercholesterin&auml;mie, Hypertriglyzerid&auml;mie, Hyperglyk&auml;mie und Hypertonie) erstellt und den Zusammenhang zu unterschiedlichen Komplikationen der Schwangerschaft untersucht. Die Autoren fanden heraus, dass es bereits ab einem metabolischen Risikofaktor zum vermehrten Auftreten von u.a. Pr&auml;eklampsie oder Gestationsdiabetes kommt. Bei zwei oder mehr metabolischen Risikofaktoren erh&ouml;ht sich naturgem&auml;&szlig; das Risiko f&uuml;r diese Erkrankungen.<sup>6</sup></p> <h2>Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Pr&auml;eklampsie</h2> <p>Pr&auml;eklampsie, Diabetes mellitus und Adipositas haben &auml;hnliche zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismen. Dazu geh&ouml;ren u.a. die Endotheldysfunktion, oxidativer Stress und die vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine. Die Entstehung des metabolischen Syndroms kann am ehesten durch drei wesentliche Effekte erkl&auml;rt werden:<sup>7</sup></p> <ol> <li>den &bdquo;mechanischen&ldquo; Effekt durch die Akkumulation des viszeralen Fettgewebes mit einem daraus resultierenden Anstieg des intraabdominellen Drucks und einer Aktivierung des Renin-Angiotensin- Aldosteron-Systems (RAAS) mit sekund&auml;rer Hypertonie,</li> <li>den &bdquo;metabolischen&ldquo; Effekt durch die periphere Insulinresistenz und Hyperinsulinismus, welcher zu einer vermehrten Sekretion von proinflammatorischen Substanzen, u.a. IL-6, IL-18, TNF-a, Angiotensin II und Leptin, f&uuml;hrt. Diese systemischen inflammatorischen Prozesse nehmen Einfluss auf die Gef&auml;&szlig;reaktivit&auml;t, die Thrombogenese, die Angiogenese sowie auf die Insulinsensitivit&auml;t.<sup>8</sup> Leptin hemmt zus&auml;tzlich die Insulinsekretion und ist durch seine Zytokin-&auml;hnliche Wirkung auch an der Endothelzellaktivierung sowie an der Aktivierung des vegetativen Nervensystems mit einer daraus resultierenden Erh&ouml;hung des Blutdrucks beteiligt.<sup>9, 10</sup> Gleichzeitig kommt es zu einer verminderten Konzentration von Adiponektin, welches u.a. antiinflammatorische und antiatherogene Wirkungen hat. Zus&auml;tzlich kommt es zu einer vermehrten Freisetzung von freien Fetts&auml;uren mit einer verst&auml;rkten Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber, und es kommt zur vermehrten Freisetzung von Glukose aus der Leber &ndash; der &bdquo;perfekte&ldquo; Circulus vitiosus. Des Weiteren f&uuml;hrt die Hyperlipid&auml;mie zu einer vermehrten Produktion und Sekretion der Lipidperoxide, was wiederum eine Ver&auml;nderung angiogener Faktoren mit Endotheldysfunktion und Vasokonstriktion zur Folge hat.</li> <li>Schlussendlich kommt es kumulativ zu einer Endotheldysfunktion mit u.a. einer vermehrten Freisetzung antiangiogener Faktoren.</li> </ol> <p>Eine weitere Gemeinsamkeit von Pr&auml;eklampsie und metabolischem Syndrom ist das erh&ouml;hte Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Erkrankungen sowie Adipositas des Kindes und der Mutter. Insbesondere die maternale Adipositas d&uuml;rfte beim Kind durch ein &bdquo;fetal programming&ldquo; in utero die Entwicklung eines metabolischen Syndroms im Erwachsenenalter beg&uuml;nstigen.<sup>11&ndash;13</sup></p> <h2>Management des metabolischen Syndroms in der Schwangerschaft</h2> <p>Eine pr&auml;konzeptionelle Gewichtsreduktion ist zweifelsohne die beste M&ouml;glichkeit f&uuml;r ein verbessertes Schwangerschaftsoutcome. Bereits ein geringer Gewichtsverlust von 10 % des BMI ist mit einem geringeren Risiko f&uuml;r Pr&auml;eklampsie, Gestationsdiabetes, Makrosomie und IUFT assoziiert.<sup>14</sup> Eine sogenannte Lifestylemodifikation ist jedoch f&uuml;r die meisten Patientinnen schwierig umsetzbar.<br /> Der Einsatz von Metformin zur Behandlung des Gestationsdiabetes durch die Verbesserung der Insulinresistenz ist bereits etabliert und wird an anderer Stelle intensiver behandelt.<br /> Mittlerweile wurde auch mehrfach die Verwendung von Metformin &ndash; &auml;hnlich wie Aspirin &ndash; zur Vorbeugung gegen Pr&auml;eklampsie postuliert.<sup>15, 16</sup> Der Hintergrund ist eine verminderte Expression von sFlt-1 und Endoglin an den Endothelzellen und den vill&ouml;sen Trophoblastzellen.<sup>15</sup> Die Ver&auml;nderungen angiogener Faktoren mit einer Verbesserung der bekannten Dysbalance laufen auf mitochondrialer Ebene ab.<sup>15</sup> Zus&auml;tzlich d&uuml;rfte Metformin durch eine Verbesserung der Endotheldysfunktion einen protektiven Einfluss auf das Gef&auml;&szlig;system haben.<sup>15</sup><br /> Es scheint daher, dass in der Schwangerschaft der Einsatz von Metformin bei Frauen mit einem metabolischen Syndrom sowohl als Behandlung der Insulinresistenz bzw. des Gestationsdiabetes als auch als Prophylaxe einer Pr&auml;eklampsie mehr als gerechtfertigt ist.<br /> Es ist bereits seit l&auml;ngerer Zeit bekannt, dass das Mikrobiom des Darms eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Adipositas, der Adipositas-assoziierten inflammatorischen Prozesse sowie der Insulinresistenz hat.<sup>17</sup> Der Einsatz von Probiotika insbesondere bei adip&ouml;sen Schwangeren als Prophylaxe einer Pr&auml;eklampsie sowie bei der Behandlung eines Gestationsdiabetes scheint daher eine veritable M&ouml;glichkeit zu sein.<sup>18&ndash;20</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Das metabolische Syndrom in der Schwangerschaft ist mit zum Teil schwerwiegenden Komplikationen, u.a. Pr&auml;eklampsie, assoziiert. F&uuml;r ein verbessertes maternales und neonatales Outcome empfehlen sich daher eine Lifestylemodifikation sp&auml;testens ab Kinderwunsch, eine ausgewogene fett- und kohlenhydratarme Ern&auml;hrung sowie ausreichend Bewegung w&auml;hrend der Schwangerschaft. Zus&auml;tzlich sollten engmaschige Kontrollen in einem Terti&auml;rzentrum mit u.a. serieller Bestimmung der sFlt-1/PlGF-Ratio ab der 20. Schwangerschaftswoche erfolgen. Aufgrund seines gro&szlig;en Wirkungsfeldes ist der Einsatz von Metformin bei Frauen mit metabolischem Syndrom gerechtfertigt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Eckel RH et al.: The metabolic syndrome. Lancet 2005; 365: 1415-28 <strong>2</strong> Reaven GM: The metabolic syndrome: time to get off the merry-go-round? J Intern Med 2011; 269: 127-36 <strong>3</strong> Robinson HE et al.: Maternal outcomes in pregnancies complicated by obesity. Obstet Gynecol 2005; 106: 1357-64 <strong>4</strong> Sebire NJ et al.: Maternal obesity and pregnancy outcome: a study of 287,213 pregnancies in London. Int J Obes Relat Metab Disord 2001; 25: 1175-82 <strong>5</strong> Bartsch E et al.; High Risk of Pre-eclampsia Identification Group: Clinical risk factors for pre-eclampsia determined in early pregnancy: systematic review and metaanalysis of large cohort studies. BMJ 2016; 19: 353 <strong>6</strong> Lei Q et al.: Clustering of metabolic risk factors and adverse pregnancy outcomes: a prospective cohort study. Diabetes Metab Res Rev 2016; 32: 835-42 <strong>7</strong> Mauricio MD et al.: Endothelial dysfunction in morbid obesity. Curr Pharm Des 2013; 19: 5718-29 <strong>8</strong> Berg AH, Scherer PE: Adipose tissue, inflammation, and cardiovascular disease. Circ Res 2005; 13: 939-49 <strong>9</strong> Henson MC, Castracane VD: Leptin in pregnancy. Biol Reprod 2000; 63: 1219-28 <strong>10</strong> Laivuori H et al.: Leptin during and after preeclamptic or normal pregnancy: its relation to serum insulin and insulin sensitivity. Metabolism 2000; 49: 259-63 <strong>11</strong> Alfaradhi MZ, Ozanne SE: Developmental programming in response to maternal overnutrition. Front Genet 2011; 2: 27 <strong>12</strong> Gaillard R: Maternal obesity during pregnancy and cardiovascular development and disease in the offspring. Eur J Epidemiol 2015; 30(11): 1141-52 <strong>13</strong> Wilson RM, Messaoudi I: The impact of maternal obesity during pregnancy on offspring immunity. Mol Cell Endocrinol 2015; 418 Pt 2: 134-42 <strong>14</strong> Schummers L et al.: Risk of adverse pregnancy outcomes by prepregnancy body mass index: a populationbased study to inform prepregnancy weight loss counseling. Obstet Gynecol 2015; 125(1): 133-43 <strong>15</strong> Brownfoot FC et al.: Metformin as a prevention and treatment for preeclampsia: effects on soluble fms-like tyrosine kinase 1 and soluble endoglin secretion and endothelial dysfunction. Am J Obstet Gynecol 2016; 214: 356. e1-356 <strong>16</strong> Romero R et al.: Metformin, the aspirin of the 21st century: its role in gestational diabetes mellitus, prevention of preeclampsia and cancer, and the promotion of longevity. Am J Obstet Gynecol 2017; 217: 282-302 <strong>17</strong> B&auml;ckhed F et al.: The gut microbiota as an environmental factor that regulates fat storage. Proc Natl Acad Sci U S A 2004; 101(44): 15718-23 <strong>18</strong> Brantsaeter AL et al.: Intake of probiotic food and risk of preeclampsia in primiparous women: the Norwegian Mother and Child Cohort Study. Am J Epidemiol 2011; 174(7): 807-15 <strong>19</strong> Asemi Z et al.: Effect of daily consumption of probiotic yoghurt on insulin resistance in pregnant women: a randomized controlled trial. Eur J Clin Nutr 2013; 67(1): 71-4 <strong>20</strong> Luoto R et al.: Impact of maternal probiotic supplemented dietary counselling on pregnancy outcome and prenatal and postnatal growth: a doubleblind, placebo-controlled study. Br J Nutr 2010; 103(12): 1792-9</p> </div> </p>
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