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Das metabolische Syndrom in der Betreuung von Hochrisikoschwangerschaften
Jatros Digital
Autor:
Dr. Karoline Mayer-Pickel
Universitätsfrauenklinik<br> Abteilung für Geburtshilfe<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: karoline.pickel@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
30.05.2018
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<p class="article-intro">Das metabolische Syndrom, bisher meist als entscheidender Risikofaktor für Erkrankungen arterieller Gefäße, insbesondere der koronaren Gefäße, bekannt, ist mittlerweile ein vielbeschriebenes Problem in der Schwangerschaft.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Schwangerschaften von Frauen mit metabolischem Syndrom sind als Risikoschwangerschaften zu betrachten und dementsprechend zu betreuen.</li> <li>Eine präkonzeptionelle Gewichtsreduktion verbessert das Schwangerschaftsoutcome.</li> <li>Aufgrund seines großen Wirkungsfeldes ist der Einsatz von Metformin bei Frauen mit metabolischem Syndrom anzudenken.</li> </ul> </div> <p>Definiert wird das metabolische Syndrom durch Adipositas, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie bzw. Hypertriglyzeridämie sowie eine Insulinresistenz bzw. gestörte Glukosetoleranz.<sup>1</sup> Ursachen sind primär eine hyperkalorische Ernährung sowie Bewegungsmangel. Insbesondere ein präkonzeptionell erhöhter BMI ist mit schwerwiegenden Komplikationen der Schwangerschaft assoziiert. So erhöht sich das Risiko für eine Präeklampsie um das Sechsfache, eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) um das Dreifache und einen Gestationsdiabetes um das Fünffache. Eine bereits präkonzeptionell bestehende Adipositas geht weitaus häufiger mit Komplikationen in der Schwangerschaft einher als eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft.<sup>2</sup></p> <h2>Das metabolische Syndrom in der Schwangerschaft</h2> <p>Es ist bereits seit längerer Zeit bekannt, dass hypertensive Erkrankungen der Schwangerschaft, u.a. Präeklampsie, mit einer Adipositas assoziiert sind. Robinson et al. haben anhand einer retrospektiven Arbeit normalgewichtige Frauen mit Frauen mit „moderater“ Adipositas (90–120kg) und Frauen mit schwerer Adipositas (>120kg) verglichen und eine signifikante Assoziation zwischen Adipositas und schwangerschaftsinduzierter Hypertonie, Präeklampsie und HELLP-Syndrom nachweisen können.<sup>3</sup> Im Rahmen einer großen retrospektiven Analyse wurde bei 287 213 Einlingsschwangerschaften – 176 923 (61,6 % ) normalgewichtig (BMI 20–24,9), 79 014 (27,5 % ) moderat adipös (BMI 25–29,9) und 1276 (10,9 % ) ausgeprägt adipös (BMI >30) – das maternale und fetale Schwangerschaftsoutcome analysiert. Die Autoren fanden heraus, dass u.a. ein Gestationsdiabetes sowie eine Präeklampsie bei schwangeren Frauen mit einem BMI >25 signifikant häufiger auftreten.<sup>4</sup><br /> Eine rezente Metaanalyse von 92 Studien mit insgesamt 25 356 688 Schwangerschaften hat unterschiedliche Risikofaktoren für das Auftreten einer Präeklampsie untersucht. Neben einer Präeklampsie in einer vorherigen Schwangerschaft sowie einer chronischen Hypertonie hatten Frauen mit einem präexistenten Diabetes mellitus bzw. einem präkonzeptionellen BMI >30 das höchste Risiko, eine Präeklampsie zu entwickeln.<sup>5</sup><br /> Die Arbeitsgruppe von Lei Q et al. hat einen Cluster an metabolischen Risikofaktoren (präkonzeptionelle Adipositas, Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie, Hyperglykämie und Hypertonie) erstellt und den Zusammenhang zu unterschiedlichen Komplikationen der Schwangerschaft untersucht. Die Autoren fanden heraus, dass es bereits ab einem metabolischen Risikofaktor zum vermehrten Auftreten von u.a. Präeklampsie oder Gestationsdiabetes kommt. Bei zwei oder mehr metabolischen Risikofaktoren erhöht sich naturgemäß das Risiko für diese Erkrankungen.<sup>6</sup></p> <h2>Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Präeklampsie</h2> <p>Präeklampsie, Diabetes mellitus und Adipositas haben ähnliche zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismen. Dazu gehören u.a. die Endotheldysfunktion, oxidativer Stress und die vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine. Die Entstehung des metabolischen Syndroms kann am ehesten durch drei wesentliche Effekte erklärt werden:<sup>7</sup></p> <ol> <li>den „mechanischen“ Effekt durch die Akkumulation des viszeralen Fettgewebes mit einem daraus resultierenden Anstieg des intraabdominellen Drucks und einer Aktivierung des Renin-Angiotensin- Aldosteron-Systems (RAAS) mit sekundärer Hypertonie,</li> <li>den „metabolischen“ Effekt durch die periphere Insulinresistenz und Hyperinsulinismus, welcher zu einer vermehrten Sekretion von proinflammatorischen Substanzen, u.a. IL-6, IL-18, TNF-a, Angiotensin II und Leptin, führt. Diese systemischen inflammatorischen Prozesse nehmen Einfluss auf die Gefäßreaktivität, die Thrombogenese, die Angiogenese sowie auf die Insulinsensitivität.<sup>8</sup> Leptin hemmt zusätzlich die Insulinsekretion und ist durch seine Zytokin-ähnliche Wirkung auch an der Endothelzellaktivierung sowie an der Aktivierung des vegetativen Nervensystems mit einer daraus resultierenden Erhöhung des Blutdrucks beteiligt.<sup>9, 10</sup> Gleichzeitig kommt es zu einer verminderten Konzentration von Adiponektin, welches u.a. antiinflammatorische und antiatherogene Wirkungen hat. Zusätzlich kommt es zu einer vermehrten Freisetzung von freien Fettsäuren mit einer verstärkten Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber, und es kommt zur vermehrten Freisetzung von Glukose aus der Leber – der „perfekte“ Circulus vitiosus. Des Weiteren führt die Hyperlipidämie zu einer vermehrten Produktion und Sekretion der Lipidperoxide, was wiederum eine Veränderung angiogener Faktoren mit Endotheldysfunktion und Vasokonstriktion zur Folge hat.</li> <li>Schlussendlich kommt es kumulativ zu einer Endotheldysfunktion mit u.a. einer vermehrten Freisetzung antiangiogener Faktoren.</li> </ol> <p>Eine weitere Gemeinsamkeit von Präeklampsie und metabolischem Syndrom ist das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Adipositas des Kindes und der Mutter. Insbesondere die maternale Adipositas dürfte beim Kind durch ein „fetal programming“ in utero die Entwicklung eines metabolischen Syndroms im Erwachsenenalter begünstigen.<sup>11–13</sup></p> <h2>Management des metabolischen Syndroms in der Schwangerschaft</h2> <p>Eine präkonzeptionelle Gewichtsreduktion ist zweifelsohne die beste Möglichkeit für ein verbessertes Schwangerschaftsoutcome. Bereits ein geringer Gewichtsverlust von 10 % des BMI ist mit einem geringeren Risiko für Präeklampsie, Gestationsdiabetes, Makrosomie und IUFT assoziiert.<sup>14</sup> Eine sogenannte Lifestylemodifikation ist jedoch für die meisten Patientinnen schwierig umsetzbar.<br /> Der Einsatz von Metformin zur Behandlung des Gestationsdiabetes durch die Verbesserung der Insulinresistenz ist bereits etabliert und wird an anderer Stelle intensiver behandelt.<br /> Mittlerweile wurde auch mehrfach die Verwendung von Metformin – ähnlich wie Aspirin – zur Vorbeugung gegen Präeklampsie postuliert.<sup>15, 16</sup> Der Hintergrund ist eine verminderte Expression von sFlt-1 und Endoglin an den Endothelzellen und den villösen Trophoblastzellen.<sup>15</sup> Die Veränderungen angiogener Faktoren mit einer Verbesserung der bekannten Dysbalance laufen auf mitochondrialer Ebene ab.<sup>15</sup> Zusätzlich dürfte Metformin durch eine Verbesserung der Endotheldysfunktion einen protektiven Einfluss auf das Gefäßsystem haben.<sup>15</sup><br /> Es scheint daher, dass in der Schwangerschaft der Einsatz von Metformin bei Frauen mit einem metabolischen Syndrom sowohl als Behandlung der Insulinresistenz bzw. des Gestationsdiabetes als auch als Prophylaxe einer Präeklampsie mehr als gerechtfertigt ist.<br /> Es ist bereits seit längerer Zeit bekannt, dass das Mikrobiom des Darms eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Adipositas, der Adipositas-assoziierten inflammatorischen Prozesse sowie der Insulinresistenz hat.<sup>17</sup> Der Einsatz von Probiotika insbesondere bei adipösen Schwangeren als Prophylaxe einer Präeklampsie sowie bei der Behandlung eines Gestationsdiabetes scheint daher eine veritable Möglichkeit zu sein.<sup>18–20</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Das metabolische Syndrom in der Schwangerschaft ist mit zum Teil schwerwiegenden Komplikationen, u.a. Präeklampsie, assoziiert. Für ein verbessertes maternales und neonatales Outcome empfehlen sich daher eine Lifestylemodifikation spätestens ab Kinderwunsch, eine ausgewogene fett- und kohlenhydratarme Ernährung sowie ausreichend Bewegung während der Schwangerschaft. Zusätzlich sollten engmaschige Kontrollen in einem Tertiärzentrum mit u.a. serieller Bestimmung der sFlt-1/PlGF-Ratio ab der 20. Schwangerschaftswoche erfolgen. Aufgrund seines großen Wirkungsfeldes ist der Einsatz von Metformin bei Frauen mit metabolischem Syndrom gerechtfertigt.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Eckel RH et al.: The metabolic syndrome. Lancet 2005; 365: 1415-28 <strong>2</strong> Reaven GM: The metabolic syndrome: time to get off the merry-go-round? J Intern Med 2011; 269: 127-36 <strong>3</strong> Robinson HE et al.: Maternal outcomes in pregnancies complicated by obesity. Obstet Gynecol 2005; 106: 1357-64 <strong>4</strong> Sebire NJ et al.: Maternal obesity and pregnancy outcome: a study of 287,213 pregnancies in London. Int J Obes Relat Metab Disord 2001; 25: 1175-82 <strong>5</strong> Bartsch E et al.; High Risk of Pre-eclampsia Identification Group: Clinical risk factors for pre-eclampsia determined in early pregnancy: systematic review and metaanalysis of large cohort studies. BMJ 2016; 19: 353 <strong>6</strong> Lei Q et al.: Clustering of metabolic risk factors and adverse pregnancy outcomes: a prospective cohort study. Diabetes Metab Res Rev 2016; 32: 835-42 <strong>7</strong> Mauricio MD et al.: Endothelial dysfunction in morbid obesity. Curr Pharm Des 2013; 19: 5718-29 <strong>8</strong> Berg AH, Scherer PE: Adipose tissue, inflammation, and cardiovascular disease. Circ Res 2005; 13: 939-49 <strong>9</strong> Henson MC, Castracane VD: Leptin in pregnancy. Biol Reprod 2000; 63: 1219-28 <strong>10</strong> Laivuori H et al.: Leptin during and after preeclamptic or normal pregnancy: its relation to serum insulin and insulin sensitivity. Metabolism 2000; 49: 259-63 <strong>11</strong> Alfaradhi MZ, Ozanne SE: Developmental programming in response to maternal overnutrition. Front Genet 2011; 2: 27 <strong>12</strong> Gaillard R: Maternal obesity during pregnancy and cardiovascular development and disease in the offspring. Eur J Epidemiol 2015; 30(11): 1141-52 <strong>13</strong> Wilson RM, Messaoudi I: The impact of maternal obesity during pregnancy on offspring immunity. Mol Cell Endocrinol 2015; 418 Pt 2: 134-42 <strong>14</strong> Schummers L et al.: Risk of adverse pregnancy outcomes by prepregnancy body mass index: a populationbased study to inform prepregnancy weight loss counseling. Obstet Gynecol 2015; 125(1): 133-43 <strong>15</strong> Brownfoot FC et al.: Metformin as a prevention and treatment for preeclampsia: effects on soluble fms-like tyrosine kinase 1 and soluble endoglin secretion and endothelial dysfunction. Am J Obstet Gynecol 2016; 214: 356. e1-356 <strong>16</strong> Romero R et al.: Metformin, the aspirin of the 21st century: its role in gestational diabetes mellitus, prevention of preeclampsia and cancer, and the promotion of longevity. Am J Obstet Gynecol 2017; 217: 282-302 <strong>17</strong> Bäckhed F et al.: The gut microbiota as an environmental factor that regulates fat storage. Proc Natl Acad Sci U S A 2004; 101(44): 15718-23 <strong>18</strong> Brantsaeter AL et al.: Intake of probiotic food and risk of preeclampsia in primiparous women: the Norwegian Mother and Child Cohort Study. Am J Epidemiol 2011; 174(7): 807-15 <strong>19</strong> Asemi Z et al.: Effect of daily consumption of probiotic yoghurt on insulin resistance in pregnant women: a randomized controlled trial. Eur J Clin Nutr 2013; 67(1): 71-4 <strong>20</strong> Luoto R et al.: Impact of maternal probiotic supplemented dietary counselling on pregnancy outcome and prenatal and postnatal growth: a doubleblind, placebo-controlled study. Br J Nutr 2010; 103(12): 1792-9</p>
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