
Alternativen zur klassischen Hormonersatztherapie
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Johannes Huber
ehem. Leiter der klinischen Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Medizinische Universität Wien
E-Mail: johannes.huber@meduniwien.ac.at
Das Interview führte Mag.a Dr.inAnita Schreiberhuber
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Im Zusammenhang mit dem Thema „Menopausebeschwerden“ steht auch die Phytotherapie hoch im Kurs. Doch ist die Einnahme von Pflanzenextrakten immer sinnvoll? Diese und weitere Fragen beantwortet Univ.-Prof. Dr. Johannes Huber im Interview. Außerdem berichtet er über die revolutionäre Erkenntnis, dass Pflanzenstoffe direkt in die Genregulation eingreifen – dies könnte sich als bahnbrechend für die gesamte Medizin erweisen.
Es wird viel Werbung für bioidente Hormone aus Pflanzen betrieben – was unterscheidet diese von synthetischen Hormonen und was „können sie“?
J. Huber: Bioident ist alles, was funktionell und strukturell ident mit den körpereigenen Hormonen wie Östradiol und Progesteron ist, unabhängig, ob von den Ovarien produziert, aus Pflanzen gewonnen oder biochemisch hergestellt.
Der Slogan „Bioidente Hormone aus Pflanzen“ ist ein Geschäftsmodell, das um das Fünffache mehr kostet als das, was die Österreichische Gesundheitskasse beinahe kostenlos über die E-Card erstattet. Zu mir kommen Patientinnen, die berichten, dass sie für pflanzliche Hormone monatlich mehr als100 Euro ausgeben und das à la longue für sie nicht leistbar ist – die dahinterliegende Verkaufsstrategie ist völlig unverantwortlich. Oft sind es Laienorganisationen, die damit das große Geschäft wittern und Apotheker:innen dazu animieren, bei diesem Konzept mitzumachen, und Apotheker:innen müssten ja auch wissen, dass das, was magistral hergestellt wird, auch über die E-Card erhältlich ist.
Inwiefern können Pflanzen für die Behandlung von Menopausebeschwerden effektiv zum Einsatz kommen? Wann besteht die Indikation für die Gabe von pflanzlichen Präparaten bzw. in welchen Fällen ist es den Versuch wert, Menopause-assoziierte Symptome phytotherapeutisch zu behandeln?
J. Huber: Grundsätzlich beinhaltet das Thema „Pflanze“ im Rahmen der Behandlung von menopausalen Beschwerden sehr vieles und umfasst auch die Lebensberatung. Zu Beginn einer Konsultation muss ein Gespräch stehen, das erfahrene Gynäkolog:innen schon in die richtige Richtung lenken kann, um auf die individuellen Bedürfnisse und Beschwerden der Patientinnen eingehen zu können.
Es ist allerdings hervorzuheben, dass die Einnahme von pflanzlichen Präparaten einer Hormonersatztherapie (HRT) nicht gleichgesetzt werden kann, da die Gabe nur bei leichten bis mittelschweren Wechselbeschwerden effektiv sein kann. Wenn sich keine suffizienten Effekte einstellen, führt kein Weg an einer HRT vorbei.
Könnten Sie ein Beispiel nennen, wann und wie die HRT umgangen/hinausgezögert werden kann?
J. Huber: Wenn eine Frau beispielsweise unter Libidoverlust leidet, ist der Vitamin-D-Spiegel aufschlussreich – im Fall eines Mangels ist es möglich, dass durch Vitamin-D-Supplementation die Libido wiederhergestellt wird, da Vitamin D die Testosteronproduktion anregt. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie man mit einer einfachen Intervention viel erreichen kann.
Falls der Vitamin-D-Spiegel im Normbereich liegt und eine Patientin trotzdem über einen Libidoverlust berichtet, besteht die Möglichkeit der Einnahme von Chrysin – das ist ein Bioflavonoid, das in hohem Ausmaß in der Passionsfrucht vorkommt, aber auch in anderen Obst- und Gemüsesorten enthalten und in Form von Kapseln in der Apotheke erhältlich ist. Auch die Einnahme von Macakapseln – sie enthalten Extrakte aus der Macapflanze – kann zur Steigerung der Testosteronproduktion genutzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer intravaginalen Verabreichung von DHEA (Dehydroepiandrosteron), der Vorstufe von Testosteron, in Form von Zäpfchen.
Welche Möglichkeiten gibt es, in der Menopause auf den Östrogen- und den Progesteronspiegel einzuwirken?
J. Huber: Es gibt aus dem Pflanzenbereich sehr viele Möglichkeiten – z.B. haben Rotklee und Soja einen hohen Gehalt an Genistein, das ist ein Phytoöstrogen aus der Gruppe der Isoflavonoide, das eng mit dem Östrogen verwandt ist. Ich habe Patient:innen, die berichten, dass sie sich sojareich ernähren und keine Wechselbeschwerden haben. Auch in den asiatischen Ländern, wo viel Soja konsumiert wird, ist die Inzidenz an Menopausebeschwerden geringer.
Die Beeinflussung der Metabolisierung von Progesteron ist durch Safran, die Heilpflanze des Jahres 2024, möglich: Safran ist in der Lage, Cortisol, das aus Progesteron gebildet werden kann, zu reduzieren.
Gibt es darüber hinaus aktuelle Erkenntnisse im Bereich der Phytotherapie, die Sie als relevant erachten?
J. Huber: Es gibt sogar revolutionäre Erkenntnisse, die die Genregulation und in weiterer Folge auch Pflanzen betreffen: Das Genom besteht nur zu einem kleinen Teil aus Genen, die tatsächlich abgelesen werden, der Großteil, die sogenannte „dark DNA“, wird nicht abgelesen. Heute weiß man, dass in diesen 97% des Genoms, das nicht in Proteine umgewandelt wird, sehr wohl RNA-Moleküle gebildet werden, die die Transkription vieler Gene regulieren – das ist das Entscheidende. Diese Regulation der Genexpression ist natürlich im Pflanzenreich besonders wichtig, da bei Pflanzen Translation und Transkription nicht so hoch entwickelt sind wie bei den Säugetieren und beim Menschen. Damit wurde ein völlig neuer Wirkmechanismus entdeckt, der vermutlich die Medizin revolutioniert.
Wie kann diese Entdeckung konkret genutzt werden?
J. Huber: Dadurch, dass man weiß, um welche RNA-Stücke es sich handelt, die für die Regulation der Genexpression entscheidend sind – es gibt sogar schon einen Atlas dazu –, besteht die Möglichkeit, gezielt auf diese einzuwirken bzw. sie therapeutisch zunutzen. So ist beispielsweise bekannt, dass RNA-Moleküle in der Onkologie als Zytostatika wirken können. Beim bereits seit Langem verwendeten Taxol, einem Extrakt aus der Pazifischen Eibe, zeigen sie die Fähigkeit, Krebs zu unterdrücken. D.h., die Erkenntnis, welche RNA-Moleküle bei der Genexpression effektiv sind, öffnet uns das Potenzial, bei einzelnen Tumorentitäten genau zu untersuchen, welche RNA-Stücke die Tumorzellen bilden und welche Pflanze in der Lage ist, diese RNA-Stücke zu unterdrücken.
Wie lässt sich das Ganze auf die Nutzung zur Behandlung von Menopausebeschwerden übertragen? Welche Perspektiven sehen Sie in dieser Hinsicht?
J. Huber: Auch die Geschlechtshormone, die in den Ovarien gebildet werden oder extern zugeführt werden, benutzen das Softwareprogramm, nämlich die RNA-Programmierung der Gene. Diese Erkenntnisse stehen erst am Beginn der Wissenschaft und werden vieles noch in einem neuen Licht erscheinen lassen, d.h., aktuell können wir nur erahnen, welches unglaubliche Potenzial dies in sich birgt. Man kann sich das folgendermaßen vorstellen: Das Hardwareprogramm ist das Genom und von den zwei Softwareprogrammen ist eines die Epigenetik. Diese entscheidet mit, welche Gene abgelesen werden und welche nicht. Das zweite Softwareprogramm ist die mRNA, die ebenfalls über das Schicksal der Gene mitentscheidet – ob sie ruhiggestellt werden oder weiter involviert sein dürfen etc.
Zum Schluss noch eine Frage, die das gegensätzliche Thema unseres Interviews betrifft: Macht es Sinn, eine HRT prophylaktisch einzusetzen?
J. Huber: Ganz im Gegenteil! Studienergebnissen zufolge steigt dann tatsächlich die Inzidenz von Mammakarzinomen. Der weibliche Körper bildet ja Geschlechtshormone bis ins hohe Alter. Das ist auch der Grund, weshalb z.B. eine 80-jährige Patientin mit HR+ Mammakarzinom noch einen Aromataseinhibitor erhält. Eine HRT ist exklusiv bei Menopause-assoziierten Symptomen/Beschwerden wie Hot Flashes, Arthropathia climacterica oder Keratokonjunktivitis sicca indiziert und geht dann auch nicht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Brustkrebs einher.
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