
Neue Daten zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im Vordergrund
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg
Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I
Medizinische Universität Innsbruck
UEG Chair Scientific Committee
E-Mail: herbert.tilg@i-med.ac.at
Das Interview führte
Dr. Katrin Spiesberger
Angesichts derunglaublichen Bandbreite an Themen ist es schwer zu überblicken, welche auch für den niedergelassenen Facharzt relevanten Daten beim Kongress der United European Gastroenterology (UEG) präsentiert wurden. Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg, Vorsitzender des wissenschaftlichen Komitees der UEG, hat mit uns darüber und über weitere Highlights der UEG Week 2021 gesprochen.
Sehr geehrter Herr Prof. Tilg, welche Daten standen für Sie heuer auf der UEG Week im Vordergrund?
H. Tilg: Besonders hervorgestochen haben ganz sicher die neuen Therapiedaten zur Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, dabei vor allem die neu präsentierten Ergebnisse zu den JAK-Inhibitoren, die aus unserer Sicht besonders vielversprechend sind. Phase-III-Daten haben hier insbesondere gezeigt, dass wir potenziell neue Therapeutika in die Hand bekommen, um diese nach ihrer Zulassung möglichst bald unseren Patienten zukommen zu lassen.
Die großen Highlights dazu waren neue Therapiestudien zu Upadacitinib, einem oral verabreichten selektiven und reversiblen JAK-Inhibitor. Hier wurden Ergebnisse aus einer Phase-III-Studie mit dem monoklonalen Antikörper in der Erhaltungstherapie bei moderater bis schwerer Colitis ulcerosa vorgestellt. Ein weiterer Late Breaking Abstract beschäftigte sich mit den Phase-III-Studienergebnissen zum IL-23-Inhibitor Risankizumab in der Erhaltungstherapie bei Patienten mit Morbus Crohn. Sehr interessant waren auch die Phase-II-Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von ABX464, einem neuen, oral verabreichten niedermolekularen Molekül zur Behandlung von moderater bis schwerer Colitis ulcerosa.
Sie selbst haben ja zum Mikrobiom bei nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen vorgetragen.Inwieweit war das Mikrobiom generell ein Thema?
H. Tilg: Das Thema Mikrobiom wird immer interessanter und war daher auch auf der UEG Week 2021 im Gespräch. Es wurden neue Studien aus dem Bereich Mikrobiom/Stuhltransplantation vorgestellt: Dabei wurde z.B. der Frage nachgegangen, welche Keime bei einer Stuhltransplantation zu einem Gewichtsverlust bei Adipositas führen. Ebenso wurde die Assoziation des Mikrobioms mit Krebs diskutiert. Auch bei Fettlebererkrankungen spielt die Mikrobiota eine ganze entscheidende Rolle und stellt den Missing Link zwischen Metabolismus und Entzündung bzw. Immunität dar. Das Mikrobiom steht hier quasi genau in der Mitte. Wir sind gerade dabei, zu verstehen, welche Keime unter Umständen eine Schlüsselrolle in der Verursachung der Entzündung in der Leber bei der NASH spielen. Die Mikrobiota bei NASH wird also immer spannender!
Gibt es noch ein Thema, auf das Sie die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken wollen?
H. Tilg: Ja, die edukativen Vortragsreihen, die sich größter Beliebtheit erfreuen und auch den starken edukativen Charakter des UEG Meeting reflektieren. Damit sind z.B. die „Mistakes in …“-Sessions gemeint. Diese Vorträge behandeln unterschiedliche Themen, heuer gab es „Mistakes in pouchitis“, „Mistakes in jejunal feeding“ oder „Mistakes in PPI treatment“. Das sind sehr praktische Vorträge, die von den Teilnehmern hoch geschätzt werden, da sie wirklich auch praktische Tipps für den Behandlungsalltag liefern bzw. eben vor Fehlern bewahren.
Die UEG Week war ja auch 2021 eine virtuelle Veranstaltung – wie stehen Sie persönlich zu dem virtuellen Format?
H. Tilg: Leider war ich in den vier Jahren meiner Präsidentschaft zu 50% gezwungen, es so zu machen – was bitter ist. Es war kein Wunsch, aber ein Muss und es bleibt die zweitbeste Lösung. Auch wenn es aus heutiger Sicht nicht danach aussieht, hoffen wir doch, nächstes Jahrder UEG Week als Hybrid-Veranstaltung beiwohnen zu können. Insgesamt sind wir uns aber alle einig: Die Zukunft wird hybrid sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
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