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Getty Images/iStockphoto
Highlights der ATTD 2020
Jatros
Autor:
Prim. Dr. Claudia Francesconi
Sonderkrankenanstalt – Rehabilitationszentrum Alland<br> E-Mail: claudia.francesconi@gmx.at
30
Min. Lesezeit
16.04.2020
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<p class="article-intro">Wie jedes Jahr stellte auch die diesjährige ATTD neue technische Entwicklungen und den Umgang mit dieser Technik sowie den Ausblick auf zukünftige Möglichkeiten in den Fokus. Das Interesse war groß – zahlreiche Hörer trafen sich im Februar in Madrid.</p>
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<p class="article-content"><p>Neu und daher auch interessant war der Aspekt, ob der zunehmende Einsatz neuer Technologien für Arzt und Patient immer ein Vorteil ist oder ob es im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung nicht Bereiche der Arzt-Patienten-Interaktion gibt, die darunter leiden, bzw. ob der Fortschritt auch an einer statistischen Verbesserung der Stoffwechseleinstellung ablesbar ist.<br /> Einen weiteren Schwerpunkt stellte natürlich die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung neuer Technologien zur Blutzuckermessung und Insulinapplikation dar.</p> <h2>Digitale/virtuelle Diabetestherapie: Traum oder Albtraum?</h2> <p>So hilfreich neue Technologien langfristig auch sein mögen, so ist ihr Einsatz doch zu Beginn oft auch mit Hindernissen und Widerständen verbunden. Die These: Sind diese Hindernisse überwunden, ist der Benefit zum Einsatz neuer Technologien eindeutig, sowohl vom Erfolg in puncto Verbesserung der Stoffwechseleinstellung her als auch in Bezug auf Effizienz – also Zeitersparnis.<br /> So weit die Annahme. Dass das auch ein Trugschluss sein kann, führte der Vortrag von Moshe Phillip (Israel) sehr eindrücklich vor Augen. Seine Ausführungen belegen, was viele von uns bereits bei der täglichen Routinearbeit bemerken: Die Flut an Informationen, die uns technische Devices wie GCM, Pumpen etc. ermöglichen, bedeuten einen deutlichen zeitlichen Mehraufwand pro Patient, will man die Informationen auch wirklich therapeutisch nutzen. Bereits der Download sämtlicher ausgelesener Daten und die Interpretation mit dem vor uns sitzenden Patienten oder ohne ihn dauern erheblich länger als das Überfliegen der bisher üblichen Blutzuckerprotokolle. Die Auswertung ergab, dass der zeitliche Mehraufwand pro Patient durchschnittlich 16 Minuten beträgt. Darin ist jedoch die notwendige Dokumentation zur Visite ebenso wenig enthalten wie fakultative Zwischenkontakte mit den Patienten, die per WhatsApp oder E-Mail immer häufiger eingefordert werden.<br /> Ein weiterer Punkt ist die größer werdende Kluft zwischen zunehmender Zahl der Patienten und abnehmender Zahl der fachlich kompetenten Experten.<br /> Auch auf Patientenseite wird – oft infolge mangelnden Know-hows – die Ableitung von Konsequenzen anhand der dem Patienten prinzipiell zur Verfügung stehenden Daten in >50 % nicht verstanden. Als Beispiel sei die Insulinanpassung zwischen den Visiten genannt, für die die Patienten immer mehr Zeit im Management ihrer Errankung aufwenden – im Schnitt 78 Minuten pro Tag bei Typ-1-DM bzw. 66 Minuten bei Typ-2-DM. Leider korreliert dieser Mehraufwand auf beiden Seiten nicht mit einer Verbesserung des HbA<sub>1c</sub>.<br /> Grund dafür ist laut Moshe Phillip nicht die Insuffizienz der neuen Technologien, sondern in vielen Fällen ihre halbherzige Anwendung. Die Implementierung digitaler virtueller Kliniken für alle Patienten mit Diabetes unter Zusammenführung aller verfügbaren Daten, Erstellung persönlicher Therapiealgorithmen mit Einbeziehung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, auf individuelle Bedürfnisse heruntergebrochen zum effizienten Selbstmanagement der Menschen mit Diabetes, sollte den neuen Goldstandard darstellen. Die einfache Verfügbarkeit der Daten für alle, denen der Patient den Zugriff ermöglichen möchte, ist eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung. Klar ist aber auch: Der Versuch, mit den gleichen Ressourcen Face-to-face-Visiten und Telemedizin zufriedenstellend zu managen, wird an den menschlichen Kapazitäten scheitern und zur Unzufriedenheit sowohl aufseiten der Behandler als auch der Patienten führen.</p> <h2>Neues aus der Welt der Insulinpumpen und der Sensortechnik</h2> <p>Bereits seit einigen Jahren ist der Trend zu zumindest partiellen Closed-loop-Lösungen bestehend aus Insulinpumpe und kontinuierlichem Blutzuckermonitoring – Systemen, die miteinander kommunizieren – bei Typ-1-Diabetikern ungebrochen und wird auch durch immer mehr Produkte bereichert. Speerspitze war und ist sicher die neueste Innovation von Medtronic (Minimed 670G als Weiterentwicklung der Minimed 640G), welche bereits seit einem Jahr auf dem Markt ist. Sie bietet nicht nur die Abschaltautomatik bei niedrigen Blutzuckerwerten zur Hypoglykämieprophylaxe unde eine automatisierte Bolusgabe ab einer festgelegten Blutzuckerobergrenze, sondern nach Festlegung der individuellen Algorithmen einen mehr oder weniger autark arbeitenden Automode.<br /> Die Konkurrenz schläft aber nicht, sodass es bald auch eine Alternative in Form der von VitalAir angebotenen „t:slim X2“-Insulinpumpe geben wird. Diese kommuniziert mit dem CGM-System Dexcom 6. Die dahinterstehende Technologie nennt sich Basal-IQ und arbeitet bereits mit Trendanalysen der Gewebszuckerentwicklung mit einem Vorlauf von 30 Minuten und entsprechender Basalinsulinanpassung, Abschaltung bei Unterschreiten eines vorgegebenen Grenzwertes bzw. An- und Abschaltautomatik bei sinkenden/steigenden Blutzuckerwerten. Sobald der Sensorglukosewert wieder steigt, setzt das System die Insulinabgabe wieder fort.<br /> Vorteile dieses Systems sind sicher das Wegfallen der bei Medtronic zumindest zweimal täglich notwendigen Kalibrierung durch blutige Messungen sowie die Möglichkeit der Abgabe kleinster Insulinmengen (0,001 IE). Kleiner Schönheitsfehler: Für österreichische Patienten wird das System erst 2021 erhältlich sein.<br /> Auch Insulet bietet mit dem System Omnipod Dash eine Erweiterung der Bedienerfreundlichkeit ihrer Patchpumpe – allerdings bislang noch ohne fixe Sensorkommunikation.<br /> Mit der Einführung des neuen Abbott Freestyle Libre 2, der nunmehr zum echten CGM-System geworden ist, welches auch Alarmfunktionen beinhaltet, erweitert sich wegen des im Vergleich zu den anderen Anbietern deutlich moderateren Preises vermutlich in größerem Umfang der Anwenderkreis auch auf Typ-2-Diabetiker, die Insulin spritzen, sofern diese die Erstattungskriterien der österreichischen Sozialversicherungsträger erfüllen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Abschließend und zusammenfassend sei bemerkt, dass erfreulicherweise die Innovationen der Industrie deutlich mehr und für den einzelnen Patienten wesentlich individuellere Therapieoptionen möglich machen. Dieser Trend ist als sehr positiv zu bewerten und durchaus begrüßenswert.<br /> Zugleich muss man festhalten, dass die Nutzung der neuen technologischen Errungenschaften nur dann Vorteile bringt, wenn auch unser Wissen als Betreuer, diese zu bedienen und anzuwenden, in gleichem Umfang steigt und wenn die Patienten durch Schulungen firm im Umgang mit den neuen Devices gemacht werden.<br /> Das beste Closed-loop-System liefert nur dann perfekte Ergebnisse, wenn die Algorithmen im Hintergrund stimmen bzw. immer neu adaptiert werden. Die beste technische Innovation wird stets limitiert durch den Anwender. Dies als Aufruf an all jene, die meinen, dass uns die „Technik“ als Ärzte und Diabetesberater wegrationalisiert – bzw. die Patienten, die davon überzeugt sind, dass die „Technik“ ihren Diabetes ohne ihr Zutun managt.</p> </div></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 13<sup>th</sup> International Conference on Advanced Technologies &
Treatments for Diabetes (ATTD), 19.–22. Februar 2020, Madrid
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