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Fett – die neue Wunderwaffe in der plastischen, ästhetischen und rekonstruktiven Chirurgie

<p class="article-intro">Die Bandbreite therapeutischer Möglichkeiten des freien Fetttransfers – zur Vergrößerung oder Rekonstruktion der Brüste, Auflösung von Kapselkontrakturen nach Brustimplantaten, Volumenkorrektur von Weichteildefiziten, Rejuvenation des Gesichtes oder zur Behandlung der schmerzhaften Rhizarthrose oder der Fingerkontraktur bei Morbus Dupuytren – ist sehr groß.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Sp&auml;testens seit der Ver&ouml;ffentlichung der mittlerweile zu Standardwerken der plastischen Chirurgie z&auml;hlenden B&uuml;cher &bdquo;Structural Fat Grafting&ldquo; 2004 und &bdquo;Fat Injection from Filling to Regeneration&ldquo; 2009 durch Sydney R. Coleman und Riccardo F. Mazzola erlebt der freie Fetttransfer in der plastischen Chirurgie eine Renaissance.</p> <h2>Warum Renaissance?</h2> <p>Betrachtet man das Cover des Buches &bdquo;Fat Injection: From Filling to Regeneration&ldquo; von Coleman und Mazzola genauer, so erkennt man darauf alte Schwarz-Wei&szlig;-Bilder einer Patientin (Abb. 1). Offenbar handelt es sich um die Vorher/Nachher-Bilder einer Fettinjektion im Gesicht. Die genaue Recherche ergibt, dass es sich hier um Patientenbilder aus dem Fundus von Prof. Eugen Holl&auml;nder, einem Berliner Chirurgen, handelt. Holl&auml;nder begann ab 1906 mit der Transplantation von Fett; dieses wurde zumeist aus Hernien oder Lipomen gewonnen, Fettabsaugung gab es noch nicht. Nach dem &bdquo;Originalrezept&ldquo; von Holl&auml;nder wurde das gewonnene Fett mit Hammelfett vermischt und aufgekocht, bevor es mit d&uuml;nnen Kan&uuml;len injiziert wurde. Diese heute etwas skurril anmutende Methodik war in der Vermeidung von allzu gro&szlig;er Resorption des transplantierten Fettes begr&uuml;ndet. Fortgef&uuml;hrt wurde die Idee der Fetttransplantation vom deutschen Chirurgen Erich Lexer mit seiner Publikation &bdquo;Zur freien Fettransplantation&ldquo; 1919. Danach schien die Fetttransplantation in Vergessenheit zu geraten, waren doch die Anheilungsraten (&bdquo;Take-Raten&ldquo;) zu gering.<br /> Mit der Verbesserung der Methoden zur Fettabsaugung und -bereitstellung zur Infiltration nahmen die Ideen zur Verwendung von Fett in den 1990er-Jahren wieder zu. Durch die von Coleman und Mazzola vorgeschlagene Aufbereitung des Fettes mit Zentrifugen und Infiltration mittels d&uuml;nner Kan&uuml;len konnten Take-Raten von &uuml;ber 50 % erzielt werden und damit gelang der Fetttransplantation der endg&uuml;ltige Durchbruch.<br /> Mit der Erweiterung des Indikationsspektrums erlebt derzeit die freie Fetttransplantation einen regelrechten Boom in der plastischen Chirurgie, der sich auch in der Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen niederschl&auml;gt. Fettinjektionen werden unter anderem zur Korrektur von Weichteildefiziten und Narben, zur Augmentation und Rekonstruktion der weiblichen Brust, zur Behandlung der Dupuytren&rsquo;schen Kontraktur, der schmerzhaften Fr&uuml;hstadien der Rhizarthrose, aber auch zur Rejuvenation und Augmentation des Gesichtes verwendet. Zuletzt wurde auch unter den absoluten Bef&uuml;rwortern dieser Methode das nicht einsch&auml;tzbare Potenzial von Stammzellen, im Speziellen der Pr&auml;adipozyten, zu einer malignen Transformation besonders in vorbelastetes Gewebe (z.B. Brustgewebe) diskutiert. Nun hat sich neuesten Daten zufolge gezeigt, dass diese maligne Transformation der Fettstammzellen bei der Fetttransplantation in Brustgewebe ausgeschlossen werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s14_abb1.jpg" alt="" width="250" height="464" /></p> <h2>Methode</h2> <p>Bei einer erfolgreichen Transplantation (hohe Take-Rate von &uuml;ber 60 % ) spielt die Zusammensetzung, also der Cocktail des Fettes bestehend aus Fett- und Stammzellen sowie aus Zytokinen, eine gro&szlig;e Rolle. Mehr Volumeneffekt wird durch gro&szlig;e Fettzellen, mehr Rejuvenationseffekt durch Stammzellen und Zytokine (&bdquo;Mikro- und Nanofett&ldquo;) erzeugt.<br /> Derzeit ist uns jedoch noch nicht klar, wo sich diese guten Fraktionen im K&ouml;rperfett eines Patienten befinden. Hier zeigten Studien, dass in Hinblick auf Fettdepots und geplante Fettabnahmestellen keine Aussage &uuml;ber die Qualit&auml;t, insbesondere &uuml;ber die Zellen- und Zytokinfraktionen, gemacht werden kann. Aus diesem Grund wird derzeit an unserer Abteilung die Entscheidung betreffend die Fettabnahmestelle in Abh&auml;ngigkeit vom Patientenwunsch und Patientenangebot getroffen. Pr&auml;ferierte Lokalisationen sind der Bauch, die Flanken sowie die Reithosen- und Oberschenkelregion.<br /> Durch schonende Entnahmeverfahren k&ouml;nnen wir jedoch Einfluss auf die Quantit&auml;t des entnommenen Fettes nehmen. Dies hat in unseren H&auml;nden einen gro&szlig;en Einfluss auf die m&ouml;glichen Fettvolumina, welche dann infiltriert werden. Das Fett wird mittels &bdquo;super-wet technique&ldquo; mit d&uuml;nnen 3- und 4mm-Kan&uuml;len im Sinne der Liposuktion entnommen. Abgesaugt werden dabei gro&szlig;e und kleine Adipozyten, Pr&auml;adipozyten, Zytokine, Wachstumsfaktoren, Blut und Tumeszenzl&ouml;sung. Durch mehrmaliges Waschen und schonendes Zentrifugieren (1200U/min; 2min lang) dieser Fraktion gelingt es uns, Fettzellen vom Blut und von der Tumeszenzl&ouml;sung zu trennen. &Uuml;ber Stichinzisionen in die Haut und mittels 1,0 bis 2,7mm d&uuml;nner Kan&uuml;len wird das Fett an den gew&uuml;nschten Ort zur Volumen- und/oder Narbenkorrektur gebracht. Der beschriebene Fetttransfer wird bei Volumenkorrekturen an unserer Abteilung immer in leicht &uuml;berkorrigierender Weise durchgef&uuml;hrt &ndash; dies aufgrund der tats&auml;chlichen Take-Rate von 60&ndash;70 % des infiltrierten Volumens. Kommt es dabei zum Hervortreten von st&ouml;renden Narbenz&uuml;gen, k&ouml;nnen diese perkutan mit der scharfen Spitze einer Nadel beseitigt werden. Dieses Man&ouml;ver wird als &bdquo;Rigottomie&ldquo; bezeichnet.<br /> Nach einer Einheilungsphase von 6&ndash;8 Wochen kann dann der tats&auml;chliche Effekt des Lipofillings beurteilt werden. In dieser Zeitspanne werden die Patienten angehalten, sich keinen Reduktionsdi&auml;ten zu unterziehen, denn bei einer katabolen Stoffwechsellage ist die Take-Rate vermindert.<br /> Zur Rejuvenation und Augmentation des Gesichtes verwenden wir ausschlie&szlig;lich Mikro- und Nanofett. Die Herstellung von Mikro- und Nanofett dient zur Verbesserung der Flie&szlig;eigenschaften f&uuml;r die extrem d&uuml;nnen Kan&uuml;len (1,0&ndash;1,5mm) und zur Erh&ouml;hung der Zytokinfraktion des zu injizierenden Fettes. Dabei wird durch Druck und mittels spezieller Filter die gro&szlig;e Fettzellenfraktion zum Platzen gebracht bzw. es werden Bindegewebsanteile des Lipoaspirates abgesondert. Die zum Volumenzuwachs beschriebene &Uuml;berkorrektur wird bei der Therapie im Gesicht nicht angewendet.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Wir m&ouml;chten an dieser Stelle 4 Kasuistiken vorstellen. Bei den beiden ersten F&auml;llen handelt es sich um eine therapeutische Volumen- und Narbenkorrektur im Gesicht mittels Lipofilling. Fall 3 zeigt eine &auml;sthetische Brustvergr&ouml;&szlig;erung mittels Fetttransfer, Fall 4 eine Volumendefizitkorrektur mittels Lipofilling nach Brustrekonstruktion mit freier Bauchhautlappenplastik (Abb. 2&ndash;5).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s14_abb2_3.jpg" alt="" width="1417" height="1885" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s14_abb4_5.jpg" alt="" width="1417" height="1767" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Der freie Fetttransfer ist zur neuen Wunderwaffe in der plastischen, &auml;sthetischen und rekonstruktiven Chirurgie avanciert. Ob zur Volumenkorrektur, Rejuvenation, Brustvergr&ouml;&szlig;erung ohne Implantate, Brustrekonstruktion, Korrektur von Narben oder von Kontrakturen &ndash; bei der Erfassung des tats&auml;chlichen Potenzials dieser neuen &bdquo;alten&ldquo; Technik stehen wir erst am Anfang.<br /> Angesichts der hervorragenden klinischen Fr&uuml;hresultate haben wir erkannt, dass durch schonende Fettentnahmeverfahren Einfluss auf die Quantit&auml;t des entnommenen Fettes genommen werden kann. Besonders bei der Brustrekonstruktion nach Mammakarzinom best&auml;rken uns neueste Untersuchungen, dass beim Lipofilling in die vormals erkrankte Brust die pluripotenten Pr&auml;adipozyten kein erneutes Tumorwachstum stimulieren bzw. katalysieren. Weitere klinische und experimentelle Forschung sowie akribische klinische Dokumentation dieser Patientenklientel im Sinne einer &bdquo;evidence-based medicine&ldquo; werden notwendig sein, um das gesamte Potenzial dieser Behandlungsmethode ausn&uuml;tzen zu k&ouml;nnen.<br /> Zur Rezidivprophylaxe mittels Fettinjektion in der Behandlung der Dupuytren&rsquo;schen Kontraktur mit Kollagenase haben wir an unserer Abteilung eine prospektive Studie initiiert. Hier unternehmen wir den Versuch, die hohen Rezidivraten bei der Injektionstherapie mittels Kollagenase &ndash; besonders am Mittelgelenk &ndash; durch die gleichzeitige Strangaufdehnung und Injektion von Pr&auml;adipozyten zu senken und dies auch auf einem hohen Evidenzlevel zu dokumentieren.<br /> Um den tats&auml;chlichen Volumenzuwachs bei Weichteildefiziten und Vernarbungen wiederzugeben, werden bildgebende Untersuchungsverfahren wie die Magnetresonanztomografie, Sonografie und digitale 3D-Fotografie gefordert werden, um den tats&auml;chlichen vitalen Fettgewebsanteil objektivierbar darstellen zu k&ouml;nnen. Hier sollen besonders die Langzeitergebnisse die letzten Kritiker &uuml;berzeugen, dass das injizierte Fett eine nachhaltige Wirkung zeigt und nicht wie andere &bdquo;Filler&ldquo; zur G&auml;nze abgebaut wird.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Coleman SR, Mazzola RF: Fat Injection: From filling to Regeneration. Quality Medical Publishing, Inc., St. Louis; Missouri, 2009 &bull; Kronowitz SJ et al.: Lipofilling of the breast does not increase the risk of recurrence of breast cancer: a matched controlled study. Plast Reconstr Surg 2016; 137: 385 &bull; Li K et al.: Selection of donor site for fat grafting and cell isolation. Aesthetic Plast Surg 2013; 37(1): 153-8 &bull; Myckatyn TM et al.: Cancer risk after fat transfer: a multicenter case-cohort study. Plast Reconstr Surg 2017; 139(1): 11-8 &bull; Sarfati RFD et al.: A prospective randomized study comparing centrifugation and sedimentation for fat grafting in breast reconstruction. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2017; 70(9): 1218-28 &bull; Smith P et al.: Autologous human fat grafting: effect of harvesting and preparation techniques on adipocyte graft survival. Plast Reconstr Surg 2006; 117(6): 1836-44 &bull; Tonnard P et al.: Nanofat grafting: basic research and clinical applications. Plast Reconstr Surg 2013; 132(4): 1017-26 &bull; Ullmann Y et al.: Searching for the favorable donor site for fat injection: in vivo study using the nude mice model. Dermat Surg 2005; 31(10): 1304-7</p> </div> </p>
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