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Drug delivery in der Dermatologie
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Mirjana Maiwald
Hautärzte-Zentrum am Zürisee<br> Hirslanden Ärztezentrum Seefeld, Zürich<br> E-Mail: maiwald@hautaerzte-zz.ch
30
Min. Lesezeit
29.08.2019
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<p class="article-intro">Eine intakte Barrierefunktion ist eine wesentliche Eigenschaft gesunder Haut. In der dermatologischen Therapie ist es manchmal vorteilhaft, diese temporär zu schwächen, um den Wirkstofftransport zu erhöhen. Im nachfolgenden Artikel werden zwei Techniken beleuchtet, die dies ermöglichen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Äusserlich (topisch) applizierte Wirkstoffe stellen den Kern der dermatologischen Therapie dar. Von zentraler Bedeutung ist es also, bei Hautproblemen, sei es Krankheit oder blosse Alterserscheinung, im Grundsatz wirksam erscheinende Stoffe bei äusserer Applikation an den Ort des Geschehens in der Haut gelangen zu lassen, wo sie ihre Wirkung entfalten können. Die Bioverfügbarkeit der meisten äusserlich applizierten Substanzen wird in erster Linie durch das lipidreiche Stratum corneum bis auf 1–5 % der applizierten Dosis reduziert. So bleibt die Haut ihrer in der Evolution so wesentlichen Leistung Fremdstoffe abzuweisen treu. Dabei besteht das Stratum corneum lediglich aus 15–20 Zellschichten und hat eine Dicke von 10–15 μm. Darunter folgen weitere Epidermisschichten, sie bilden eine 50– 100μm dicke Barriere, die über verschiedene Transportwege das Eindringen von Wirkstoffen in die Dermis ermöglicht. Darüber hinaus spielen bestimmte Wirkstoffeigenschaften, wie Molekülgrösse (je kleiner, desto besser, Grenze bei ca. 500 kDa), Wasserlöslichkeit (je niedriger, desto besser) sowie die Eigenschaften der Hautbarriere (intakt, aufgelockert durch Entzündung oder iatrogen, aufgequollen durch Einwirkung von Wasser) eine entscheidende Rolle, ob und wie die gewünschten, tiefer gelegenen Zielstrukturen überhaupt erreicht werden. So können die Moleküle aktiv (transzellulär) und passiv (interzellulär) und über die Follikel transportiert werden.<sup>1, 2</sup><br /> In den letzten Jahren wurden, insbesondere in der kosmetischen Forschung, chemische Veränderungen der Wirkstoffe und der Vehikel entwickelt, beispielsweise Verkapselung in Trägersysteme wie Liposomen und Niosomen, oder Herstellung als spezielle (eutektische) Gemische, um das Passieren der Epidermisbarriere, mit/ohne Veränderung derselben, zu verbessern. Physikalische Verfahren wie die Applikation unter Okklusion, Iotophorese, Elektroporation, Einsatz von Radiofrequenz oder Ultraschall verändern die Barriere vorübergehend und verbessern das Einschleusen von Pharmaka in die Haut auf nicht invasive Art und Weise (Abb. 1). Nicht zuletzt können in der Epidermisbarriere temporäre Mikrokanäle erzeugt werden, indem sie mit Mikronadeln (Microneedling) oder fraktioniertem, ablativem Laser behandelt wird.<sup>1, 3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s40_abb1_maiwald.jpg" alt="" width="1464" height="714" /></p> <h2>Microneedles-assisted drug delivery (Einsatz von Mikronadeln)</h2> <p>Das Konzept der Microneedles wurde in den 70er-Jahren entwickelt. Es ist als Zusammenschluss der Vorteile einer klassischen, hypodermen Nadel und eines transdermalen Pflasters («patch») in einem patientenfreundlichen Applikationssystem entstanden. Durch die Mikronadelpflaster erhoffte man sich neben verbessertem Wirkstofftransport («microneedles assisted drug delivery», MADD) auch bessere Therapieadhärenz bei z.B. Impfungen und Hormontherapien. Seither wurden verschiedene Mikronadelsysteme für unterschiedlichste Einsatzbereiche entwickelt. Allen gemeinsam ist die Erzeugung von Mikroöffnungen in der Haut von 1–50 μm, die je nach System eine Eindringtiefe von 100–900 μm erreichen können. Es entsteht dabei ein Konzentrationsunterschied zwischen der Mikroöffnung und dem Gewebe, der die Diffusion der Wirkstoffmoleküle ins Gewebe hinlenkt (Fick’sches Diffusionsgesetz). Dadurch wird die lokale Wirkstoffkonzentration verdoppelt bis verzehnfacht und die Einschleusung vielerlei Moleküle ermöglicht, die vom Stratum corneum aufgehalten gewesen wären.<sup>4, 5</sup> Dies bei beinaher Schmerzfreiheit, schneller Abheilung (Verschluss der Mikrokanäle innert Stunden) mit weniger Infektionen und möglicher Kombination mit anderen Verfahren, wie Radiofrequenz oder Wärme.<br /> Die Anwendung erfolgt mit einem Roller (Walze) oder einem Stempelgerät. Neben ästhetischen Indikationen (Korrektur der Alterungszeichen) kann mittels Microneedling so manches dermatologische Problem durch bessere lokale Wirkstoffzufuhr erleichtert werden. Die Behandlung von Narben und Keloiden mit MADD von Kortikosteroiden und/ oder anderen Substanzen hat sich mittlerweile im Alltag etabliert und ist in der Literatur solide belegt.<sup>4</sup> Neue Berichte zeugen von Erfolgen von MADD von Bleomycin bei plantaren Warzen<sup>6</sup> oder «platelet-rich plasma» (PRP) bei androgenetischer Alopezie des Mannes<sup>7</sup> oder 5-Fluorouracil bei stabiler Vitiligo<sup>8</sup>.</p> <p><strong>Komplikationen der MADD</strong><br /> Trotz diesen ersten Erfolgen sollten die möglichen Komplikationen der MADD nicht ausser Acht gelassen werden. Lokale Toxizität ist aufgrund mehrfacher Wirkungspotenzierung möglich und leider unvorhersehbar, es liegen keine Langzeitdaten vor. Infekte, Narbenbildung, Kontaktsensibilisierung und Granulombildung (z. B. auf Vitamin C) sind wie bei anderen ähnlichen Verfahren<sup>4</sup>, die Hautverletzungen hervorrufen, möglich und nicht zu vernachlässigen.</p> <h2>Laser-assisted drug delivery (Einsatz von fraktionierten Lasern)</h2> <p>Ablative fraktionierte Lasertherapie wurde erstmals 2004 beschrieben und stellt die Grundlage der «laser-assisted drug delivery» (LADD) dar. Der Laserstrahl (Er:YAG- oder CO<sub>2</sub>-basiert) wird auf zahlreiche Mikroimpulse fraktioniert.<sup>1, 2</sup> Treffen diese auf die Haut, lassen sie vertikale kegelförmige Kanäle, sogenannte Mikroablationszonen (MAZ), mit einem Durchmesser von 250–350 μm entstehen. Weil die Laserbehandlung einen geringen Anteil der Haut verändert, sorgt sie für eine kürzere Erholungszeit aufgrund schneller Wundheilung. Die begleitende Hitzeeinwirkung führt zur Ausbildung von Koagulationszonen (KOZ), die die MAZ umgeben. Die Ablationstiefe ist von der angewandten Laserstrahlenergie («fluence») abhängig. Eine Kanaldichte («coverage») bis 5 % hat sich puncto Verträglichkeit und Wirksamkeit der herbeigeführten Wirkstoffe bewährt, Steigerungen erhöhen unnötig das Nebenwirkungsrisiko.<sup>2, 3, 9</sup><br /> Je nach Eindringtiefe der MAZ ändern sich die Zielstrukturen und entsprechend die Indikationen für LADD (Abb. 2). Der Einsatz von LADD in der Vorbereitung für photodynamische Therapien (in der Kombination als Power- PDT bezeichnet) der oberflächlichen Hautkrebsformen führt zur gesteigerten Bioverfügbarkeit der Photosensibilisatoren und erhöht die Therapiewirksamkeit sowohl beim klassischen (Lampe) als auch Daylight(Sonne)-Verfahren.<sup>10</sup> Damit einhergehend ist eine Potenzierung der typischen Begleitreaktionen, aufgrund der höheren «coverage» (10–25 %) der Behandlungsfelder zu berücksichtigen. Im Vergleich zum MADD kommt es nur mit der LADD zu einer homogenen Anreicherung des Photosensibilisators in der Fläche und der Tiefe. Als weitere Einsatzmöglichkeiten in der dermatologischen Onkologie finden sich LADD von Ingenolmebutat oder 5-Fluorouracil bei nicht melanozytären Hauttumoren.<sup>1, 2, A</sup><br /> Abseits der onkologischen Indikationen finden die LADD-unterstützte Applikation von Triamcinolonacetonid oder 5-FU einen Gebrauch in der Behandlung von hypertrophen Narben und Keloiden. Eine Weiterentwicklung von Power-PDT ist die Anwendung bei unterschiedlichen Arten von Warzen (plane, perigunuale, genitale).<sup>10</sup> Auch bei Alopezie kann mittels LADD topisches Minoxidil oder Kortikosteroid eingeschleust werden. Mittlerweile wird die Liste der Substanzen, die im Rahmen einer LADD versucht werden, länger und länger: Timolol (bei Hämangiomen), PRP (Alopezie), Methotrexat (Hautkrebs), Vitamin C und E (Hautalterung), Botulinumtoxin, Zelltherapie (Hautalterung), Diclofenac und Indomethacin (Arthritis), Bimatoprost (Narben), Lidocain (Analgesie) u. v. a.<sup>1, 2, 9</sup><br /> Ähnlich wie bei der MADD können bei LADD verschiedene technische und in vivo Parameter das Therapieresultat positiv oder negativ beeinflussen.<sup>2, 3, 9</sup> Der Hauttyp und die Lokalisation neben der Wirkstoffwahl spielen hier eine entscheidende Rolle bei dem definitiven Ergebnis, insbesondere aufgrund von Wechselwirkungen vom Laserstrahl mit dem Gewebe (z. B. Wassergehalt, Pigmentierung, Narbenbildung). Die MAZ sind nach 30 Minuten zu 100 % offen, 75 % nach 6 Stunden, 3 % nach 24 Stunden, sodass die Applikation des Wirkstoffes unmittelbar nach der Laserbehandlung erfolgen sollte. Der Durchmesser der KOZ kann sowohl einen bremsenden als auch einen hemmenden Einfluss auf die Wirkstoffdiffusion ausüben. Des Weiteren dienen die KOZ gelegentlich als Depotzonen und verkomplizieren weiter das bereits äusserst komplexe System.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s41_abb2_maiwald.jpg" alt="" width="1463" height="690" /></p> <p><strong>Komplikationen der LADD</strong><br /> Die unerwünschten Wirkungen und Komplikationen sind etwa wie bei der MADD und teilweise Wirkstoff-abhängig, ein konsequenter Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor ist ein «Muss», um die unschönen, fleckigen Hyperpigmentierungen zu vermeiden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Aktuelle Studien beweisen, dass sich durch die oben genannten Methoden die dermale Bioverfügbarkeit vieler Wirkstoffe und demzufolge die klinische Wirksamkeit signifikant steigern lassen. Auch bei niedriger Evidenz (Fallberichte, Pilotstudien) und fehlenden Kontrollen sind die Ergebnisse vielversprechend, bedürfen jedoch weiterer Prüfung in grösseren kontrollierten Studien. Darüber hinaus müssen die Behandlungsparameter, Umfang der Eröffnung der Hautbarriere sowie In-situ-Konzentration der applizierten Wirkstoffe und Einfluss der Vehikel genauer untersucht und standardisiert werden, auch um die unerwünschten Wirkungen besser steuern zu können. Die Haut als Barriere verliert somit einen Teil der Eigenschaft als «skin, the final frontier». Der Patient gewinnt jedoch weitere neue Therapieoptionen zur Behandlung von Hautleiden, die sich künftig fest im dermatologischen Alltag etablieren werden.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Braun SA et al.: Laser assisted Drug Delivery: Grundlagen und Praxis. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14(5): 480-9 <strong>2</strong> Zaleski-Larsen LA, Fabi SG: Laser-assisted drug delivery. Dermatologic Surg 2016; 42(8): 919-31 <strong>3</strong> Ibrahim O et al.: Challenges to laser-assisted drug delivery: applying theory to clinical practice. Lasers Surg Med 2018; 50(1): 20-7 <strong>4</strong> Sabri AH et al.: Expanding the applications of microneedles in dermatology. Eur J Pharm Biopharm 2019; 140: 121-40 <strong>5</strong> Dhurat R et al.: Mission impossible: dermal delivery of growth factors via microneedling. Dermatol Ther 2019; 32(3): e12897 <strong>6</strong> Gamil HD et al.: Combined therapy of plantar warts with topical bleomycin and microneedling: a comparative controlled study. J Dermatolog Treat 2019; 17: 1-6 <strong>7</strong> Rodrigues BL et al.: Treatment of male pattern alopecia with platelet-rich plasma: a double-blind controlled study with analysis of platelet number and growth factor levels. J Am Acad Dermatol 2019; 80(3): 694-700 <strong>8</strong> Kumar A et al.: Microneedling with dermaroller 192 needles along with 5-fluorouracil solution in the treatment of stable vitiligo. J Am Acad Dermatol 2019; pii: S0190-9622(19)30084-2 <strong>9</strong> Waibel JS et al.: Update of ablative fractionated lasers to enhance cutaneous topical drug delivery. Adv Ther 2017; 34(8): 1840-9 10 Ozog DM et al.: Photodynamic Therapy. Dermatologic Surg 2016; 42(7): 804-27</p>
</div>
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