<p class="article-intro">Das maligne Melanom ist ein heterogener Tumor. Selbst der Primärtumor kann unterschiedliche Phänotypen an melanozytären Zellen enthalten, was eine Prognose deutlich erschwert. Den Tumorzellen können spezifische Eigenschaften wie „proliferativ“ oder „invasiv“ zugeordnet werden. Durch die Inhibierung des p38/„Mitogen-activated protein kinase-activated protein kinase 2“(MK2)-Signalwegs konnten wir einen „nicht invasiven“ Phänotyp induzieren und die Melanomzellen daran hindern, aus dem Blutstrom in umliegendes Gewebe einzuwandern.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>p38/MK2-Aktivierung trägt zu einem invasiven Phänotyp bei.</li> <li>Der p38/MK2-Signalweg ist verantwortlich für die Expression der RGD-Proteine PODXL und DEL-1.</li> <li>PODXL und DEL-1 sind mit einer schlechten Prognose für Melanompatienten assoziiert.</li> <li>Die Inhibierung von p38/MK2 verhindert die Extravasation von Melanomzellen in umliegende Organe.</li> </ul> </div> <p>Das Melanom ist ein melanozytärer Tumor, der aus Melanozyten der Haut, der Retina oder aus Melanozyten von Nävuszellnävi hervorgehen kann. Initial breiten sich die Tumorzellen horizontal in der Epidermis aus. Durch den Verlust von ECadherin, welches sie an den benachbarten Keratinozyten verankert, kommt es zur Ausprägung des invasiven Phänotyps. Die Tumorzellen können daher von einem horizontalen Wachstum in ein vertikales Wachstum übergehen und die Dermis besiedeln. Diese invasiven Zellen unterscheiden sich vom Primärtumor durch ihren Phänotyp und ihr Wachstumsverhalten.<br /> Der Verlust von E-Cadherin führt dazu, dass die Zell-Zell-Kontakte verloren gehen und Tumorzellen sich frei bewegen können, was zur Wanderung in die Dermis und in der Folge zur Metastasierung (bevorzugt über das Lymphgefäß-System) führt.<br /> Das Gegenstück zum invasiven Phänotyp ist der proliferative Phänotyp, der sich durch erhöhtes Wachstum, aber durch verminderte invasive Eigenschaften auszeichnet. Die Veränderung eines proliferativen Phänotyps hin zu einem invasiven Phänotyp bedeutet, dass die Melanomzellen invasive Eigenschaften bekommen und dadurch migrieren und metastasieren können. Die Heterogenität des Melanoms und das Vorhandensein unterschiedlicher Phänotypen im Primärtumor spiegeln sich in der unterschiedlichen Expression von E-Cadherin wider (Abb. 1).<br /> Wir konnten in vorangegangenen Publikationen bereits zeigen, dass die beiden „Mitogen-activated protein kinase“ (MAPK)-Signalwege „c-Jun N-terminal kinase“ (JNK) und p38 zur Entstehung des proliferativen und des invasiven Phänotyps beitragen.<sup>1</sup> Dazu wurde der Mikrophthalmie-assoziierte Transkriptionsfaktor (MITF) als Marker für den proliferativen Phänotyp und „vascular endothelial growth factor C“ (VEGF-C) als Marker für den invasiven Phänotyp herangezogen. MITF ist ein Transkriptionsfaktor, der zu erhöhten Proliferationsraten beiträgt. VEGF-C ist der wichtigste Faktor für die Induktion von Lymphangiogenese und daher für die Metastasierung von Bedeutung. Die Aktivierung von <em>JNK</em> resultiert in MITF<sup>hoch</sup>/VEGF-C<sup>niedrig</sup>-Zellen. Diese Zellen sind stark proliferierend, aber nicht invasiv und charakterisieren somit den proliferativen Phänotyp. Im Gegensatz dazu entstehen durch die Aktivierung von p38 MITF<sup>niedrig</sup>/VEGF-C<sup>hoch</sup>-Zellen, die eine verminderte Proliferationsrate aufweisen, aber höchst invasiv sind. Dieses Verhalten liegt dem invasiven Phänotyp zugrunde. Im folgenden Abschnitt wird eine weitere Möglichkeit beschrieben, um invasive Zellen zu charakterisieren. Dabei wird das Verhältnis von E-Cadherin zum p38/MK2-Signalweg benutzt, um Biomarker für invasive Zellen zu identifizieren.</p>
<p class="article-intro">Das maligne Melanom ist ein heterogener Tumor. Selbst der Primärtumor kann unterschiedliche Phänotypen an melanozytären Zellen enthalten, was eine Prognose deutlich erschwert. Den Tumorzellen können spezifische Eigenschaften wie „proliferativ“ oder „invasiv“ zugeordnet werden. Durch die Inhibierung des p38/„Mitogen-activated protein kinase-activated protein kinase 2“(MK2)-Signalwegs konnten wir einen „nicht invasiven“ Phänotyp induzieren und die Melanomzellen daran hindern, aus dem Blutstrom in umliegendes Gewebe einzuwandern.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>p38/MK2-Aktivierung trägt zu einem invasiven Phänotyp bei.</li> <li>Der p38/MK2-Signalweg ist verantwortlich für die Expression der RGD-Proteine PODXL und DEL-1.</li> <li>PODXL und DEL-1 sind mit einer schlechten Prognose für Melanompatienten assoziiert.</li> <li>Die Inhibierung von p38/MK2 verhindert die Extravasation von Melanomzellen in umliegende Organe.</li> </ul> </div> <p>Das Melanom ist ein melanozytärer Tumor, der aus Melanozyten der Haut, der Retina oder aus Melanozyten von Nävuszellnävi hervorgehen kann. Initial breiten sich die Tumorzellen horizontal in der Epidermis aus. Durch den Verlust von ECadherin, welches sie an den benachbarten Keratinozyten verankert, kommt es zur Ausprägung des invasiven Phänotyps. Die Tumorzellen können daher von einem horizontalen Wachstum in ein vertikales Wachstum übergehen und die Dermis besiedeln. Diese invasiven Zellen unterscheiden sich vom Primärtumor durch ihren Phänotyp und ihr Wachstumsverhalten.<br /> Der Verlust von E-Cadherin führt dazu, dass die Zell-Zell-Kontakte verloren gehen und Tumorzellen sich frei bewegen können, was zur Wanderung in die Dermis und in der Folge zur Metastasierung (bevorzugt über das Lymphgefäß-System) führt.<br /> Das Gegenstück zum invasiven Phänotyp ist der proliferative Phänotyp, der sich durch erhöhtes Wachstum, aber durch verminderte invasive Eigenschaften auszeichnet. Die Veränderung eines proliferativen Phänotyps hin zu einem invasiven Phänotyp bedeutet, dass die Melanomzellen invasive Eigenschaften bekommen und dadurch migrieren und metastasieren können. Die Heterogenität des Melanoms und das Vorhandensein unterschiedlicher Phänotypen im Primärtumor spiegeln sich in der unterschiedlichen Expression von E-Cadherin wider (Abb. 1).<br /> Wir konnten in vorangegangenen Publikationen bereits zeigen, dass die beiden „Mitogen-activated protein kinase“ (MAPK)-Signalwege „c-Jun N-terminal kinase“ (JNK) und p38 zur Entstehung des proliferativen und des invasiven Phänotyps beitragen.<sup>1</sup> Dazu wurde der Mikrophthalmie-assoziierte Transkriptionsfaktor (MITF) als Marker für den proliferativen Phänotyp und „vascular endothelial growth factor C“ (VEGF-C) als Marker für den invasiven Phänotyp herangezogen. MITF ist ein Transkriptionsfaktor, der zu erhöhten Proliferationsraten beiträgt. VEGF-C ist der wichtigste Faktor für die Induktion von Lymphangiogenese und daher für die Metastasierung von Bedeutung. Die Aktivierung von <em>JNK</em> resultiert in MITF<sup>hoch</sup>/VEGF-C<sup>niedrig</sup>-Zellen. Diese Zellen sind stark proliferierend, aber nicht invasiv und charakterisieren somit den proliferativen Phänotyp. Im Gegensatz dazu entstehen durch die Aktivierung von p38 MITF<sup>niedrig</sup>/VEGF-C<sup>hoch</sup>-Zellen, die eine verminderte Proliferationsrate aufweisen, aber höchst invasiv sind. Dieses Verhalten liegt dem invasiven Phänotyp zugrunde. Im folgenden Abschnitt wird eine weitere Möglichkeit beschrieben, um invasive Zellen zu charakterisieren. Dabei wird das Verhältnis von E-Cadherin zum p38/MK2-Signalweg benutzt, um Biomarker für invasive Zellen zu identifizieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Derma_2001_Weblinks_jat_derma_2001_s32_abb1_wenzina.jpg" alt="" width="550" height="364" /></p> <h2>Versuchsaufbau</h2> <p>Um hämatogen zu metastasieren, muss die Tumorzelle in die Gefäße „ein- und aussteigen“ können. Dieses Vorgehen untersuchten wir, indem wir 22 Melanomzelllinien charakterisiert und ihnen invasive und proliferative Eigenschaften zugeordnet haben. Das Oberflächenmolekül E-Cadherin hat sich als geeigneter Marker für die proliferative Variante (den sogenannten „proliferativen Phänotyp“) und E-Cadherin-Negativität für die invasive Variante (den sogenannten „invasiven Phänotyp“) erwiesen. Die Expression von E-Cadherin kann somit herangezogen werden, um die Signalübertragungswege, die zur Metastasierung führen, zu erforschen.</p> <h2>Resultate der In-vitro- und In-vivo- Versuche</h2> <p>Wir untersuchten 22 Melanomzelllinien auf die Aktivierung von JNK und p38. Zellen, die eine hohe E-Cadherin-Expression aufwiesen, zeigten eine starke JNK-, aber keine p38-Aktivierung. Im Unterschied dazu hatten E-Cadherin-negative Zellen eine kaum nachweisbare JNK, dafür aber eine hohe p38-Aktivierung. Um die Zellen von einem invasiven zu einem proliferativen Phänotyp umzuschalten, wurden diese mit einem p38-Inhibitor oder einem MK2-Inhibitor behandelt; MK2 ist eine Kinase, die p38 nachgeschaltet ist. Durch die Behandlung mit diesen Inhibitoren konnten wir eine bis zu 25-fache Erhöhung von E-Cadherin erzielen. Zusätzlich dazu wurde in vitro eine verlangsamte Migration der Zellen unter Behandlung mit dem MK2-Inhibitor nachgewiesen, was die Charakteristika des proliferativen Phänotyps widerspiegelt.<br /> Darüber hinaus wurden E-Cadherinnegative Zelllinien in die Flanken von Mäusen mit schwerem kombiniertem Immundefekt („severe combined immunodeficiency“, SCID) injiziert. Sobald ein Tumor greifbar war, wurde der p38-Inhibitor SB202190 peritumoral für zwei Wochen in den Primärtumor gespritzt. Eine histologische Färbung des Tumors nach Exzision zeigte, dass E-Cadherin in den Tumoren, die den p38-Inhibitor erhalten haben, im Vergleich zu Kontrolltumoren erhöht ist (Abb. 2). Ein weiteres In-vivo-Experiment mit SCID-Mäusen zeigte, dass Melanomzellen, die mit dem MK2-Inhibitor PF-3644022 behandelt und dann intravenös injiziert wurden, im Vergleich zu den Kontrollzellen in der Lunge keine Metastasen bilden konnten. Als Kontrolle wurde in allen angeführten Experimenten Dimethylsulfoxid (DMSO) verwendet.<br /> Um zu metastasieren, müssen Tumorzellen aus dem Blutstrom austreten und in umliegendes Gewebe eindringen. Die erste Hürde, die es dabei zu überwinden gilt, ist die Endothelzell-Barriere. Die Tumorzellen müssen dafür an das Endothel binden. Faktoren, die für dieses Binden verantwortlich sein können, sind Integrine. Integrine befinden sich an der Oberfläche von Endothelzellen und binden Proteine, die ein RGD-Motiv aufweisen. Diese Bindung kann in vitro durch synthetisch hergestellte RGD-Peptide blockiert werden. Wir konnten die Invasivität unserer Melanomzelllinien in einer Ko-Kultur aus Tumorzellen und Endothelzellen testen, indem wir Melanom-Spheroide auf einem Endothelzell-Monolayer kultivierten. Nach drei Stunden kam es zur Retraktion der Endothelzellen und somit zu einem Loch im Monolayer. Dieses Phänomen konnte mit der Zugabe von RGDPeptiden oder mit MK2-Inhibitor-vorbehandelten Spheroiden komplett unterbunden werden. Um festzustellen, welches Melanomprotein für die Bindung an die Endothelintegrine verantwortlich ist, führten wir eine Korrelationsanalyse durch und konnten die beiden Proteine Podocalyxin-ähnliches Protein 1 (PODXL) und DEL-1 identifizieren. Die Expression dieser Proteine ist mit einer geringen Überlebensrate von Melanompatienten assoziiert. Die Expression von PODXL und DEL-1 konnte durch die Inhibierung des p38/MK2-Signalwegs reduziert werden.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Derma_2001_Weblinks_jat_derma_2001_s33_abb2_wenzina.jpg" alt="" width="550" height="318" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Aktivierung des p38/MK2-Signalwegs führt zur Expression von Integrinbindenden Proteinen, die die Invasivität der Melanomzellen potenziert. MK2 reguliert die Integrin-bindenden Proteine PODXL und DEL-1, die zu einer verschlechterten Prognose für Melanompatienten führen und als prognostische Marker herangezogen werden können. Die Inhibierung des p38/MK2-Signalwegs hat eine verminderte Expression von PODXL und DEL-1 zur Folge. Deshalb können Proteine, die Teil des p38/MK2-Signalwegs sind, potenzielle Therapeutika darstellen (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Derma_2001_Weblinks_jat_derma_2001_s33_abb3_wenzina.jpg" alt="" width="550" height="309" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Puujalka E et al.: Opposing roles of JNK and p38 in lymphangiogenesis in melanoma. J Invest Dermatol 2016; 136(5): 967-77 <strong>2</strong> Wenzina J et al.: Inhibition of p38/MK2 signaling prevents vascular invasion of melanoma. J Invest Dermatol 2019; [E-pub ahead of print]</p>
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