
Warum ist Tauchtauglichkeit so wichtig?

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Schätzungen zufolge gehen in Deutschland knapp 5 Millionen Menschen dem Tauchsport nach und die aktuelle Pandemie hat dem keinen wesentlichen Abbruch getan.1 Entsprechende Zahlen sind für Österreich nicht erhebbar, gemein ist beiden Ländern aber der Umstand, dass die Taucher immer älter beziehungsweise jünger werden.
Warum ist die Tauchtauglichkeit eigentlich so wichtig?
Bei aller Faszination und Begeisterung für die Unterwasserwelt – seien es die heimischen Seen oder die Riffe auf den Malediven – dürfen wir einen wesentlichen Umstand nicht außer Acht lassen: Als Menschen begeben wir uns in eine für uns lebensfeindliche Umgebung! Alleine der simple Vorgang des Eintauchens ins Wasser (= Immersion) führt zu einigen weitreichenden Veränderungen in unserem Körper.
Die wenigsten Personen kämen wahrscheinlich auf die Idee, ohne jegliche Vorbereitung und ärztliche Abklärung der Fitness an einem Marathon oder gar einem Ironman®-Bewerb teilzunehmen. Zu groß ist der gesunde Respekt vor den Anforderungen an unseren Körper, die mit diesen beiden Bewerben verbunden sind. Geht es um Eignungsuntersuchungen für den Tauchsport, wird man hingegen oft mit Unverständnis seitens der Anwärter konfrontiert. „Ich mach doch nur easy diving“, „Man schwebt doch eh nur“, „Das ist ja nicht anstrengend“, „Da gibt es ja keine Strömung“ sind nur einige der Aussagen, mit denen sich der tauchmedizinisch tätige Arzt zu beschäftigen und auseinanderzusetzen hat.
Essenziell ist, unseren Klienten klarzumachen, dass wir nicht die Rolle des „Spielverderbers“ haben, der ihnen das Tauchen verbieten will! Unsere Rolle als Tauchmediziner ist es, eine Risikobewertung und -abschätzung vorzunehmen und entsprechend den Ergebnissen Empfehlungen abzugeben, zu beraten und gegebenenfalls auch keine Eignung für den Tauchsport auszusprechen. Hierbei ist der Umstand, selbst zu tauchen, sehr hilfreich, da man seinen Klienten auf Augenhöhe begegnet, aufgetretene Probleme nachvollziehen und glaubwürdiger beraten kann, als wenn das Tauchen nur rein aus der Theorie bekannt ist.
Medizinische Risiken beim Tauchsport
Gut 70–80% aller Probleme, die bei der Ausübung des Tauchsports auftreten, haben ihren Ursprung im HNO-Bereich. Da diesem Bereich in eigenen Artikeln besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, möchte ich an dieser Stelle nur den Umstand betonen, dass meist Druckunterschiede, die beim Ab- und Auftauchen auftreten, verantwortlich für tauchspezifische Probleme im HNO-Bereich bzw. in der Lunge sind (Abb.1). Luft in unserem Körper (z.B. in den Nasennebenhöhlen, dem Mittelohr, der Lunge, dem Magen-Darm-Trakt) wird beim Abtauchen komprimiert und dehnt sich beim Auftauchen wieder aus. Jede Behinderung der Belüftung führt also zwangsläufig zu Problemen im entsprechenden Organ, was lebensbedrohlich sein kann! (Tab.1)
Immersion und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Als Immersion bezeichnet man die physikalische Einbringung eines Objektes ins Wasser und die damit verbundene Wechselwirkung – im Falle des Tauchers also einfach den simplen Vorgang, ins Wasser zu gehen, zu springen oder sich ins Wasser fallen zu lassen. Allein dieser einfache, für das Tauchen aber notwendige Vorgang führt zu einer Reihe von Veränderungen in unserem Körper. Egal ob beim Schwimmen oder beim Tauchen, unser Herz-Kreislauf-System reagiert auf den Wechsel vom Festland ins Wasser durch eine Erhöhung der Vor- und der Nachlast. Es kommt also zu einem vermehrten Rückstrom des Blutes zum Herzen (= Vorlast), das jetzt aber auch gegen einen erhöhten Widerstand das Blut weiterpumpen muss (= Nachlast). Vereinfacht gesagt, kann alleine durch das Eintauchen des Körpers das Herz also überlastet werden. Es kann beispielsweise zu einem Pumpversagen mit nachfolgendem Lungenödem kommen. Dass dies nicht nur untrainierte, herzkranke Personen treffen kann, sondern beispielsweise auch topfitte Elitesoldaten, zeigt eine Studie der US Navy SEALs2, bei der die Häufigkeit von durch das Schwimmen ausgelösten Lungenödemen oder anderen Lungenbeschwerden untersucht wurde. Für uns als Tauchmediziner umso mehr ein Grund, unsere Klienten im Hinblick auf Herzgesundheit genau unter die Lupe zu nehmen! Aus diesem Grund sind auch ein Ruhe-EKG (und ab 40 Jahren auch die Durchführung eines Belastungs-EKG), die Messung des Blutdrucks sowie das Abhören des Herzens wichtige Bestandteile einer tauchsportärztlichen Untersuchung.
03 Unter der Frenzel-Brille wird auf das Auftreten eines Nystagmus (Augenzucken) geachtet
Bluthochdruck ist in unserer Gesellschaft eine weitverbreitete Erkrankung, die entsprechend auch bei unseren Tauchanwärtern vorliegen kann. Ein nicht ausreichend mit Medikamenten kontrollierter Bluthochdruck ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Lungenödems verbunden und daher ein triftiger Grund, vorerst keine Tauchtauglichkeit zu attestieren. Ist der Blutdruck hingegen gut über mehrere Monate mit Medikamenten eingestellt, ist das Tauchen möglich.
Druckänderungen der luftgefüllten Hohlräume – die Lunge
Wie in Abbildung 1 dargestellt, unterliegt die Luft in unserem Körper einer Kompression beim Abtauchen und einer Ausdehnung beim Auftauchen. Das trifft natürlich auch auf die Luft in unserer Lunge zu. Eine uneingeschränkte Lungenfunktion ist daher für das Tauchen unerlässlich, denn besonders in der Auftauchphase kann es ansonsten zum „air trapping“ kommen. Darunter versteht man, dass die sich ausdehnende Luft nicht oder nur unzureichend aus den engsten und feinsten Strukturen der Lunge (Alveolen, Bronchiolen) entweichen und abgeatmet werden kann und diese in der Folge beim weiteren Auftauchen immer stärker überdehnt wird und letztlich reißen kann.
Risikofaktoren, die dieses lebensgefährliche Problem begünstigen beziehungsweise auslösen können, sind ein nicht (gut) kontrolliertes Asthma bronchiale, eine dauerhaft atemwegsverengende Lungenerkrankung (COPD) oder auch eine überblähte Lunge (Lungenemphysem). Bei diesen Erkrankungen bestehen entweder „Sollbruchstellen“ im Lungengewebe (beim Lungenemphysem) oder verengte Atemwege können sich unter Tauchbedingungen noch weiter verengen und so zum „air trapping“ (bei Asthma bzw. bei COPD) führen. Das Abhören der Lunge sowie die Durchführung einer Lungenfunktionsmessung (Spirometrie) ist daher routinemäßig im Rahmen jeder tauchsportärztlichen Untersuchung vorzunehmen.
Veränderte vestibuläre Wahrnehmung – Schwerelosigkeit
Unser Gleichgewichtsempfinden bedient sich drei unterschiedlicher Mechanismen. Zum einen gibt es das propriozeptive
System, das man auch als Tiefensensibilität bezeichnet und das uns über Rezeptoren Auskunft über Stellung und Bewegung des Körpers im Raum gibt. Der Sehsinn ist der zweite Mechanismus, über den sich unser Gehirn Informationen zur Lage im Raum verschafft. In der Regel ist dieser Informationskanal auch der, den unser Gehirn dazu in den meisten Situationen auch bevorzugt heranzieht. Der dritte Mechanismus ist das vestibuläre System in unserem Innenohr, dem Gleichgewichtsorgan, das in der Regel eher im Hintergrund arbeitet und auf welches das Gehirn unter bestimmten Umständen umschaltet. Beim Tauchen passiert dies besonders bei schlechter Sicht, wenn das Gehirn sich also nicht mehr auf die Seheindrücke verlassen kann. In Kombination mit der scheinbaren Schwerelosigkeit, der wir unter Wasser unterliegen, kann bei einer eingeschränkten Gleichgewichtsfunktion des Innenohrs eine lebensgefährliche Situation mit Schwindel und Orientierungsverlust eintreten. Eine genaue Untersuchung des Gleichgewichtssinnes ist daher bei der Tauchuntersuchung unerlässlich. Diese erfolgt unter anderem mittels eines Stehtests (Romberg-Test) und eines Tests, bei dem, bei geschlossenen Augen, am Stand Schritte durchzuführen sind (Unterberger-Test) (Abb.2), bzw. mittels Frenzel-Brille zur Abklärung von Schwindelbeschwerden (Abb.3).
Psychologische Faktoren/Medikamente
Da wir uns beim Tauchen in eine potenziell lebensgefährliche Umgebung begeben, ist auch die geistige Eignung zur Ausübung des Sports zu beurteilen. Hinweise auf erhöhte Bereitschaft zu Risikoverhalten sollten keinesfalls ignoriert oder bagatellisiert werden, sondern im Gegenteil von uns als Untersuchern thematisiert werden. In einigen Fällen mag es sich einfach um ein nicht ausreichendes Verständnis der Risiken und der daraus entstehenden Gefahren handeln und ein Aufklärungsgespräch kann hier für Klarheit und Sicherheit sorgen.
Oft werden beispielsweise gesundheitliche Risiken, wie Bluthochdruck oder Atemwegserkrankungen, Druckausgleichbeschwerden und Ähnliches, schlichtweg unterschätzt und in diesem Fall lässt sich das Problem in den allermeisten Fällen auch gut lösen.
Stellen wir jedoch fest, dass unsere Klienten keine oder nur eingeschränkt Einsicht bezüglich Gefahren haben bzw. zeigen (z.B.: „Da waren wir mit Pressluft auf 70m“ und sinngemäß ähnliche Aussagen beispielsweise zu Tiefenlimits, zur Dauer der Tauchgänge, zu die Erfahrung bzw. Ausbildung der Taucher übersteigenden Tauchgängen etc.), sollten wir uns durchaus vorbehalten, diesen Personen keine Tauchtauglichkeit zu attestieren. Uns sollte immer bewusst sein, dass Taucher unter Wasser nicht nur sich selbst, sondern alle, die mit ihnen tauchen, gefährden können!
Auch Medikamente können die Eignung für den Tauchsport einschränken bzw. ausschließen. Diesbezüglich ist eine genaue Erhebung aller einzunehmenden Mittel unerlässlich. Besonders solche, die die Reaktionsfähigkeit bzw. die Wahrnehmung in irgendeiner Weise trüben oder verlangsamen, sind auszuschließen. In manchen Fällen kann die Behandlung auf ein anderes Präparat umgestellt werden, diesbezüglich empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit den behandelnden Fachärzten.
Fazit
Das Tauchen ist eine faszinierende und relativ sichere Sportart, wenn Regeln eingehalten werden und die gesundheitliche Eignung vorliegt. Würden Sie untrainiert bzw. nicht gut medizinisch untersucht einen Marathonlauf oder einen Ironman® in Angriff nehmen? Als Taucherärzte wünschen wir unseren Klienten schöne Tauchgänge – und besonders, dass sie wieder gesund auftauchen und uns von ihrem Erlebnis berichten.
Literatur
Statista: Anzahl der Personen in Deutschland, die in der Freizeit Tauchen gehen, nach Häufigkeit von 2017 bis 2021 (in Millionen). https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171152/umfrage/haeufigkeit-von-tauchen-in-der-freizeit/ ; zuletzt aufgerufen am 10. 2. 2022
Volk C et al.: Incidence and impact of swimming-induced pulmonary edema on Navy SEAL candidates. Education and Clinical Practice: Original Research. Chest 2021; 159(5): 1934-41
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