
Modernes Lipidmanagement in der Praxis




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Mit der koronaren Herzkrankheit an erster Stelle und dem Schlaganfall an zweiter Stelle sind 25% der Todesursachen weltweit auf eine kardiovaskuläre Ätiologie zurückzuführen. Neben arterieller Hypertonie, Rauchen, Adipositas und Glukosestoffwechselstörungen gehören Fettstoffwechselstörungen zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung der Atherosklerose. Falls kein Verdacht auf Diabetes mellitus oder familiäre Hypercholesterinämie besteht, empfehlen die neuesten Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, bei Männern ab dem 40. und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr einen Lipidstatus und ein kardiovaskuläres Risikoscreening durchzuführen.1 Ein Lipidstatus besteht aus der Bestimmung von Gesamtcholesterin, Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C), High-Density-Lipoprotein-Cholesterin (HDL-C) und Triglyzeriden (TG). Einmalig sollte auch das Lipoproteina (Lp[a]) bestimmt werden. Entgegen früheren Empfehlungen müssen Patienten bei der Blutabnahme nicht mehr nüchtern sein. Nur bei sehr hohen TG empfiehlt es sich, eine Nüchternblutabnahme durchzuführen.
Kardiovaskuläres Risiko
Zu den Patienten mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko gehören jene mit einer bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankung oder dem Nachweis signifikanter atherosklerotischer Plaques in einem durchgeführten Carotis-Duplex oder Koronar-CT (>50% Stenose) sowie die Mehrzahl der Diabetiker oder Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Für die Einstufung aufein hohes kardiovaskuläres Risiko genügt bereits ein hochsignifikanter Risikofaktor, wie ein LDL-C >190mg/dl oder Blutdruckwerte >180/110mmHg,des Weiteren haben Patienten mit einer familiären Hypercholesterinämie, Diabetiker ohne Nachweis von Organschäden und Patienten mit leicht eingeschränkter Nierenfunktion ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Bei allen anderen Personen müseen weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie Rauchen, Hypertonie (RR >140/90mmHg oder Medikamente), eine positive Familienanamnese (bei männlichen Verwandten ersten Grades <55 Jahren; bei weiblichen Verwandten ersten Grades <65 Jahren) und das Alter (Männer >45 Jahre; Frauen >55 Jahre), erhoben werden. Das individuelle 10-Jahres-Risiko für eine tödliche kardiovaskuläre Erkrankung kann mithilfe von SCORE-Tabellen bestimmt werden (www.heartscore.org). Die Bestimmung des koronaren Kalzium-Scores mittels CT kann als Risikomodifikator bei der Bewertung des kardiovaskulären Risikos von asymptomatischen Personen mit niedrigem oder mittlerem Risiko in Betracht gezogen werden. Liegt der Agatston-Score >100 oder gibt es Hinweise auf auch nur geringe Plaques im Carotis-Duplex, gilt man zumindest als Hochrisikopatient.
Zielwerte
Die Zielwerte konzentrieren sich primär auf das LDL-C und bei TG >200mg/dl auf das ApolipoproteinB oder das Non-HDL-C (Gesamtcholesterin minus HDL-C). Der Zielbereich des Non-HDL-C liegt dabei immer 30mg/dl über dem Zielbereich des LDL-C.
Bei Hochrisikopatienten soll zusätzlich zu den LDL-C-Zielwerten von unter 55mg/dl (sehr hohes Risiko) bzw. 70mg/dl (hohes Risiko) das LDL-C um zumindest 50% gesenkt werden. Deshalb muss jeder Hochrisikopatient unabhängig von seinem LDL-C zumindest ein Hochdosisstatin erhalten. Für Patienten mit einem weiteren kardiovaskulären Ereignis innerhalb von 2 Jahren trotz optimaler Lipidtherapie ist die Therapie noch aggressiver anzusetzen, um ein LDL-C <40mg/dl zu erreichen. Bei moderatem Risiko soll ein LDL-C von <100mg/dl und bei niedrigem Risiko ein LDL-C von <115mg/dl angestrebt werden. HDL-Ratios werden nicht mehr zur Risikostratifizierung oder als Therapieziel herangezogen.
Diät und medikamentöse Therapie
Bei Patienten mit moderatem oder geringem Risiko werden in erster Linie Diät und körperliche Aktivität empfohlen. Wenn nach drei Monaten weiterhin die angegebenen Grenzwerte überschritten werden, sollte eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Bei Hochrisikopatienten muss immer unverzüglich mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden. Basierend auf den Daten zahlreicher randomisierter Studien, umfassen die derzeitigen Möglichkeiten der LDL-C-Senkung zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos Statine, Ezetimib und Proprotein-Convertase-Subtilisin-Kexin-Typ-9(PCSK9)-hemmende monoklonale Antikörper. Neue Therapieoptionen sind Inclisiran und die Bempedoinsäure (Tab.1, Abb.1).
Statine
Statine waren die ersten Lipidsenker, die eine konsistente Reduktion des kardiovaskulären Risikos zeigten, was sie zu den am besten untersuchten Medikamenten in der kardiovaskulären Medizin macht. Die Daten zeigen, dass eine Senkung des LDL-C um 40mg/dl zu einer relativen Reduktion der kardiovaskulären Mortalität um 20% führt. Statine hemmen einen Schritt der Cholesterin-Biosynthese in der Leber – das Enzym Hydroxymethylglutaryl (HMG)-CoA-Reduktase. Eine Statintherapie in moderater Dosierung senkt das LDL-C um etwa 30 bis 35%, während eine Hochdosisstatintherapie das LDL-C um 45 bis 55% senkt. Damit stellen Hochdosisstatine die Erstlinientherapie für Patienten mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko dar. Wichtig ist, dass Statine sicher und gut verträglich sind, was Daten aus randomisierten kontrollierten Studien zeigen. Obwohl Patienten häufig Nebenwirkungen bei Statinen wahrnehmen, ist die Rate an unerwünschten Ereignissen bei Statinen gering. Bei langer Anwendung erhöhen Statine geringfügig das Risiko für Diabetes mellitus. Dies sollte jedoch keinen Einfluss auf die Nutzen-Risiko-Abwägung bei Personen mit moderatem oder hohem kardiovaskulärem Risiko haben, jedoch zu einer Nutzen-Risiko-Abwägung bei Personen mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko führen. Erhöhte Leberenzyme treten bei 0,5–2% auf. Daher wird empfohlen, die Leber- und Cholesterinwerte 4 bis 8 Wochen nach Beginn der Statintherapie zu kontrollieren. Des Weiteren sollte in diesem Zeitraum auf das Auftreten einer möglichen Statinunverträglichkeit geachtet werden.
Ezetimib
Ezetimib, verringert die intestinale Absorption von Cholesterin in der Darmwand und senkt das LDL-Cals Monotherapie oder zusätzlich zu einem Statin um ca. 15% bis 20%. Bei Patienten mit sehr hohem Risiko und einem Ausgangs-LDL-C >100mg/dl soll direkt mit einer Kombinationstherapie aus Hochdosisstatin und Ezetimib begonnen werden, da nicht anzunehmen ist, dass der Zielbereich mit einer Statinmonotherapie sicher erreicht wird.
PCSK9-Inhibitoren
PCSK9-Inhibitoren, wie Alirocumab und Evolocumab, sind monoklonale Antikörper, die in Abständen von zwei Wochen subkutan verabreicht werden und das LDL-C um 50–60% senken. PCSK9-Hemmer binden an zirkulierendes PCSK9, welches für den Abbau der LDL-Rezeptoren von Hepatozyten verantwortlich ist, und erhöhen dadurch die Anzahl der LDL-Rezeptoren an der Zellmembran. Folglich wird die Aufnahme von LDL-C in die Leberzellen über die höhere Rezeptordichte erhöht, womit die körpereigene Cholesterinsynthese reduziert wird. In Studien haben PCSK9-Inhibitoren die Rate an kardiovaskulären Ereignissen gesenkt und ein sehr günstiges Nebenwirkungsprofil gezeigt. PCSK9-Hemmer sind derzeit für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in der Sekundärprävention oder für Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH) auch in der Primärprävention zugelassen, wenn mit einer Kombinationstherapie aus maximal verträglichem Statin und Ezetimib das LDL-Ziel nicht erreicht wird. In Österreich kann die Erstverschreibung von PCSK9-Inhibitoren nur von spezialisierten Zentren vorgenommen werden.
Inclisiran
Inclisiran ist eine lang wirkende, synthetische kleine interferierende RNA (siRNA), die subkutan verabreicht wird und die Translation des Proteins PCSK9 hemmt. Es bewirkt eine leberzellspezifische intrazelluläre Hemmung von PCSK9, indem es selektiv die Translation der PCSK9-mRNA durch Bindung an den RNA-induzierten Silencing-Komplex verhindert (Abb. 2). Inclisiran wurde im Dezember 2020 von der Europäischen Union zugelassen. Die Zulassung basiert auf einer anhaltenden LDL-C-Senkung um bis zu 50% bei Patienten mit erhöhtem LDL-C trotz maximal verträglicher Statintherapie. Wichtig ist, dass die Wirkung von Inclisiran langanhaltend ist und zu einer nachhaltigen Senkung des LDL-C-Werts führt. Das derzeit vorgeschlagene Dosierungsschema erfordert eine Dosis zu Beginn und nach 90 Tagen, danach wird es zweimal jährlich verabreicht. Die derzeit laufende randomisiert-kontrollierte ORION-4-Studie zielt darauf ab, die Wirksamkeit der Inclisiran-Behandlung auf das klinische Outcome bei Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen zu untersuchen. Mit zwei Dosen pro Jahr hat Inclisiran das Potenzial, Probleme mit der langfristigen Adhärenz zu vermeiden, die bei aktuellen Therapien auftreten.
Bempedoinsäure
Die Bempedoinsäure ist als Monopräparat oder in Kombination mit Ezetimib seit Kurzem in Österreich erhältlich. Diese neue Substanz hemmt die Cholesterinsynthese einen Schritt oberhalb der Statine und senkt das LDL-C um ca. 15–25% als Monoprärat und um bis zu 38% in Kombination mit Ezetimib. Im Gegensatz zu den Statinen ist die Bempedoinsäure ein Prodrug und wird erst in der Leber aktiviert, daher treten keine Muskelbeschwerden als Nebenwirkung auf, weshalb die Therapie auch besonders gut für Patienten mit Statinintoleranz geeignet ist. Zu beachten ist, dass die Therapie mit einem Anstieg der Harnsäurekonzentration im Blut einhergehen kann und bei Auftreten eines Gichtanfalls einzustellen ist.
Evinacumab
Evinacumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an das Angiopoietin-ähnliche Protein 3 (ANGPTL3) bindet und zu einer Aktivierung der Lipoproteinlipase (LPL) führt. Dadurch wirkt es unabhängig vom LDL-Rezeptor. In einer rezent erschienenen Studie senkte Evinacumab die Cholesterinspiegel bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (FH) um die Hälfte. Damit bietet der neue Wirkstoff eine vielversprechende Add-on-Therapie für Personen mit homozygoter FH, die eine weitere LDL-C-Senkung benötigen.
Fibrate
Bei Hochrisikopatienten mit TG > 200 mg/dl soll versucht werden, mit einer Statintherapie ein Non-HDL-C-Ziel von 85 mg/dl bei sehr hohem Risiko oder 100mg/dl bei hohem Risiko zu erreichen. Falls dies nicht gelingt, kann das Statin mit einem Fenofibrat kombiniert werden. Fenofibrat sollte nicht mit der höchsten Statindosis (Atorvastatin 80mg oder Rosuvastatin 40mg) kombiniert werden, und die GFR muss > 60ml/min/1,73m² betragen. Bezafibrat und Gemfibrozil sollen nicht mit Statinen kombiniert werden.
Lipidtherapie bei speziellen Patienten
Statinunverträglichkeit
Studien haben gezeigt, dass nur 5–10% der Patienten eine echte Statinunverträglichkeit haben. Die klinischen Manifestationen einer Statinunverträglichkeit sind sehr heterogen und reichen von leichter Schwäche, Krämpfen und Muskelschmerzen bis hin zu der sehr seltenen und schwerwiegenden Rhabdomyolyse. Die häufigste Form (>80%) sind Muskelschmerzen mit oder ohne leichte Erhöhung der Kreatinkinase. Zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Statinbeteiligung an Myalgien wurde ein Scoring-System entwickelt – der SAMS Clinical Index (SAMS-CI). Dieser basiert auf der Verteilung der Symptome, dem Zeitpunkt des Auftretens der Symptome und der Reaktion des Patienten auf das Absetzen und Wiederaufnehmen eines Statins. Das Absetzen des Statins in der Sekundärprävention ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für ein neuerliches kardiovaskuläres Ereignis, weshalb klinisch beobachtet werden sollte, ob sich die Muskelbeschwerden nach Absetzen des Statins wirklich bessern und nach Therapie mit mindestens einem weiteren Statin wieder auftreten. Außerdem wird empfohlen, Ezetimib mit einer niedrigeren Statindosis und mit Bempedoinsäure zu kombinieren. Wenn in der Sekundärprävention Atorvastatin und Rosuvastatin nicht vertragen werden und der LDL-C-Wert trotz Ezetimib über 70 bis 100mg/dl liegt, sollte der Patient zur Verordnung eines PCSK9-Hemmers oder von Inclisiran an ein Zentrum überwiesen werden.
Lipoprotein(a)-Erhöhung
Der Lipoprotein(a)-Spiegel ist genetisch determiniert und kann nicht durch eine Diät oder Statintherapie beinflusst werden. Lp(a) sollte zumindest einmal im Leben bestimmt werden. Ein Wert über 50mg/dl (125nmol/l) ist mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos verbunden. Ist das Lp(a) mit >180mg/dl (430nmol/l) stark erhöht, sollten die betroffenen Patienten genau wie Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie behandelt werden. Da Lp(a) derzeit nicht gesenkt werden kann, sollte bei Patienten mit erhöhtem Lp(a) versucht werden, das kardiovaskuläre Risiko durch intensive LDL-Senkung zu reduzieren. Bei Patienten mit Lp(a)-Erhöhung >100mg/dl und dem Nachweis einer progredienten kardiovaskulären Erkrankung unter optimaler LDL-C-Senkung steht die Lipidapherese als extrakorporales Blutreinigungsverfahren zur Verfügung. Zurzeit sind zwei moderne Substanzen zur Lp(a)-Senkung in klinischer Erprobung. Pelacarsen ist ein Antisense-Oligonukleotid, dass sich gerade in einer Phase-III-Studie befindet und Olpasiran ist, ähnlich wie Inclisiran, eine siRNA-Therapie, für die in Kürze eine Phase-III-Studie beginnen wird.
Familiäre Hypercholesterinämie
Bei Patienten mit einem LDL-C>190mg/dl und positiver Familienanamnese muss an eine heterozygote familiäre Hypercholesterinämie (FH) gedacht werden (www.fhscore.eu). Die FH ist die häufigste monogenetische Erbkrankheit (1:200–1:500), sie ist mit einem massiv erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden und Studien haben gezeigt, dass unter FH trotz Statintherapie ein Durchschnittsalter von nur etwa 60 Jahren erreicht wird. Bei Patienten mit Verdacht auf eine FH gilt ein Mindest-LDL-C Zielwert von <70mg/dl und sie sollten an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden. Besonders wichtig ist es, bei Patienten mit FH ein Familienscreening durchzuführen, um die Diagnose bei möglichst vielen Angehörigen stellen zu können, da eine rechtzeitige Therapie die Prognose deutlich verbessern kann.
Literatur
Mach F et al: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020; 41(1): 111-88
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