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Rückenschmerz im Fokus
„Unspezifische Kreuzschmerzen sind leider ein sehr verbreitetes Gesundheitsproblem. Die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben davon betroffen zu sein, liegt in Industriestaaten bei bis zu 85%. Bei etwa 10–15%ist ein chronischer Verlauf festzustellen“, berichtete ÖSG-Präsident Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, Vöcklabruck.
Im Rahmen einer repräsentativen Gesundheitsbefragung der Statistik Austria gaben von rund 15500 Befragten ab 15 Jahren 26% an, in den letzten zwölf Monaten unter Rückenschmerzen gelitten zu haben. Umgerechnet auf die österreichische Gesamtbevölkerung bedeutet das, 1,9 Millionen Personen waren betroffen. Je älter die Befragten, desto häufiger machte der Rücken Probleme. Bei den unter60-Jährigen klagte jeder Fünfte (20,8%) über Schmerzen, bei der Gruppe 60+ waren es mehr als jeder Dritte (38,4%).
Rückenbeschwerden belasten den Einzelnen wie das Gesundheitssystem in hohem Maß. Alle internationalen Studien stimmen darin überein, dass der volkswirtschaftliche Schaden die reinen Behandlungskosten um ein Vielfaches übersteigt. Umso wichtiger ist es, dass Rückenschmerzen fachgerecht und vor allem rechtzeitig behandelt werden, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken.
Behandlungsleitlinie
Die ÖSG verzeichnet bereits Erfolge im Bemühen um eine bessere Versorgung von Patienten mit Rückenproblemen, z.B. mit der 2018 entstandenen interdisziplinären Behandlungsleitlinie.
Das „Update der evidenz-und konsensbasierten Österreichischen Leitlinie für das Management akuter, subakuter, chronischer und rezidivierender unspezifischer Kreuzschmerzen“ beschreibt ganz klar den optimalen Behandlungspfad und welche Maßnahmen zusätzlich sinnvoll sind. Die Basis dafür sind wissenschaftliche Evidenz und Expertenempfehlungen. „Wenn die Leitlinie konsequent eingehalten wird, sollten Kreuzwehpatienten künftig rascher wirksame Hilfe erfahren und überflüssige Röntgenaufnahmen (CT, MRT) oder Wirbelsäulenoperationen der Vergangenheit angehören“, ist ÖSG-Generalsekretär Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Klagenfurt, überzeugt. Die Leitlinie gibt auf mehr als 100 Seiten unter anderem darüber Auskunft, welche Präventionsmaßnahmen sinnvoll sind, wie eine Erstuntersuchung im Detail auszusehen hat und ab wann unbedingt auch körperliche und psychische Dauerbelastungen am Arbeitsplatz oder im Privatbereich zum Thema gemacht werden müssen. Die Leitlinie bevorzugt klar nichtmedikamentöse Therapien, bietet aber auch eine sehr gute Hilfestellung dahin gehend, welche
Medikamente infrage kommen und welche nichts bringen. Von Operationen rät die Leitlinie übrigens klar ab, bei akuten, subakuten wie auch chronischen unspezifischen Kreuzschmerzen.
Salben wirksam bei Gelenks- und Muskelschmerzen
Eine neue hautverträgliche Creme mit cetylierten Fettsäuren (CFA) soll Linderung bei Schmerzen im Bereich von Knie-, Hüft-, Ellbogen- oder Schultergelenken bringen. „Die Wirksamkeit der CFA-Creme beruht auf der Veränderung der lokalen Fettsäure-Zusammensetzung. Bei entzündlichen und degenerativen Erkrankungen können sowohl die Fettsäurekonzentration als auch das Fettsäuremuster beeinträchtigt sein“, erklärt ÖSG-Vizepräsidentin OÄ Dr. Waltraud Stromer, Horn.
Mit dem Einmassieren der CFA-Creme werden Stoffe, die den natürlichen Lipiden von gesunden Gelenken entsprechen, direkt in die betroffene Körperregion gebracht. Die cetylierten Fettsäuren bauen sich in Zellmembranen von Gelenken, Muskeln oder Sehnen ein, welche durch Verletzungen oder arthritische Erkrankungen beschädigt sind, fördern die Elastizität und Beweglichkeit und helfen so, die Funktion zu verbessern. Zudem wirken sie schmerzmindernd und reduzieren Entzündungserscheinungen.
In einer Studie mit Patienten, die an Kniearthrose litten, zeitigte die Anwendung dieser schmerzlindernden Salbe zweimal täglich über die Dauer von einer Woche effektive analgetische Wirkung, sie reduzierte Steifheit und verbesserte die physikalische Funktion.1
Starke postoperative Schmerzen können Herz schädigen
Schmerzen nach einer Operation können das Herz schädigen, wobei das Risiko mit der Heftigkeit der empfundenen Schmerzen steigt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie, die Zusammenhänge von postoperativen Schmerzen und Herzschädigungen bei über 2800 Patienten analysierte, die sich nichtherzchirurgischen Eingriffen unterzogen hatten.2
4,5% der Patienten, die an der Studie teilnahmen, erlitten innerhalb von 72 Stunden nach der Operation einen Myokardschaden: Die Herzmuskelzellen wurden geschädigt bzw. ihr Zellstoffwechsel wurde gestört, was ihre Funktion minderte. Eine Auswertung des Schmerzempfindens zeigte, dass Patienten ohne myokardialen Schaden unter weniger heftigen Beschwerden litten. Auf einer Skala von 1 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmste Schmerzen) gaben sie im Durchschnitt 4,1 an. Patienten, die von einer Herzmuskelschädigung betroffen waren, kamen hingegen auf den mittleren Wert von 4,5.
„Das lässt den Schluss zu, dass der Schweregrad des Schmerzes nach der Operation mit dem Entstehen eines direkten Myokardschadens zusammenhängt und somit auch einen Einfluss auf das 30-Tages-Überleben chirurgischer Patienten haben könnte“, erklärt Dr. Stromer. Um einen direkten Zusammenhang zwischen Schmerz und postoperativer Mortalität belegen zu können, war jedoch die Fallzahl der Studie zu gering.
Cannabis in der Schmerzmedizin - Daten zur Verschreibungspraxis in Deutschland
In Österreich stehen eine Reihe von Arzneimitteln mit den Cannabinoid-Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zur Verfügung – nicht zuletzt zur Behandlung bestimmter Schmerzformen. Sie kommen zum Einsatz, wenn Standardmedikamente nicht ausreichend wirken oder andere Therapieoptionen nicht greifen.
Als Fertigarzneimittel gibt es eine Fixkombination aus CBD und THC, die für die Behandlung mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose zugelassen ist, wenn Patienten nicht ausreichend auf die üblicherweise verabreichten Medikamente ansprechen. Ein weiteres Fertigmedikament enthält das synthetische THC-Analogon Nabilon und kommt bei Übelkeit und Erbrechen infolge einer Chemotherapie zum Einsatz. Jüngst wurde ein CBD-Fertigarzneimittel zur Behandlung von Krampfanfällen bei seltenen kindlichen Epilepsieformen zugelassen.
CBD und THC finden aber auch in sogenannten Rezepturarzneimitteln Verwendung, die individuell in Apotheken unter Verwendung der Reinsubstanzen zubereitet werden. Dronabinol (THC) wird in der Schmerztherapie vor allem bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt.
In Deutschland sind, anders als in Österreich, nicht nur die genannten Fertig- und Rezepturarzneimittel mit Cannabinoiden erhältlich, sondern auch THC-haltige Cannabisblüten und Cannabisvollextrakte für die medizinische Anwendung erlaubt. Die gesamte Gruppe wird vom deutschen Gesetzgeber als „Cannabisarzneimittel“ zusammengefasst. Ärzte, die auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung eine Behandlung mit Cannabisarzneimitteln vornehmen, müssen eine wissenschaftliche Begleiterhebung durchführen, also die Maßnahmen genau dokumentieren und an die Arzneimittel-Aufsichtsbehörde übermitteln.
Eine Auswertung von mehr als 3100 Datensätzen zeigte, dass Dronabinol mit 64% das in Deutschland am häufigsten verordnete Cannabisarzneimittel war.3 Die behandelten Patienten waren im Schnitt 57 Jahre alt, Frauen und Männer waren gleich häufig vertreten.
Nach Einschätzung der behandelnden Ärzte in Deutschland verzeichneten 35,5% aller Patienten, die mit Cannabisarzneimitteln behandelt worden waren, eine deutliche Schmerzreduktion. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Schwindel und Übelkeit. Bei 11179 Patienten wurde die Therapie vor Ablauf eines Jahres beendet. Die Abbruchquote war insgesamt mit 37,6% hoch. „In der Analyse der Begleiterhebung wird betont, dass für eine differenzierte Bewertung des Therapieerfolgs noch viel mehr Daten vorliegen müssen. Auch für Österreich wäre eine wissenschaftliche Erhebung entsprechender Therapiedaten mit THC und/oder CBD durch die Gesundheitskasse hilfreich“, betonte Univ.-Prof. DDr. Hans Georg Kress, Leiter der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie,AKH/MedUni Wien, und Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).
Opioidpflaster auch nach Kniegelenks-Endoprothetik effektiv und sicher
Das Einsetzen eines Kniegelenksersatzes ist ein großer, häufig schmerzhafter Eingriff. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, um die Beschwerden nach der Operation möglichst gering zu halten. Angesichts des oft schon fortgeschrittenen Alters, des eingeschränkten gesundheitlichen Zustands bzw. einer bestehenden Polymedikation der Patienten kommt aber eine Reihe von medikamentösen Optionen aufgrund möglicher Kontraindikationen bzw. zu erwartender Nebenwirkungen nicht infrage. „Neuere Studien belegen, dass Buprenorphin-Schmerzpflaster eine gute Möglichkeit sind, um in diesen Fällen wirkungsvoll, konstant und nebenwirkungsarm Beschwerden zu lindern“, erklärte Dr. Stromer.
Pflaster mit Buprenorphin sind in der chronischen Schmerzbehandlung zwar weit verbreitet, in der akuten postoperativen Schmerzversorgung hingegen noch weniger gut untersucht. Eine indische Studie mit 200 Personen im Alter von 60 bis 75 Jahren hat nun die Wirkung von transdermalem Buprenorphin im Rahmen der Kniegelenks-Endoprothetik untersucht.4 Alle Patienten erhielten für 72 Stunden eine lokale kontinuierliche Infiltrationsanästhesie. Die Hälfte der Betroffenen bekam zusätzlich nach der OP ein Buprenorphin-Pflaster mit 5µg/h, der Rest eine Kombination aus Paracetamol und Tramadol. In den nachfolgenden sieben Tagen litt die Gruppe mit dem Opioidpflaster deutlich weniger unter Schmerzen, und zwar bei Ruhe wie bei Aktivität.
Eine weitere Studie lieferte ähnliche Ergebnisse:5 Sie untersuchte die Wirkung von transdermalem Buprenorphin (TDB 10μg/h) im Vergleich zum oral verabreichten COX-Hemmer Celecoxib bei 160 Patienten, und zwar während der ersten drei Tage nach der Knie-OP. Wie sich zeigte, brauchte die TDB-Gruppe in diesem Zeitraum weniger zusätzliches Opioid als Bedarfsmedikation im Gegensatz zur Celecoxib-Gruppe, wies entsprechend geringere Schmerzwerte bei Ruhe und Aktivität auf und konnte darüber hinaus auch das Knie deutlich besser bewegen.
Der Einfluss von Stress, Bewegung und kognitiven Strategien
Welche Rolle nach aktuellem Wissenstand körperliches Training, Stress und kognitive Strategien bei der Schmerzkontrolle spielen und was das für Schmerztherapien bedeutet, fasste eine österreichisch-dänische Forschergruppe in einer aktuellen Übersichtsarbeit zusammen. „Experimentelle und klinische Studien legen nahe, dass es im Menschen sogenannte endogene Vorgänge und Mechanismen gibt, die Schmerzen hemmen oder verstärken können“, so Mitrovic.
Weniger Schmerz nach dem Sport – doch nicht bei allen
Experimentelle Studien zur Wirkung von körperlichem Training zeigten zum Beispiel, dass nach dem Sport das Schmerzempfinden bei schmerzfreien Personen vorübergehend gemindert ist. Das liegt vermutlich daran, dass zentrale schmerzhemmende Mechanismen durch körperliche Belastung verstärkt werden. Umgekehrt ließ sich nachweisen, dass diese Schmerzhemmung bei manchen Patienten mit chronischen Schmerzen vermindert ist und körperliche Anstrengung sogar schmerzsteigernd wirken kann.
Dauerstress verstärkt chronische Schmerzen
Stress ist ein weiterer innerer Faktor, der die Schmerzerfahrung beeinflusst. Akuter Stress kann durchaus schmerzmindernd wirken, anhaltender Stress hat bei den meisten chronischen Schmerzpatienten jedoch die gegenteilige Wirkung. Unterschiedliche Rollen spielen auch kognitive Strategien in der Schmerzunterdrückung. Personen mit chronischen Beschwerden entwickeln intuitiv verschiedene Methoden, um mit ihren Schmerzen umzugehen. Etwa wird versucht, bewusst nicht an die Schmerzen zu denken oder sich gezielt davon abzulenken. „Diese Strategien sind prinzipiell gut – außer sie führen dazu, dass Betroffene keine adäquate Schmerztherapie in Anspruch nehmen, weil sie hoffen, die Schmerzen verschwinden von selbst“, erklärt der ÖSG-Präsident. Eine weitere ungünstige kognitive Strategie ist das „Katastrophisieren“, bei dem sich die Patienten extrem auf die Schmerzen fokussieren, das Bedrohungspotenzial der Schmerzen überbewerten und davon ausgehen, die Schmerzen nicht auszuhalten. Daher ist es in der Schmerztherapie wichtig, den Betroffenen aktive kognitive Strategien beizubringen und ungünstige passive Strategien abzubauen. „Diese Übersichtsarbeit macht einmal mehr deutlich, dass Schmerz eine komplexe subjektive Empfindung ist, die auch von inneren Einflüssen abhängt. Für die Schmerztherapie bedeutet das, dass möglichst alle Faktoren Berücksichtigung finden sollten und Schmerzen multidisziplinär behandelt werden müssen“, so Mitrovic abschließend.
Quelle:
Pressemitteilungen zu den 20. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft vom 29. Jänner, 5., 16., 18., 19. und 20. Februar 2021
Literatur:
Ariani A et al.: Short-term effect of topical cetylated
fatty acid on early and advanced knee osteoarthritis:
a multi-center study. Arch Rheumatol 2018; 33(4):
438-42Turan A et al.: Acute postoperative pain is associated
with myocardial injury after noncardiac surgery.
Anesth Analg 2020; 131(3): 822-9Deutsche Begleiterhebung: Cremer-Schaeffer P et
al.: Cannabisarzneimittel in der Schmerztherapie.
Der Schmerz 2019; 33: 415-23Londhe S et al.: Efficacy and safety of buprenorphine transdermal patch for immediate postoperative analgesia after total knee arthroplasty surgery. J Arthroplasty 2020; 35(6S): 178-81
Xu X et al.: Transdermal buprenorphine patch versus oral celecoxib for pain management after total knee arthroplasty: an open-label, randomized controlled trial. Orthop Traumatol Surg Res 2020; 106(5): 915-9
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