
Zöliakie
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Die Zöliakie ist eine immunologisch vermittelte, lebenslange, chronisch-entzündliche Erkrankung des Dünndarms, bei der die Aufnahme von Gluten zu einer Schädigung des Dünndarms mit Schleimhautentzündung, Kryptenhyperplasie und Zottenatrophie führt. Der Dünndarmschaden kann im Verlauf zu einer Malabsorption von Nährstoffen und damit verbundenen Komplikationen führen,1 und die Erkrankung betrifft genetisch prädisponierte Individuen.2
Keypoints
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Die Zöliakie ist eine lebenslange, immunologisch vermittelte, chronisch-entzündliche Erkrankung des Dünndarms, welche genetisch prädisponierte Individuen betrifft.
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Die Zöliakie hat eine grosse Variabilität in der klinischen Präsentation.
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Die Diagnose der Zöliakie stützt sich auf Anamnese, klinische Untersuchung, Serologie und histologische Untersuchung von Duodenalbiopsien.
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Der Eckpfeiler der Behandlung der Zöliakie ist eine lebensbegleitende glutenfreie Ernährung.
Gluten ist eine Proteinkomponente von verschiedenen Getreiden, wozu unter anderem Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste gehören. Die erste neuere Beschreibung der Zöliakie erfolgte durch den englischen Arzt Samuel Gee im Jahr 1888 in einem Bericht mit dem Titel «On the Celiac Affection». Der Arzt Willem K. Dicke beobachtete während des Zweiten Weltkrieges, dass es Patienten mit rezidivierender Diarrhö besser ging, wenn in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit Brot durch nicht weizenhaltige Lebensmittel wie Kartoffeln ersetzt wurde. Diese Beobachtungen gaben erste Einblicke in die Pathogenese der Zöliakie.3
Die ersten Beschreibungen der durch Gluten im Dünndarm verursachten Schäden mit duodenaler Schleimhautentzündung, Kryptenhyperplasie und villöser Atrophie wurden durch J. W. Paulley 1954 veröffentlicht.4 Nachdem in der Vergangenheit die Zöliakie lange Zeit als eine seltene Kindererkrankung galt, verbesserte sich die Diagnostik insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren: Die Entwicklung von Nachweismethoden für Endomysium- und Transglutaminase-Antikörpern führte zu einer signifikanten Zunahme der Diagnose der Zöliakie. Im Verlauf wurde eine zunehmende Verschiebung des Diagnosealters in Richtung Erwachsenenalter beobachtet.5
Epidemiologie
Da die Zöliakie oft nur milde Symptome hervorruft und das klinische Erscheinungsbild eine grosse Variabilität zeigt, kam es in der Vergangenheit zu einer Unterdiagnose der Erkrankung. Die Einschätzung der Inzidenz und Prävalenz der Zöliakie konnte jedoch durch die Entwicklung serologischer Tests stark verbessert werden.6, 7 Mit diesen Tests wurde es auch möglich, grosse Populationen zu screenen: In einer finnischen Studie, in der Schulkinder untersucht wurden, konnte eine Prävalenz von einem Kind von 99 Kindern nachgewiesen werden.8 Bei Erwachsenen wurden in den USA und in europäischen Ländern ähnliche Prävalenzen festgestellt, eine amerikanische Studie konnte eine Prävalenz der Zöliakie von nahezu 0,8% nachweisen.9–13 Nachdem die Erkrankung früher in Afrika und Asien als selten galt, kam es in diesen Regionen zu einer steigenden Prävalenz. Eine Ursache hierfür ist unter anderem wahrscheinlich die Globalisierung des Weltmarktes, welche zu einer Änderung der Ernährungsgewohnheiten in den Entwicklungsländern geführt hat. Während die Ernährung in diesen Ländern früher auf glutenfreien Getreidesorten wie Reis und Mais beruhte, werden zunehmend Lebensmittel auf Weizenbasis in die Ernährung integriert.14 In den letzten Dekaden konnte ein deutlicher Anstieg der Prävalenz der Erkrankung beobachtet werden: Studien aus den USA zeigen eine 4- bis 4,5-fache Zunahme der Prävalenz über die letzten 50 Jahre, und eine finnische Studie belegte eine Verdopplung der Prävalenz innerhalb von ungefähr 20 Jahren.15, 16 Bei bestimmten Risikopopulationen ist eine höhere Prävalenz der Zöliakie zu verzeichnen: Hierzu zählen z.B. Verwandte ersten und zweiten Grades von Patienten mit Zöliakie, Typ-1-Diabetiker, Patienten mit autoimmuner Thyreoiditis, Down- oder Turner-Syndrom.17
Bei pädiatrischen Patienten kommt es im Vergleich zu erwachsenen Zöliakiepatienten häufiger zu Diarrhö und Zeichen der Malabsorption sowie zu rezidivierenden Bauchschmerzen. Bei Kindern jeden Alters ist eine Wachstumsverzögerung zu beobachten.18 Im Vergleich dazu sind bei adulten Zöliakiepatienten häufiger extraintestinale Manifestationen der Erkrankung, wie Eisenmangelanämie und Osteoporose, und seltener Darmsymptome zu beobachten. Bezüglich der Geschlechterverteilung gibt es eine weibliche Dominanz mit einem Verhältnis von Frauen zu Männern von 2–3:1.19 Als Ursache hierfür werden verschiedene Faktoren diskutiert: Zum einen suchen Frauen häufiger medizinische Versorgung als Männer, zusätzlich ist die Häufigkeit von Autoimmunerkrankungen bei Frauen im Allgemeinen höher als bei Männern, und bei Frauen ist die Wahrscheinlichkeit einer symptomatischen Zöliakie höher.20
Pathogenese
Bei der Pathogenese der Erkrankung werden verschiedene Faktoren unterschieden. Einer der Hauptfaktoren ist die Exposition gegenüber Gluten. Daneben werden andere umweltbedingte und genetische Faktoren in der Pathogenese der Zöliakie unterschieden:
Es wird angenommen, dass fast 100% der Zöliakiepatienten Träger der Varianten der HLA-Klasse-II-Gene HLA-DQA1 und HLA-DQB1 sind, welche für die α- und β-Kette der Heterodimer-Proteine DQ2 und DQ8 kodieren und mit der Zöliakie assoziiert sind.21 Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass 30–40% der Allgemeinbevölkerung Träger von DQ2 und/oder DQ8 sind, weshalb der HLA-Test allein nicht für die Diagnose einer Zöliakie ausreicht. Dieser kann jedoch aufgrund seines sehr hohen negativen Vorhersagewerts von fast 100% zum Ausschluss von Zöliakie verwendet werden.
In der Pathogenese der Zöliakie ist als wichtigster Umweltfaktor Gluten zu nennen. Dieses wird im Gastrointestinaltrakt nicht vollständig enzymatisch gespalten, was zu einer adaptiven Immunantwort führt. Das primäre Autoantigen der Erkrankung ist das Enzym Transglutaminase (tTG), welches für die Deamidierung der Gliadinmoleküle verantwortlich ist.22 Dieser Prozess führt zu einer erhöhten Immunogenität von Gliadin und im weiteren Verlauf zur Bindung von Gliadin an Antigen-präsentierende Zellen über HLA-DQ2- oder HLA-DQ8-Moleküle. Diese Gliadinpeptide werden dann CD4+ T-Zellen präsentiert,23, 24 worauf die aktivierten T-Helfer-Zellen verschiedene Zytokine wie Interferon γ, TNF(«tumor necrosis factor»)-α und Interleukin 2 sezernieren. Dies führt zu einer Expression von Matrixmetalloproteinasen in Makrophagen und Fibroblasten, welche dann z.B. durch Induktion der Apoptose zu einem direkten Schaden der Mukosa im Dünndarm führen.25
Neben dem adaptiven Immunsystem spielt in der Pathogenese der Zöliakie auch das angeborene Immunsystem eine wichtige Rolle. Diese Immunreaktion spielt sich im Epithel der Darmschleimhaut ab und führt unter anderem zu einer erhöhten Produktion von Zytokinen, insbesondere IL-15. Im Rahmen dieser Immunreaktion differenzieren sich die intraepithelialen Lymphozyten dann zu zytotoxischen CD8+ T-Zellen.26 Sowohl die adaptive als auch die angeborene Immunantwort führen zu den pathologischen Veränderungen des Dünndarms der Zöliakie, welche durch intraepitheliale Lymphozytose, Zottenatrophie und Kryptenhyperplasie gekennzeichnet sind.
Daneben spielen auch verschiedene Umweltfaktoren eine wichtige Rolle bei der Pathogenese der Zöliakie. Es wird z.B. angenommen, dass insbesondere das Stillen, Infektionen und Veränderungen der Darmflora in der Pathogenese der Zöliakie eine gewisse Rolle spielen.27–29
Klinik
Da die klinischen Symptome der Zöliakie und die Schwere der Erkrankung sehr unterschiedlich sein können, wird die Erkrankung auch als das Chamäleon der Gastroenterologie bezeichnet. Dies erschwert es auch, typische Symptome der Zöliakie zu charakterisieren, und die Diagnosestellung einer Zöliakie verzögert sich häufig.30 Während die Zöliakie früher als eine pädiatrische Erkrankung angesehen wurde, tritt sie heute zunehmend auch im Erwachsenenalter auf.
Bei den klinischen Symptomen der Zöliakie werden gastrointestinale und extraintestinale Manifestationen unterschieden, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind.

Tab 1: Gastrointestinale und extraintestinale Manifestationen der Zöliakie
Bei der Zöliakie können klassische gastrointestinale Symptome wie Durchfall, Steatorrhö und Flatulenz auftreten. Aufgrund der Malabsorption kann es zu Anämie und Gewichtsverlust und im Kindesalter zu einer Wachstumsretardierung kommen. Neurologische Beschwerden können durch einen Vitamin-B-Mangel ausgelöst werden und sich z.B. als periphere Neuropathie oder auch Polyneuropathie manifestieren. Diese können bei bis zu 50% der Patienten mit Zöliakie diagnostiziert werden und machen sich durch Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühl in Händen und Füssen bemerkbar.30
Des Weiteren kann es zu Osteopenie und Osteoporose kommen. Sie werden bei bis zu 75% der Zöliakiepatienten diagnostiziert, sind auf einen Mangel an Vitamin D und Kalzium zurückzuführen und können auch ohne das Vorliegen von gastrointestinalen Symptomen auftreten.31–33 Patienten mit Zöliakie haben ein um 40% höheres Frakturrisiko als alters- und geschlechtsangepasste gesunde Kontrollpersonen.34 Zusätzlich korreliert das Ausmass der Osteopenie/Osteoporose bei Erstdiagnose der Zöliakie mit dem Ausmass der Zottenschädigung.35
Bei der unbehandelten Zöliakie kommt es häufiger zu einem Mangel an Eisen, Vitamin B12, Folsäure, Vitamin A, B6 und D, Kupfer, Zink und Carnitin.36 Der Eisenmangel entsteht durch okkulten Blutverlust und Malabsorption und es konnte gezeigt werden, dass Zöliakiepatienten mit Eisenmangelanämie häufiger einen schwereren Zottenschaden aufweisen als Patienten mit Diarrhö.37 Daher wird bei Vorliegen einer Eisenmangelanämie bei Patienten mit Zöliakie eine Eisensubstitution empfohlen.
Bei der Zöliakie kann es auch zu einer Hautbeteiligung kommen wie oralen Aphthen oder auch einer Dermatitis herpetiformis Duhring. Letztere ist eine Autoimmunerkrankung mit Blasenbildung der Haut. Klinisch lassen sich herpesartige gruppierte Bläschen nachweisen und die Betroffenen leiden häufig unter starkem Juckreiz und Brennen. Die Dermatitis herpetiformis Duhring manifestiert sich insbesondere an Ellbogen, Knie, Kopfhaut sowie an Stirn, Schultern, Gesäss und Brustkorb. Männer sind von dieser Hauterkrankung häufiger betroffen als Frauen. Die Pathogenese ist durch eine Ablagerung von Komplexen aus epidermaler Transglutaminase (eTG) und eTG-gerichtetem IgA an der Basalmembran gekennzeichnet.38 Bei fast jedem Patienten mit Dermatitis herpetiformis Duhring wird eine subklinische Zöliakie als Grunderkrankung diagnostiziert.39
Die Zöliakie kann als extraintestinale Manifestation auch eine Gelenkbeteiligung aufweisen. Zum einen kann es zu Arthralgien kommen. Zum anderen entwickeln Zöliakiepatienten im Vergleich zur Normalbevölkerung häufiger frühe Anzeichen einer Arthritis in den unteren Gliedmassen. Durch eine glutenfreie Ernährung verringert sich dieses Risiko.
Auch bei Infertilität sollte eine zugrundeliegende Zöliakie abgeklärt werden, es konnte gezeigt werden, dass bei Frauen mit unerklärter Infertilität eine erhöhte Prävalenz von undiagnostizierter Zöliakie vorliegt.40, 41 Zusätzlich kann eine undiagnostizierte Zöliakie auch zu Fehlgeburten führen.
Eine seltene Manifestation der Zöliakie ist die Zöliakiekrise. Dabei kommt es zu einer akuten klinischen Verschlechterung und einem schnellen Fortschreiten von chronischem Durchfall und Erbrechen. Dies kann zu ausgeprägter Dehydrierung, verschiedenen Stoffwechselstörungen und einer deutlichen Abnahme des Körpergewichts führen.42, 43
Diagnose
Die Diagnose der Zöliakie erfolgt durch die Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Serologie und histologischer Untersuchung von Duodenalbiopsien.
Bei klinischem Verdacht auf eine Zöliakie sollte zunächst eine serologische Untersuchung erfolgen. Die Gewebetransglutaminase-IgA-Antikörper (tTG) (ELISA) und die Endomysium-IgA-Antikörper (EmA) (indirekte Immunfluoreszenz) weisen eine gute Spezifität und Sensitivität auf. Die Sensitivität für die tTG-Antikörper beträgt 74–100% und die Spezifität 78–100%. Die Sensitivität für die EmA beträgt 83–100%, die Spezifität 95–100% und sie zeigen eine Assoziation zwischen der Titerhöhe und dem Grad der Zottenatrophie.44, 45 Die serologischen Tests auf Zöliakie sollten unter einer glutenhaltigen Ernährung durchgeführt werden, da diese sonst falsch negativ ausfallen können. Bei der serologischen Untersuchung muss auch eine Bestimmung des Gesamt-IgA erfolgen, um einen IgA-Mangel auszuschliessen, da bei Vorliegen eines IgA-Mangels tTG- und EmA-IgA-Antikörper nicht zuverlässig nachgewiesen werden können.
Bei bestimmten Risikopopulationen besteht eine höhere Zöliakieprävalenz. Hierzu zählen Verwandte ersten und zweiten Grades von Patienten mit Zöliakie, Patienten mit autoimmuner Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes, Down- oder Turnersyndrom.17
Bei positiver Zöliakieserologie ist eine Endoskopie mit Biopsien aus dem Duodenum erforderlich, um die Diagnose zu bestätigen. Da die Erkrankung einen ungleichmässigen Befall im Duodenum zeigen kann, wird empfohlen, mindestens vier Biopsien aus dem distalen Duodenum und zwei Biopsien aus dem Bulbus duodeni zur histologischen Untersuchung zu entnehmen. Bei pädiatrischen Patienten muss nicht in allen Fällen eine histologische Sicherung erfolgen: Hier kann die Diagnose einer Zöliakie gestellt werden, wenn Symptome bestehen, die auf eine Zöliakie hinweisen, und zusätzlich ein positiver EmA-Test und ein hoher tTG-IgA-Wert (≥10-Fache der Obergrenze des Normalwerts) vorliegen.46, 47
In besonderen Situationen kann ein Gentest (HLA-Diagnostik) erfolgen. Man geht davon aus, dass bei 100% der Zöliakiepatienten die Haplotypen HLA-DQ2 oder -DQ8 vorhanden sind. Da die Haplotypen HLA-DQ2 und -DQ8 aber auch bei ca. 30% der Normalbevölkerung vorkommen, hat der Test einen niedrigen positiven Vorhersagewert von nur 12%. Daher ist die Bestimmung von HLA-DQ2 und -DQ8 nur sinnvoll, um eine Zöliakie auszuschliessen.48 Die Untersuchung kann bei Verdacht auf Zöliakie bei Patienten unter glutenfreier Ernährung hilfreich sein, bei denen eine mehrwöchige Glutenbelastung vor der serologischen Bestimmung nicht möglich oder nicht gewünscht ist, oder falls nicht eindeutige histologische Befunde aus dem Dünndarm vorliegen.
Therapie und Prognose
Die lebensbegleitende, strikte glutenfreie Ernährung stellt aktuell die einzige verfügbare Therapie der Zöliakie dar. Daher sollten alle Patienten, bei denen eine Zöliakie diagnostiziert wird, an eine entsprechende spezialisierte Ernährungsberatungsstelle überwiesen werden. Ziele der glutenfreien Diät sind eine Verbesserung der gastrointestinalen oder extraintestinalen Beschwerden und Manifestationen der Zöliakie sowie die Verbesserung und Prävention von Nährstoffdefiziten und deren Komplikationen. Nach Beginn einer glutenfreien Diät kann es viele Monate dauern, bis sich die Symptome zurückbilden und sich die histologischen Veränderungen im Dünndarm und auch die Serologie normalisieren.49
In der Ernährungstherapie bei Zöliakie gilt es, besonders die Fragen zu unbeabsichtigten Kontaminationen mit Gluten bei der Zubereitung von Speisen zu besprechen sowie die Frage, ob und wann kontrolliert glutenfreier Hafer in die Ernährung eingeführt werden soll. Bei beiden Fragestellungen kam es in den letzten Jahren zu einem Umdenken. So wird glutenfreier Hafer als sicher eingestuft für Zöliakiebetroffene50 und von manchen Fachgesellschaften bereits nach Diagnosestellung in die Ernährung eingeführt. International gilt aber noch, glutenfreien Hafer erst sechs Monate nach Diagnosestellung und/oder vollständiger Remission in die Diät aufzunehmen. Diese Vorsicht basiert auf wenigen Fallbeschreibungen, die eine Sensitivität von Zöliakiebetroffenen gegenüber Hafer zeigten.51
Ebenso wird aktuell davon ausgegangen, dass Kontaminationen bei der Zubereitung von glutenfreien Gerichten weitaus weniger häufig sind als bislang angenommen. Hier scheint sich immer deutlicher abzuzeichnen, dass vor allem Mehlstaub zu relevanten Kontaminationen führt, nicht aber Kochutensilien.52, 53
Schliesslich haben sich in den letzten 10 Jahren auch die glutenfreien Spezialprodukte deutlich gewandelt. Zucker- und Fettzusatz konnten reduziert werden und es besteht ein klarer Trend dazu, vermehrt auf vollwertige glutenfreie Getreide zurückzugreifen anstatt auf nährstoffarme Stärkemehle und Verdickungsmittel.54, 55
Diese Trends innerhalb der glutenfreien Ernährung sind erfreulich und erleichtern die Durchführung dieser doch einschränkenden Ernährungsform.
Wenn die Zöliakie rechtzeitig diagnostiziert und therapiert wird, ist die Prognose sehr gut. Wenn die Erkrankung jedoch nicht erkannt oder behandelt wird oder die Patienten nicht auf eine glutenfreie Ernährung ansprechen, ist die Prognose schlecht.56 Die refraktäre Zöliakie ist dadurch gekennzeichnet, dass trotz einer strikten glutenfreien Diät über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten Anzeichen für eine neue oder anhaltende Zottenatrophie vorliegen und intestinale oder extraintestinale Symptome fortbestehen oder erneut auftreten. Erfreulicherweise sprechen über 90% der Zöliakiepatienten auf die glutenfreie Diät an, mit vollständiger Besserung der Symptome. Weniger als 1% der Betroffenen entwickelt eine refraktäre Zöliakie.57
Autoren:
PD Dr. med. Jonas Zeitz1, 2, 3
Diana Studerus2, 4
1 GastroZentrum Hirslanden, Zürich
2 Zöliakie Zentrum Schweiz
www.zoeliakie-zentrum.ch
3 Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsspital Zürich
4 Food on Record, Basel
Korrespondenzadresse:
PD Dr. med. Jonas Zeitz
FMH Gastroenterologie
FMH Allgemeine Innere Medizin
GastroZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich
E-Mail: jonas.zeitz@gastrozentrum.ch
www.zoeliakie-zentrum.ch
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