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Zeitschrift für Gesundheitsrecht
DAM
Autor:
Dr. Christian Euler
30
Min. Lesezeit
14.07.2016
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<p class="article-intro">Ende April 2016 erschien die erste Ausgabe der „Zeitschrift für Gesundheitsrecht“, ZfG. Die Herausgeber haben sich vorgenommen, gesundheitsrechtliche Themen niederschwellig für interessierte Leserinnen und Leser in Theorie und Praxis aufzubereiten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>In der ersten Ausgabe muss der Beitrag „Erstattungskodex – Reformbedarf oder verdeckte Rationierung?“ das Interesse der Vertragsärzteschaft wecken. Die Autorin, Rechtsanwältin Dr. Maria-Luise Plank, hält im ersten Absatz zwei Dinge fest. Der Hauptverband hat Reformbedarf für den Erstattungskodex (EKO) festgestellt, ohne auf die Umstände einzugehen, die eine Änderung notwendig machen. Dass das Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt werden, nicht verlängert wurde, wirkt sich auf die soziale Krankenversicherung mit einem Minus ihrer Budgetmittel in der Höhe von 125 Mio. Euro aus. Zweifelsfrei entsteht zusätzlicher Kostendruck.</p> <h2>Probleme mit dem EKO</h2> <p>Als Problemfelder der letzten zehn Jahre seit Herausgabe des Erstattungskodex, der 2005 das Heilmittelverzeichnis abgelöst hat, führt die Autorin an: Die Gewährung eines Preisbonus für innovative Arzneimittel ist an einen „zusätzlichen wesentlichen Nutzen“ zu den verfügbaren Alternativen gebunden. Diese Terminologie ist weder im ASVG noch anderswo definiert und lässt der Behörde einen großen Auslegungsspielraum. Zu bedenken ist dabei, dass die verfügbaren Alternativen meist Generika sind und auch Innovationen den Preis vergleichbarer Medikamente lediglich um 10 % übersteigen dürfen. In den letzten Jahren hat sich durch diese Mechanismen die Preisspirale nach unten bewegt, was dazu geführt hat, dass innovative Produkte, vor allem im Bereich Diabetes, Schmerz, psychiatrische Krankheitsbilder, nicht in den EKO aufgenommen worden sind und österreichischen Patienten höchstens nach Überwindung administrativer Hürden zur Verfügung stehen. Die uns allen bekannte Formel „Dieses Arzneimittel ist gemäß §351c Abs. 2 ASVG grundsätzlich nicht erstattungsfähig“ entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben und der Judikatur und ist doch eine Säule der Kostenerstattungspraxis des EKO. Es darf daher niemanden wundern, wenn internationale Konzerne auf Österreich als Markt verzichten. Dies wird nicht ohne Folgen für die Patientenversorgung bleiben und müsste dringend öffentlich diskutiert werden. Die derzeit etablierte Praxis einer „befristeten Zulassung“ ist in der VO-EKO nicht vorgesehen, mehrere aufeinanderfolgende Befristungen im Sinne einer „Ketten-Befristung“ stellen einen Mangel an Rechtssicherheit und zudem einen Mangel an Therapiesicherheit für betroffene Patienten dar (z.B. Onkologie, Hepatitis C).<br /> <br /> Als weiteres Problemfeld wird die Preisgestaltung von Bio­similars genannt, für die nach dem Willen des Hauptverbandes die Regelung für Generika angewendet wird. Das heißt in Zahlen: minus 48 % gegenüber dem Original. Das Argument, dass Medikamente, die mit eigenen klinischen Studien ihre Bioäquivalenz beweisen müssen, nicht wie Generika behandelt werden können, hat der Hauptverband bis dato ignoriert. Biosimilar-Anbieter, die um 30 % unter dem Erstanbieterpreis zu bleiben bereit sind, wurden nicht in den Erstattungskodex aufgenommen. Dieses Ausschlagen einer realistischen Einsparungsmöglichkeit hat schon zu einer parlamentarischen Anfrage geführt.</p> <h2>Effektives Rechtsmittel unerlässlich</h2> <p>Die Entscheidungen des Hauptverbandes über den Marktzugang von Arzneimitteln sind für die Versorgungssituation österreichischer Patienten wesentlich. So ist es unverzichtbar, dass ein effektives Rechtsmittel zur Prüfung der entsprechenden Bescheide besteht. Mit Jahresanfang 2014 wurde im Zuge der Verwaltungsreform die unabhängige Heilmittelkommission als Rechtsmittelinstanz für EKO-Entscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht abgelöst. Dieses Gremium, zusammengesetzt aus Fachärzten für Pharmakologie und Experten des Sozialversicherungswesens, bedarf keiner zusätzlichen Sachverständigen, um zu seinen Entscheidungen zu kommen. Die Autorin Dr. Plank bescheinigt dem Bundesverwaltungsgericht, nachvollziehbare Entscheidungen in angemessener Zeit getroffen zu haben. Für Änderungswünsche des Hauptverbandes nach anderen Gremien kann sie keine schwerwiegenden Argumente finden.</p> <h2>Vom Fuße des Eisbergs</h2> <p>Um sich aus der Zeitschrift für Gesundheitsrecht zu informieren, bedarf es Zeit und Konzentration. Dann aber ahnt der Leser etwas vom „Eisberg“, mit dessen Spitze er täglich konfrontiert ist. Lieferengpässe bei seit Jahren etablierten Medikamenten, Kontingente bei innovativen Arzneispezialitäten (z.B. Trajenta), kurz: eine zusätzliche Erschwernis unserer täglichen Arbeit, eine Belastung für Patienten, erhöhter Erklärungsbedarf, Motivationsarbeit für Therapietreue etc. Alles in allem ein lieber Gruß der Gesundheitsbürokraten, die seit Jahren dafür sorgen, dass alles besser wird. Haben Sie in diesem Zusam­menhang schon etwas von der Patientenanwaltschaft gehört?</p></p>
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