
Update Vaskulitis
Bericht: Mag. Christine Lindengrün
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Über entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße ist in letzter Zeit besonders viel publiziert worden. Prof. Christian Dejaco und Prof. Jens Thiel gaben bei der Jahrestagung der ÖGR einen Überblick über die neuesten Erkenntnisse zum Thema Vaskulitiden.
Update zur Bildgebung bei Großgefäßvaskulitis
Assoz. Prof. Dr. Christian Dejaco (Bruneck, Graz) startete mit den EULAR-Empfehlungen zur Bildgebung bei Großgefäßvaskulitiden, die 2023 ein Update erfuhren.1 Das übergeordnete Prinzip 1 lautet, dass bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis („giant cell arteritis“, GCA) in Ergänzung der klinischen Beurteilung frühzeitig eine Bildgebung gemacht werden soll.
Eine Neuerung betrifft die Empfehlung, dass bei allen Patient:innen ein Ultraschall nicht nur der Temporal-, sondern auch der Axillararterien gemacht werden soll. Die Sonografie ist bei Verdacht auf kranielle Manifestation die Bildgebungsmethode der ersten Wahl. PET und MRT sind Alternativen. Die PET-Untersuchung wird nunmehr nicht nur für die extrakraniellen, sondern auch für die kraniellen Gefäße empfohlen, wobei sich eine verlängerte Scan-Zeit von 120 Minuten als deutlich sensitiver erwiesen hat.
Bei Verdacht auf Relaps wird ein Monitoring mit Bildgebung (US, PET, MRI) empfohlen, vor allem wenn ESR- und CRP-Werte nicht aussagekräftig sind. Bei Patient:innen in Remission wird derzeit kein routinemäßiges Imaging angeraten, aber, so Dejaco: „Ich bin nicht sicher, ob sich diese Empfehlung in Zukunft halten wird. Denn im Fall eines Rezidivs wäre es gut, Vergleichswerte aus der Remissionsphase zu haben.“
Neues aus der Forschung zu PMR und GCA
Die beiden Erkrankungen GCA und Polymyalgia rheumatica (PMR) sind stark miteinander assoziiert, sodass sie heute oft als verschiedene Manifestationen derselben Erkrankung betrachtet werden. De Miguel et al. stellten kürzlich fest, dass 23% der PMR-Patient:innen eine subklinische GCA aufweisen2 und dass diese das Risiko für einen PMR-Relaps signifikant erhöht.3 Das spricht dafür, so Dejaco, dass man bei einer klinischen PMR eine Gefäßsonografie machen sollte.
Die Pathogenese von GCA und PMR ist noch ungeklärt. „Vorangegangene Infekte, insbesondere mit Herpes zoster, erhöhen das Risiko für diese beiden Erkrankungen“, sagte Dejaco. Man beobachtet auch eine saisonale Häufung. Ein Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und dem Auftreten von GCA wurde kürzlich gefunden.4 In einer anderen rezenten Arbeit wurden somatische Mutationen im TET2-Gen als Risikofaktor für GCA und insbesondere für Visusverlust identifiziert.5
Hinweise auf prognoselimitierende Faktoren liefern neuere Studien für ausgeprägte systemische Entzündung und Beteiligung extrakranieller Gefäße (Aortitis, Axillararteriitis). Allerdings, so Dejaco, sind die Daten dazu noch heterogen und zum Teil widersprüchlich.
Praxistipp
Die ÖGR bietet auf ihrer Website diverse Scoring-Tools an, unter anderem auch für Ultraschallmessungen bei GCA: https://scoring.rheumatologie.at/scores„Wir wissen, dass Patient:innen mit Großgefäßvaskulitis ein erhöhtes Risiko für Aortenaneurysma/-dissektion haben“, so Dejaco. Das betrifft insbesondere Patient:innen mit Aortitis zu Baseline.6–9 Die aktuellen EULAR-Empfehlungen äußern sich zum Einsatz einer PET zur Baseline, um die Beteiligung der Aorta abzuklären, noch zurückhaltend.1 Dejaco: „Wenn man sich aber im Ultraschall die Axillararterien anschaut, kann man eigentlich schon ganz gut abschätzen, wer auch eine Beteiligung der Aorta hat. Denn nur 8% der Patient:innen ohne Axiallararteriitis haben eine Beteiligung der Aorta.“ In den EULAR-Guidelines wird der Einsatz von Bildgebung zum Monitoring bei Großgefäßvaskulitiden zwar angeraten, jedoch ohne Angabe von Häufigkeit und Methode. Dies soll im Einzelfall entschieden werden.1 Dejaco empfiehlt, bei Risikopatient:innen zumindest alle 2 Jahre eine Bildgebungskontrolle durchzuführen.
Glukokortikoidsparende Medikamente
Die Standardtherapie von GCA und PMR erfolgt mit Glukokortikoiden. Als Alternative ist für die Behandlung der GCA der IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab zugelassen. Der IL-17A-Antikörper Secukinumab zeigt in der Pipeline ebenfalls Erfolge bei GCA.10 In Phase-II-Studien erwies sich Tocilizumab außerdem auch bei neu aufgetretener und refraktärer PMR als effektive cortisonsparende Alternative.11,12 „Vielversprechende Ergebnisse bei PMR gibt es auch zu Sarilumab und Tofacitinib“, schloss Dejaco.
Aktuelle Daten legen Vorsicht bei zu rascher Reduktion von Glukokortikoiden nach PEXIVAS-Schema bei GPA und MPA nahe
Prof. Dr. Jens Thiel (Graz) berichtete über interessante neue Studien zu seltenen Vaskulitiden, wie den ANCA-assoziierten Kleingefäßvaskulitiden. Zu diesen zählen die GPA (Granulomatosis mit Polyangiitis, früher: Morbus Wegener), die EGPA (eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, früher: Churg-Strauss-Syndrom) und die MPA (mikroskopische Polyangiitis).
Wie bei den Großgefäßvaskulitiden besteht auch bei diesen Erkrankungen das Bestreben, Glukokortikoide (GC) womöglich zu reduzieren. Hoffnung machte diesbezüglich 2020 die PEXIVAS-Studie, deren eigentliches Ziel war, den Effekt der Plasmapherese bei Patient:innen mit schwerer ANCA-assoziierter Vaskulitis zu untersuchen.13 Diesbezüglich wurde der Endpunkt nicht erreicht. Es hat sich aber gezeigt, dass eine reduzierte GC-Dosierung der Standarddosierung hinsichtlich der Endpunkte Dialysepflichtigkeit und Tod nicht unterlegen war: Trotz rascher Steroidreduktion traten signifikant weniger schwere Infektionen im ersten Jahr auf.13
„In der Praxis ist allerdings eine rasche Reduktion von GC nicht bei allen Patient:innen möglich, man muss individuell entscheiden“, fügte Thiel hinzu. „Es ist sicher gut, GC möglichst zu reduzieren, aber dies muss stets unter engmaschiger klinischer und laborchemischer Kontrolle erfolgen.“
Dass man bei der GC-Reduktion bei bestimmten Patientengruppen vorsichtig sein sollte, zeigen auch neue Daten, die beim ACR 2023 präsentiert wurden. Eine französische Kohortenstudie verwendete für Patient:innen mit schwerer GPA oder MPA einen kombinierten Endpunkt aus Dialysepflichtigkeit, Tod, Progression vor Remission und Relaps. In dieser Studie schnitt die GC-Standarddosis signifikant besser ab als das reduzierte GC-Regime.14 „In der Subgruppe der Rituximab-Patient:innen war es tatsächlich so, dass Tod oder Dialysepflichtigkeit signifikant häufiger unter der reduzierten GC-Dosis auftraten“, berichtete Thiel. Das Fazit aus diesen neuen Daten ist: Die GC-Reduktion benötigt ein individuelles Vorgehen. Insbesondere bei Patient:innen, die Rituximab als Induktionstherapie erhalten, und bei Patient:innen mit schwerer initialer Nierenmanifestation sollte man eher nicht auf ein beschleunigtes GC-Reduktionsschema zurückgreifen bzw. ein beschleunigtes Reduktionsschema nur unter sehr engmaschiger Kontrolle anwenden.
Neue Medikamente für Kleingefäßvaskulitiden
Die aktuellen Empfehlungen zum Management der ANCA-Vaskulitiden integrieren neue Therapieprinzipien, wie IL-5-Antikörper und C5aR-Antagonisten.15 Prof. Thiel präsentierte aktuelle Daten zum Komplement-Rezeptorantagonisten Avacopan in Induktionstherapie zusätzlich zur Standardtherapie: Die Real-World-Daten zeigten für solcherart behandelte Patient:innen hohe klinische Remissionsraten in Woche 26 und 52 sowie eine anhaltende Verbesserung der eGFR.16
Für die Behandlung der EGPA ist unter anderem der IL-5-Antikörper Mepolizumab zugelassen. Eine beim ACR 2023 präsentierte Studie zeigte, dass der Antikörper Benralizumab, der sich gegen den IL-5-Rezeptor richtet, Mepolizumab bei EGPA nicht unterlegen ist.17
Somatische Mutationen sind häufiger als gedacht
In den letzten Jahren wurden bei Patient:innen mit autoinflammatorischen Systemerkrankungen verschiedene genetische Mutationen gefunden. Die Identifikation der VEXAS(Vacuoles, E1 enzyme, X-linked, Autoinflammatory, Somatic)-Mutation im UBA1-Gen führte zur Definition eines neuen Krankheitsbildes, des VEXAS-Syndroms. Dass diese Mutation gar nicht so selten ist, wie man bisher angenommen hat, zeigt eine retrospektive Beobachtungsstudie, die eine höhere Prävalenz als vermutet insbesondere bei Menschen über 50 Jahre fand: Bei einem von 4269 Männern über 50, aber auch bei einer von 26238 Frauen über 50 waren in dieser Untersuchung krankheitsauslösende UBA1-Varianten zu finden.18
Dass somatische Mutationen auch in der Pathogenese von Vaskulitiden eine relevante Rolle spielen, zeigt das vermehrte Auftreten von Mutationen in epigenetischen Regulatorgenen wie z.B. TET2 und weiteren Genen, die zur klonalen Hämatopoese (CHIP/CCUS) führen. „Die Analyse somatischer Mutationen erlaubt neue Einblicke in die Pathogenese von inflammatorischen Erkrankungen und Vaskulitiden, definiert neue Krankheitsbilder und bietet potenziell neue Ansatzpunkte zur Entwicklung von Therapeutika“, fasste Thiel zusammen.
Quelle:
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation (ÖGR), 30. November bis 2. Dezember 2023, Wien
Literatur:
1 Dejaco C et al.: Ann Rheum Dis 2023; ard-2023-224543 2 De Miguel E et al.: Rheumatology 2023; kead189 3 De Miguel E et al.: Ann Rheum Dis 2023; ard-2023-224768; online ahead of print 4 Bond M et al.: ÖGR-Jahrestagung 2023; Poster 2.14 5 Robinette M et al.: Arthritis Rheumatol 2023; online ahead of print 6 de Boysson H et al.: Medicine (Baltimore) 2016; 95(26): e3851 7 de Boysson H et al.: Autoimmun Rev 2018; 17(4): 391-8 8 Quinn KA et al.: Arthritis Rheumatol 2023; 75(1): 98-107 9 Moreel L et al.: Ann Intern Med 2023; 176(10): 1321-9 10 Venhoff N et al.: Lancet Rheumatol 2023; 5(6): e341-50 11 Bonelli M et al.: Ann Rheum Dis 2022; 81(6): 838-44 12 Devauchelle-Pensec V et al.: JAMA 2022; 328(11): 1053-62 13 Walsh M et al.: N Engl J Med 2020; 382: 622-31 14 Nagle S et al.: ACR 2023; Abstract 0725 15 Hellmich B et al.: Ann Rheum Dis 2023; ard-2022-223764 16 Sattui S et al.: ACR 2023; Abstract 0855 17 Wechsler M et al.: ACR 2023; Abstract L14 18 Beck DB et al.: JAMA 2023; 329(4): 318-24