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Metabolische Chirurgie bei Diabetes mellitus 2
DAM
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30.05.2018
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<p class="article-intro">Eines der weltweit am meisten und stetig zunehmenden Krankheitsbilder sind das krankhafte Übergewicht (Adipositas) und die damit einhergehenden Komorbiditäten, wobei vor allem Diabetes mellitus 2 (DM 2), arterielle Hypertonie, Schlafapnoe und Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates zu nennen sind. Laut aktuellen Zahlen der WHO sind 50 % aller Menschen in Europa übergewichtig (BMI >25kg/m²) und 20 % adipös (BMI ≥30kg/m²).<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die metabolische Therapie ist eine effektive und sichere Therapie von Adipositas und assoziierten Komorbiditäten.</li> <li>Speziell bei DM 2 sollte die Indikation zur Operation schon frühzeitig und auch bei niedrigerem BMI gestellt werden.</li> <li>Der BMI stellt keinen Prädiktor für eine Diabetesremission dar.</li> <li>Die geeignete Operationsmethode sollte individuell für den Patienten evaluiert werden.</li> </ul> </div> <p>Derzeit gibt es über 400 Mio. an Diabetes mellitus 2 erkrankte Menschen weltweit, wobei diese Anzahl stetig steigt.<sup>2</sup> Besonders viszerales Fett erhöht das Risiko, an Diabetes zu erkranken, welches gut mittels Messungen des Bauchumfangs quantifiziert werden kann. Hierbei kommt es durch verschiedenste Botenstoffe im Fettgewebe, welche vermehrt ausgeschüttet werden, zu chronischen Entzündungsreaktionen und in weiterer Folge zur Abnahme der Insulinsensitivität.<sup>3</sup> In großen prospektiven Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass die relative Mortalität bei einem BMI zwischen 22,5 und 25kg/m² am niedrigsten ist und um 30 % pro 5kg/m² BMI ansteigt.<sup>4</sup></p> <h2>Metabolische Chirurgie</h2> <p>Im derzeit internationalen Konsensus weltweiter Adipositasgesellschaften besteht eine Indikation zur chirurgischen Behandlung der Adipositas und ihrer Komorbiditäten ab einem BMI von >35kg/ m², wenn mindestens eine assoziierte Begleiterkrankung besteht, bzw. ab einem BMI von >40kg/m². Kontraindikationen für bariatrische Chirurgie sind unter anderen ein inakzeptables Operationsrisiko, eine Schwangerschaft, Erkrankungen aus dem psychotischen Formenkreis sowie mangelnde Compliance des Patienten. Bei der metabolischen Chirurgie steht nicht mehr der Gewichtsverlust, sondern die Behandlung von DM 2 im Fokus.<sup>5</sup><br /> Weltweit sind vor allem zwei metabolische Operationsmethoden von Bedeutung, sie machen zusammen über 80 % aller Eingriffe aus. Die derzeit am häufigsten durchgeführte bariatrische Operationsmethode ist die Sleeve-Gastrektomie, ein rein restriktiver Eingriff, bei welchem ein Großteil des Magens mittels Stapler abgetrennt und aus dem Körper entfernt wird, sodass nur ein Schlauchmagen bestehen bleibt (Abb. 1). Die bis 2013 am häufigsten durchgeführte metabolische Operation, welche zurzeit den zweiten Platz belegt, ist der klassische Y-Roux-Magenbypass. Bei dieser kombiniert malabsorptiven und restriktiven Operationsmethode wird einerseits ein Magenpouch mittels Stapler geformt und andererseits durch eine Anastomose ein Teil des Dünndarms aus der Verdauungspassage entfernt (Abb. 2).Metabolische Chirurgie verändert aber nicht nur die Nahrungsaufnahme und Nahrungsverwertung, sondern greift auch in den komplexen Regelkreis der Hormone des Magen-Darm-Trakts ein.6 Das in der Vergangenheit häufig implantierte Magenband hat heute aufgrund mangelnder Effektivität kombiniert mit Langzeitkomplikationen (Ösophagusdilatation, Bandmigration) kaum noch einen Stellenwert.<br /> Insgesamt werden weltweit jährlich über 500 000 bariatrische Eingriffe durchgeführt.<sup>7</sup> Die Wahl der bariatrischen Operationsmethode, welche für den jeweiligen Patienten am besten geeignet ist, ist von mehreren Faktoren (Höhe des BMI, Sodbrennen, Zwerchfellhernie, Begleiterkrankungen), aber auch vom Wunsch der Patienten abhängig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s21_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="706" /></p> <h2>Chirurgische therapie des Diabetes mellitus 2</h2> <p>Eines der Probleme der konservativen Therapiemethoden (Ernährungsumstellung, Erhöhung des Kalorienverbrauches usw.) ist, dass im Langzeitverlauf kaum ein Gewichtsverlust erzielt werden kann, auch wenn initial gute Ergebnisse erreicht worden sind.<sup>8</sup> Im Gegensatz dazu kann bariatrische Chirurgie, je nach Operationsmethode, zu einem lang anhaltenden Gewichtsverlust führen, wobei im Langzeitverlauf ein Verlust des überschüssigen Gewichts (OP-Gewicht abzüglich Idealgewicht) von 50−80 % beschrieben wird.<br /> Bezogen auf DM 2 konnten schon frühe Studien zeigen, dass es nach Y-Roux-Magenbypass bei bis zu 84 % der operierten adipösen Diabetiker initial zu einer Remission des Diabetes kommt.<sup>9</sup> Dabei ist die Remissionswahrscheinlichkeit von Diabetes mellitus umso höher, je kürzer die Erkrankung bereits besteht.<br /> Eine prospektiv randomisierte Studie an Patienten mit DM 2, in welcher konservative Therapie mit metabolischer Chirurgie verglichen wurde, konnte bezogen auf Diabetesremission große Vorteile für den Y-Roux-Magenbypass feststellen. Nach 5 Jahren benötigten 45 % der Patienten keine Diabetesmedikamente und der HbA1c war im Durchschnitt um 2 Punkte niedriger als vor der Operation. Interessant ist, dass auch Patienten mit einem BMI von <35 kg/m² bezogen auf die Diabetesremission von der metabolischen Chirurgie profitierten.<sup>10</sup><br /> In einer Metaanalyse von 15 prospektiv randomisierten Studien, in welchen Vergleiche von konservativer Diabetestherapie mit metabolischer Chirurgie durchgeführt wurden, konnte eindeutig im Bereich der Chirurgie das bessere Ergebnis erzielt werden. In aktuellen Guide lines der American Diabetes Association (ADA) wird daher einen Schritt weitergegangen und die In dikation zu metabolischer Chirurgie bei schlecht eingestellten Typ-2-Diabetikern auf einen BMI von >30kg/m² erweitert.<sup>11</sup> Eine der größten Langzeitbeobachtungsstudien weltweit konnte des Weiteren zeigen, dass durch metabolische Eingriffe auch das Risiko, an DM 2 neu zu erkranken, um 78 % reduziert wird, womit sie auch eine Prophylaxe darstellen.<sup>12</sup> Eine Studie zur Langzeitmortalität nach Y-Roux-Magenbypass demonstrierte neben einer Reduktion der Sterblichkeit bei Krebserkrankungen um 60 % und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 56 % eine 90 % ige Reduktion der Typ- 2-Diabetes assoziierten Sterblichkeit.<sup>13</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> http://www.euro.who.int/en/health-topics/noncommunicable- diseases/obesity <strong>2</strong> http://www.idf.org/diabetesatlas <strong>3</strong> Trayhurn P et al.: Arch Physiol Biochem 2 011; 117(2): 47-56 <strong>4</strong> Prospective Studies C, Whitlock G et al.: Lancet 2009; 373(9669): 1083-96 <strong>5</strong> De Luca M et al.: Obes Surg 2016; 26(8): 1659-96 <strong>6</strong> Foster-Schubert KE et al.: Endocr Rev 2006; 27(7): 779-93 <strong>7</strong> Angrisani L et al.: Bariatric surgery and endoluminal procedures: IFSO Worldwide Survey 2014. Obes Surg 2017; 27(9): 2279-89 <strong>8</strong> Franz MJ et al.: J Am Diet Assoc 2007;107(10): 1755- 67 <strong>9</strong> Buchwald H et al.: JAMA 2 004; 2 92(14): 1 724-37 <strong>10</strong> Schauer PR et al.: N Engl J Med 2017; 376(7): 641-51 <strong>11</strong> Rubino F et al.: Obes Surg 2017; 27(1): 2-21 <strong>12</strong> Carlsson LM et al.: N Engl J Med 2012; 367(8): 695-704 <strong>13</strong> Adams TD et al.: N Engl J Med 2007; 357(8): 753-61</p>
</div>
</p>