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Herpes zoster in der Praxis
DAM
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22.03.2018
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<p class="article-intro">Herpes zoster (Gürtelrose) ist eine der häufigsten durch Impfung vermeidbaren Infektionskrankheiten. Das Risiko, im Lauf des Lebens daran zu erkranken, wird auf rund 30 % geschätzt. Er tritt gehäuft bei Menschen über 50 Jahre und bei immungeschwächten Personen auf und beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Therapieziele sind Schmerzlinderung, Abheilen der Hautläsionen, Vermeiden der Virusausbreitung und einer postherpetischen Neuralgie.</li> <li>Eine antivirale Therapie kann den Heilungsprozess beschleunigen und ist vor allem bei immunsupprimierten Patienten und kompliziertem Verlauf indiziert.</li> <li>Akute Schmerzen werden nach dem WHO-Stufenschema behandelt, die postherpetische Neuralgie gehört in die Hand eines Schmerzspezialisten.</li> <li>Empfehlungen zur topischen Therapie variieren wegen der unzureichenden Datenlage von Zentrum zu Zentrum.</li> <li>Die Gabe von Kortikosteroiden wird kontrovers diskutiert.</li> </ul> </div> <p>Der Erreger des Herpes zoster, das Varizella- zoster-Virus (VZV), ist weltweit verbreitet und verantwortlich für zwei verschiedene Krankheiten: Windpocken bei exogener Erstinfektion und Herpes zoster (Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung.<sup>2</sup> Die Windpocken sind grundsätzlich hoch ansteckend und werden vorwiegend aerogen beim Atmen oder Husten durch virushaltige Tröpfchen übertragen. Daneben sind Schmierinfektionen durch virushaltigen Bläscheninhalt, Speichel oder Konjunktivalflüssigkeit möglich.<sup>2</sup> Der Herpes zoster ist dagegen weniger kontagiös, da hier nur die Bläschenflüssigkeit Viren enthält. Werden die Bläschen abgedeckt, so sinkt die Ansteckungsgefahr deutlich.<sup>2</sup></p> <h2>Aktivierung bei geschwächtem Immunsystem</h2> <p>Herpes zoster ist ein endogenes Rezidiv einer VZV-Infektion und tritt daher nur bei Personen auf, die an Windpocken erkrankt waren. Der Erreger persistiert in den Spinal- und Hirnnervenganglien und wird wieder aktiv, wenn das Immunsystem geschwächt wird, zum Beispiel durch Krankheiten wie HIV, infolge immunsupprimierender Therapien oder bei sehr betagten Menschen. Es kann allerdings auch – wenn auch seltener – bei jungen, immunkompetenten Menschen zum Ausbruch einer Gürtelrose kommen.<sup>2</sup> Nach einer Varizellenimpfung mit Lebendimpfstoff kann zwar ebenfalls ein Herpes zoster auftreten, aber generell erkranken geimpfte Kinder drei- bis zwölfmal seltener als ungeimpfte und der klinische Verlauf ist in der Regel milder.<sup>3</sup><br /> Während die Krankheit bei Kindern im Allgemeinen gutartig verläuft, können Erwachsene infolge einer akuten Neuritis unter erheblichen Schmerzen leiden. Diese können selbst nach Abheilen der Gürtelrose bestehen bleiben (postherpetische Neuralgie, PHN).<sup>1</sup></p> <h2>Therapie des Herpes zoster</h2> <p>Die wichtigsten Ziele der Therapie sind, die Schmerzen zu lindern, die Ausdehnung und Dauer der Hautläsionen zu begrenzen sowie eine PHN und weitere Komplikationen zu verhindern.<sup>4</sup><br /><br /> <strong>Topische Therapie</strong><br /> Vor Beginn einer lokalen Behandlung muss der Status der Haut und der Läsionen durch einen Dermatologen erhoben werden. Die Datenlage zur topischen Therapie ist jedoch nicht ausreichend, um konkrete Empfehlungen zu geben. Daher variiert auch die klinische Praxis stark. So werden zum Beispiel sterile physiologische Kochsalzlösung, milde Antiseptika oder Zinkoxidlotionen eingesetzt. Manche Experten raten auch dazu, nicht lokal zu behandeln, sondern die Läsionen lediglich trocken und sauber zu halten.<sup>4</sup><br /> Eine lokale Applikation antiviraler Medikamente wird kontrovers diskutiert, da es keine Daten aus randomisierten, placebokontrollierten Studien gibt, um dieses Vorgehen zu stützen.<sup>4</sup><br /><br /> <strong>Antivirale Therapie</strong><br /> Bei Patienten ohne Risikofaktoren heilt der umschriebene Zoster der Haut am Körper und an den Extremitäten meist auch ohne eine antivirale Therapie komplikationslos aus.<sup>4, 5</sup> Die antivirale Behandlung verkürzt jedoch den Heilungsverlauf: Sie beschleunigt das Abheilen der Hautläsionen, vermindert das Auftreten neuer Läsionen, reduziert die Ausbreitung der Viren und mindert die Schmerzen. Sie ist zudem indiziert bei komplizierten Krankheitsverläufen, etwa bei Gürtelrose im Kopf-Hals-Bereich oder schwerem Zoster an den Extremitäten und am Körperstamm, sowie bei immunsupprimierten Patienten. Zur Verfügung stehen die oral zu verabreichenden Wirkstoffe Aciclovir, Famiciclovir, Valaciclovir und Brivudin. Bei Patienten mit kompliziertem Krankheitsverlauf kann Aciclovir auch intravenös appliziert werden. <sup>4, 5</sup> Die Behandlungsdauer beträgt bei immunkompetenten Patienten in der Regel sieben Tage, bei immunsupprimierten Patienten unter Umständen länger.<sup>4, 5</sup><br /><br /> <strong>Kortikosteroide</strong><br /> Die Anwendung von Kortikosteroiden wie Prednison oder Prednisolon bei unkompliziertem Herpes zoster wird kontrovers diskutiert. Einige Studien zeigten einen Benefit, vor allem bei Schmerzen und der Lebensqualität. Wegen ihrer immunsupprimierenden Wirkung sollten Glukokortikoide bei Zoster jedoch nie ohne begleitende antivirale Therapie eingesetzt werden.<sup>5</sup><br /><br /> <strong>Schmerztherapie</strong><br /> Die Behandlung akuter Zoster- Schmerzen folgt dem WHOStufenschema: Nichtopioidanalgetika bei leichten Schmerzen, Nichtopioidanalgetika plus schwache Opioidanalgetika bei moderaten Schmerzen und Nichtopioidanalgetika plus starke Opioidanalgetika bei starken Schmerzen.<sup>4</sup><br /> Die Behandlung der PHN umfasst unter anderem die Anwendung von Lokalanästhetika wie Lidocain, Capsaicin, Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin, Opioiden und trizyklischen Antidepressiva wie Nortriptylin. Studien haben gezeigt, dass Kombinationen verschiedener Substanzgruppen wirkungsvoller sind als eine Monotherapie, jedoch auch mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden sind. Da die PHN-Therapie sehr komplex ist, ist es ratsam, die Patienten an einen Spezialisten zu über weisen.<sup>5</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> Kawai K et al.: BMJ Open 2014; 4: e004833 (doi:10.1136/ bmjopen-2014-004833) <strong>2</strong> Robert Koch Institut, Berlin: RKI-Ratgeber für Ärzte „Windpocken, Herpes zoster (Gürtelrose)“, Stand: 29.08.2017 <strong>3</strong> Weinmann S et al.: J Infect Dis 2013; 208: 1859-68 <strong>4</strong> Werner RN et al.: JEADV 2017; 31: 20-9 <strong>5</strong> Cohen JI: N Engl J Med 2013; 369: 255-63</p>
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