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Universimed 2020
Helicobacter pylori – was ist aktuell?
DAM
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler
4. Medizinische Abteilung,<br> Wilhelminenspital, Wien<br> E-Mail: michael.gschwantler@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
21.12.2017
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<p class="article-intro">Wir wissen heute, dass das Bakterium Helicobacter pylori (H.p.) für einen großen Teil aller Fälle von Gastritis, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, Magenkarzinom sowie MALT-Lymphom des Magens verantwortlich ist. Die Empfehlungen hinsichtlich der H.p.-Eradikationstherapie haben sich während der letzten Monate verändert.</p>
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<p class="article-content"><h2>Pathogenese H.p.-assoziierter Erkrankungen</h2> <p>Die Infektion mit H.p. erfolgt meist bereits in der frühen Kindheit, wobei das Infektionsrisiko umso höher ist, je niedriger der Lebensstandard ist und je schlechter die hygienischen Verhältnisse sind. Nach der Infektion siedelt sich das Bakterium zunächst im Magenantrum an, da dort die Säurebelastung nicht so hoch ist wie im Bereich des säuresezernierenden Epithels des Magencorpus. Diese H.p.-induzierte Gastritis wird als Gastritis Typ B bezeichnet. Die meisten Patienten mit Gastritis Typ B sind völlig beschwerdefrei oder haben nur unspezifische Symptome wie leichte Oberbauchschmerzen oder Übelkeit. Nur etwa 10 % aller Betroffenen entwickeln als Folge der H.p.-Infektion ein Ulcus ventriculi oder ein Ulcus duodeni. Noch viel seltener führt die Infektion zur Entstehung eines Magenkarzinoms oder eines MALT-Lymphoms (Abb. 1).<br /> Lange Zeit war es unklar, wie ein so extrem an das Leben in der Magenschleimhaut adaptiertes Bakterium ein Ulcus duodeni verursachen kann. Inzwischen ist bekannt, dass die Pathogenese des H.p.- induzierten Ulcus duodeni wie folgt abläuft: Bei Patienten mit hoher Magensäureproduktion entstehen im Bulbus duodeni als Reaktion auf die hohe Magensäureexposition kleine Inseln von Magenschleimhaut, die als „gastrale Metaplasien“ bezeichnet werden. Diese gastralen Metaplasien können in der weiteren Folge von H.p. besiedelt werden, es entsteht eine H.p.-induzierte Entzündung innerhalb des metaplastischen Epithels und schließlich können sich genau an diesen Stellen Ulcera duodeni bilden (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1710_Weblinks_s28_abb1.jpg" alt="" width="1088" height="660" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1710_Weblinks_s28_abb2.jpg" alt="" width="723" height="762" /></p> <h2>Differenzialdiagnose der Gastritis</h2> <p>Bei jeder Gastritis sollte eine differenzialdiagnostische Abklärung vorgenommen werden, um – wenn möglich – eine kausale Therapie einzuleiten. Die häufigsten Ursachen der Gastritis sind:</p> <ul> <li>die bereits genannte H.p.-induzierte Gastritis Typ B („B“ wie „bakteriell“), deren Therapie in einer Eradikationstherapie (siehe unten) besteht</li> <li>die Gastritis Typ C („C“ wie „chemisch“), die hauptsächlich durch die Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatica (NSAR) sowie durch den Rückfluss von Galle in den Magen ausgelöst wird</li> <li>die Gastritis Typ A („A“ wie „autoimmun“), bei der es durch einen Autoimmunprozess zu einer Entzündung der proximalen Magenabschnitte (Corpus und Fundus) kommt. Nach jahrelangem Verlauf entwickelt sich eine Atrophie im Magencorpus und Magenfundus mit massiver Abnahme der Säuresekretion und Vitamin- B12-Mangel.</li> </ul> <h2>Differenzialdiagnose von Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi</h2> <p>Heute wird die Entstehung eines gastroduodenalen Ulkus im Wesentlichen als ein zweistufiger Prozess verstanden: In einem ersten Schritt wird die Schleimhaut vorgeschädigt – wofür eine Infektion mit H.p. beziehungsweise die Einnahme von NSAR mit großem Abstand die häufigsten Ursachen sind. Andere Ursachen wie Zollinger-Ellison- Syndrom, Morbus Crohn, Sarkoidose, Tuberkulose, Vaskulitiden u.a. sind sehr selten. In einem zweiten Schritt kann dann gleichsam die Magensäure durch die vorgeschädigte Mukosa in tiefere Wandschichten eindringen und auf diese Weise zur Entstehung von Ulzerationen führen.<br /> In früheren Jahren trat die gastroduodenale Ulkuskrankheit zumeist als chronische Erkrankung auf, wobei die Patienten häufig zweimal jährlich (im Frühjahr und Herbst) Ulkusschübe entwickelten. Durch zahllose Studien konnte inzwischen gezeigt werden, dass bei Patienten mit H.p.-induzierten Ulzera durch eine erfolgreiche Eradikationstherapie weitere Rezidive verhindert werden können (zumindest wenn keine NSAR eingenommen werden). Für H.p.-induzierte Ulzera gilt daher nicht mehr der alte Grundsatz „Einmal ein Ulkus – immer ein Ulkus“ sondern „Einmal ein Ulkus – nach erfolgreicher Eradikationstherapie nie wieder ein Ulkus“. Für diese Entdeckung wurden die beiden Australier Warren und Marshall 1995 völlig zu Recht mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.</p> <h2>H.p.-Eradikationstherapie im Jahr 2017</h2> <p>Die Empfehlungen zur Wahl des H.p.-Eradikationsschemas haben sich während der letzten Monate verändert. Dies ist für die klinische Praxis extrem relevant: Über viele Jahre hindurch stellten einwöchige Tripeltherapien die Standardtherapie der H.p.- Eradikation in Österreich dar. Dabei wurden zwei Antibiotika (Clarithromycin plus Amoxicillin oder Clarithromycin plus Metronidazol) über sieben Tage gemeinsam mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) verabreicht. Nachdem über viele Jahre hindurch mit diesen Tripeltherapien Eradikationsraten von über 90 % erzielt werden konnten, mussten wir während der vergangenen Jahre eine Abnahme der Effektivität dieser Therapieregime beobachten. Die Ursache dieses Phänomens liegt in der Zunahme von gegen Clarithromycin resistenten H.p.-Stämmen. In einer kürzlich durchgeführten österreichweiten Studie konnte gezeigt werden, dass inzwischen 21,1 % aller H.p.-Stämme in Österreich eine primäre Resistenz gegen Clarithromycin aufweisen. Einwöchige Tripeltherapien sollten daher in Österreich nicht mehr zur H.p.-Eradikation eingesetzt werden. Es sei denn, es konnte durch vorhergehende Resistenztestung des H.p.-Stammes das Vorliegen einer Resistenz gegen Clarithromycin ausgeschlossen werden. Auch die sogenannten sequenziellen Therapien sowie levofloxacinbasierte Regime werden nicht mehr als First-Line-Therapien empfohlen.<br /> Vom aktuellen Maastricht-V/Florence Consensus Report und vom amerikanischen Toronto Consensus werden für Länder mit einer Resistenzsituation wie in Österreich die folgenden beiden Therapieregime als First-Line-Therapie empfohlen:</p> <ul> <li>Die „concomitant therapy“ bestehend aus Amoxicillin, Clarithromycin, Metronidazol und einem PPI über 14 Tage (Tab. 1). Dieses Regime enthält zwar ebenfalls Clarithromycin, jedoch können durch die Kombination mit Amoxicillin und Metronidazol auch bei clarithromycinresistenten Stämmen hohe Eradikationsraten erzielt werden.</li> <li>Die bismuthbasierte Quadrupeltherapie bestehend aus Bismuthsubcitrat, Tetracyclin, Metronidazol (alle drei Substanzen enthalten in Pylera<sup>®</sup>) und einem PPI über 10 bis 14 Tage.</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1710_Weblinks_s28_tab1.jpg" alt="" width="1051" height="491" /></p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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