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Differenzialdiagnose Kopfschmerz

<p class="article-intro">Kopfschmerz zählt mit einer Lebenszeitprävalenz von mehr als 90 % zu den häufigsten Symptomen in der Allgemeinbevölkerung. Bis zu 70 % der Menschen haben zumindest einmal pro Monat Kopfschmerzen. Am Allgemeinen Krankenhaus Wien entfällt mehr als ein Viertel aller akuten ambulanten neurologischen Begutachtungen auf Patienten mit dem Leitsymptom Kopfschmerz.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Klassifikation</h2> <p>Die Differenzialdiagnose des Kopfschmerzes umfasst mehr als 200 Erkrankungen, wobei prinzipiell zwischen prim&auml;ren und sekund&auml;ren Formen unterschieden wird. Bei prim&auml;ren Kopfschmerzen, wie Migr&auml;ne oder Spannungskopfschmerz, findet sich keine St&ouml;rung, die dem Kopfschmerz als Ursache zugrunde liegt. Bei sekund&auml;ren Kopfschmerzen ist eine solche nachweisbar, wie z.B. eine Infektion, ein Sch&auml;delhirntrauma oder ein Gehirntumor.<br /> Gerade angesichts der gro&szlig;en Zahl von Patienten mit prim&auml;ren und nicht akut bedrohlichen sekund&auml;ren Kopfschmerzen ist es wichtig, potenziell bedrohliche Kopfschmerzursachen rasch zu erkennen.</p> <h2>Klinische Begutachtung</h2> <p>Bei der &uuml;berwiegenden Mehrzahl der Patienten mit dem Leitsymptom Kopfschmerz kann alleine mithilfe der Anamnese eine diagnostische Zuordnung getroffen werden. Einen Algorithmus, der es erlauben soll, Patienten mit akut bedrohlichen Kopfschmerzen gezielt zu erfassen, gibt die Tabelle 1 wieder.<br /> Bei der Erstvorstellung sollte eine neurologische Bewertung erfolgen. Die Patientin, deren kraniale Computertomografie in Abbildung 1 zu sehen ist, berichtete im Rahmen eines regul&auml;ren Ersttermins in der Kopfschmerzambulanz &uuml;ber wenig bedrohlich imponierende, migr&auml;neartige Kopfschmerzen seit 6 Monaten; dar&uuml;ber hinaus hatte sie aber seit einigen Tagen Doppelbilder und eine Zugtendenz nach links beim Gehen bemerkt. Im neurologischen Status fand sich zudem eine Anisokorie. Bei der Erstvorstellung von Patienten mit Kopfschmerzen sollte daher neben einer Erfassung der Vitalparameter eine orientierende neurologische Untersuchung erfolgen.<br /> Ebenso wichtig wie das Erkennen von Notfallsituationen ist die korrekte Zuordnung der h&auml;ufigen prim&auml;ren Kopfschmerzen. Die diagnostischen Kriterien der Migr&auml;ne ohne Aura und des episodischen Spannungskopfschmerzes sind daher in Tabelle 2 zusammengefasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s23_tab1+2.jpg" alt="" width="1417" height="2171" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s22_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1136" /></p> <h2>Apparative Diagnostik</h2> <p>Migr&auml;ne und Spannungskopfschmerz werden auf Basis der Anamnese und der klinisch-neurologischen Untersuchung diagnostiziert und bed&uuml;rfen in den meisten F&auml;llen keiner apparativen Diagnostik. Bei anderen prim&auml;ren Kopfschmerzen sowie bei Verdacht auf sekund&auml;re Kopfschmerzen sind ad&auml;quate apparative Untersuchungen gezielt auszuw&auml;hlen.<br /> Im Falle von Kopfschmerzen kommt der kranialen Computertomografie (cCT) in der Akutdiagnostik allein aufgrund der rascheren Verf&uuml;gbarkeit die wichtigste Rolle zu. Bei Verdacht u.a. auf eine Sinusvenenthrombose oder Hirnstamml&auml;sion ist allerdings die akute Durchf&uuml;hrung einer kranialen Magnetresonanztomografie (cMRT) unabdingbar. Zur elektiven bildgebenden Abkl&auml;rung von Kopfschmerzen ist der cMRT jedenfalls der Vorzug zu geben.<br /> Eine vaskul&auml;re Abkl&auml;rung mittels Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Arterien, MR-Angiografie (MRA) oder CT-Angiografie (CTA) ist u.a. indiziert, wenn der Verdacht auf arterielle Dissektion oder eine Carotis-cavernosus-Fistel besteht. Zum Ausschluss einer arterioven&ouml;sen Malformation gelangen MRA und CTA zum Einsatz. Bei Verdacht auf eine Sinusvenenthrombose ist eine MR-Venografie zu veranlassen.<br /> Bei klinischem Hinweis auf akute Sinusitis sind Nativr&ouml;ntgenaufnahmen (bzw. eine CT-Untersuchung) der Nasennebenh&ouml;hlen erforderlich. Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines zervikogenen Kopfschmerzes bzw. nach einem Schleudertrauma der Halswirbels&auml;ule (HWS) sind Nativr&ouml;ntgenaufnahmen (inkl. Funktionsaufnahmen) oder eine MRTUntersuchung der HWS indiziert.<br /> Die Elektroenzephalografie hat in der Abkl&auml;rung von Kopfschmerzen nur begrenzten Wert und ist nur zielf&uuml;hrend, wenn die Abgrenzung einer Migr&auml;ne mit Aura gegen&uuml;ber einem fokalen epileptischen Anfall erfolgen muss, wenn Kopfschmerzen mit einem epileptischen Anfall einhergegangen sind, wenn Hinweise auf das Vorliegen einer (Meningo-)Enzephalitis bestehen, wenn Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Stoffwechselst&ouml;rungen und/oder Intoxikationen auftreten oder wenn ein Kopfschmerz mit einer Wesens&auml;nderung oder kognitiven Beeintr&auml;chtigung assoziiert ist, deren Ursache auf anderem Wege nicht gekl&auml;rt werden kann.<br /> Eine Laboruntersuchung ist bei Verdacht auf eine Arteriitis temporalis, bei Kopfschmerzen in Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen sowie &auml;tiologisch unklaren Kopfschmerzen erforderlich.<br /> Die Indikation zur Lumbalpunktion ist gegeben, wenn der Verdacht auf eine entz&uuml;ndliche Erkrankung im Bereich des Zentralnervensystems, eine Subarachnoidalblutung, eine Meningeosis oder eine idiopathische intrakranielle Drucksteigerung besteht.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Diagnose der h&auml;ufigsten prim&auml;ren Kopfschmerzen, Migr&auml;ne und Spannungskopfschmerz, erfordert eine eingehende Anamnese, aber meist keine apparative Diagnose. Der Verdacht auf einen sekund&auml;ren Kopfschmerz macht es erforderlich, das diagnostische Procedere individuell festzulegen. Dabei kommt der bildgebenden Diagnostik gro&szlig;e Bedeutung zu, in manchen F&auml;llen, wie zum Beispiel bei Verdacht auf eine Arteriitis temporalis, ist hingegen die Labordiagnostik vorrangig. Eine genaue diagnostische Zuordnung von Kopfschmerzen ist die Voraussetzung f&uuml;r eine gezielte Therapie.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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