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Die ärztliche Beurteilung der Fahreignung bei Tagesschläfrigkeit

<p class="article-intro">Wir Ärzte werden regelmässig in die Pflicht genommen, bei unseren Patienten aktiv nach krankhaften Ursachen einer eingeschränkten Fahreignung zu suchen und diese aus medizinischer Sicht, zunehmend mit Fokus auf die Problematik bei Tagesschläfrigkeit, zu beurteilen. Neben gezielter Diagnostik und wirksamer Therapie der Schläfrigkeit gehört es zu unserer Sorgfaltspflicht, die rechtlichen Vorschriften zu beachten und die optimalen Abklärungsschritte zu wählen, welche sich je nach Zuweisungsgrund, Führerausweis sowie der Arbeit eines Fahrzeuglenkers unterscheiden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Beurteilung der Fahreignung geh&ouml;rt bei jeder Konsultation zur Sorgfaltspflicht des behandelnden Arztes.</li> <li>Der Patient wird auf seine Selbstverantwortung aufmerksam gemacht und soll instruiert werden, dass bei Schl&auml;frigkeit kein Motorfahrzeug gelenkt werden darf, wobei diese Fahreignungsaufkl&auml;rung in den Krankenakten vermerkt wird.</li> <li>Die umfassende Abkl&auml;rung und die gezielte Therapie bei unklarer Tagesschl&auml;frigkeit oder Tagesm&uuml;digkeit sollen in Zusammenarbeit mit dem Schlafspezialisten oder mit dem Schlaf-Wach-Zentrum erfolgen.</li> <li>Bei der periodischen Beurteilung der Fahreignung von Fahrzeuglenkern &uuml;ber 70 Jahre oder Berufschauffeuren mit m&ouml;glicher Tagesschl&auml;frigkeit soll der Schlafmediziner fr&uuml;hzeitig einbezogen werden.</li> <li>Der einzige objektive und rechtlich verbindliche Test zur objektiven Messung der Tagesschl&auml;frigkeit ist der multiple Wachhaltetest (MWT) im Schlaflabor, nicht aber z. B. der Apnoe-Hypopnoe-Index.</li> </ul> </div> <h2>Gesetzeslage in der Schweiz</h2> <p>Der Anteil der Verkehrsunf&auml;lle, welche durch Sekundenschlaf verursacht werden, wird auf 10 bis 20 % aller Unf&auml;lle gesch&auml;tzt, was die H&auml;ufigkeit von alkoholbedingten Verkehrsunf&auml;llen klar &uuml;bersteigt.<sup>1&ndash;5</sup> Insbesondere t&ouml;dliche Unf&auml;lle sind h&auml;ufig durch Einschlafen am Steuer bedingt, weil diese Unf&auml;lle ungebremst erfolgen und entsprechend schwerer verlaufen. Die Beurteilung der Fahreignung bzw. der Fahrf&auml;higkeit ist grunds&auml;tzlicher Bestandteil der &auml;rztlichen Sorgfaltspflicht bei jeder Konsultation. Die Verkehrskommission der Schweizerischen Gesellschaft f&uuml;r Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie hat im Jahr 2017 <em>neue Empfehlungen zur Fahreignung bei Tagesschl&auml;frigkeit </em>erarbeitet.<sup>1, 2</sup><br /> Gem&auml;ss der Verkehrszulassungsverordnung (VZV) sind in der Schweiz nur Personen zum Strassenverkehr zugelassen, welche &laquo;keine Nervenkrankheiten mit dauernder Behinderung aufweisen&raquo; und &laquo;keine periodischen Bewusstseinsst&ouml;rungen oder Bewusstseinsverluste erleben&raquo;, wozu zun&auml;chst auch unbehandelte &laquo;<em>Erkrankungen mit Tagesschl&auml;frigkeit</em>&raquo; geh&ouml;ren.<br />Die Sorgfaltspflicht des behandelnden Arztes gebietet es (OR Art. 398), die Patienten &uuml;ber eine allf&auml;llige Einschr&auml;nkung der Fahreignung und die entsprechenden Gefahren aufzukl&auml;ren, wobei der Arzt bei Personen, deren Fahreignung fraglich oder nicht mehr gegeben ist, ein Melderecht, aber keine Meldepflicht gegen&uuml;ber den Beh&ouml;rden hat (SVG, Art. 15d), und zwar auch ohne Entbindung von der &auml;rztlichen Schweigepflicht. Dieses Aufkl&auml;rungsgespr&auml;ch soll aus juristischen Gr&uuml;nden in den Krankenakten vermerkt werden.<br />Nach den Erneuerungen unter &laquo;Via sicura &raquo; werden die Fahrzeuglenker aufgrund des F&uuml;hrerausweises in die medizinische Gruppe 1 (private Fahrer) und die Gruppe 2 (Berufsfahrer) eingeteilt.<sup>6</sup> F&uuml;r Lokomotivf&uuml;hrer, Piloten oder Personen in &auml;hnlich verantwortungsvollen Berufen gelten besondere Richtlinien.<sup>7, 8</sup> Anstelle der Bezeichnung &laquo;Vertrauensarzt&raquo; wird f&uuml;r den Arzt mit Anerkennung f&uuml;r verkehrsmedizinische Untersuchungen nach VZV umgangssprachlich der Begriff &laquo;Stufe-1-&raquo; bzw. &laquo;Stufe-2-&raquo;Arzt verwendet.<br />F&uuml;r Berufschauffeure und ab dem Alter von 70 Jahren sind <em>periodische amts&auml;rztliche &Uuml;berpr&uuml;fungen</em> der Fahreignung durch einen Vertrauensarzt der Stufe 1 oder 2 f&uuml;r alle Fahrzeuglenker n&ouml;tig (VZV, Art. 27), wobei dieser Arzt gegen&uuml;ber den Beh&ouml;rden eine <em>Meldepflicht</em> hat.<sup>6</sup></p> <p>Unter dem Begriff &laquo;<em>Fahreignung</em>&raquo; wird die <em>permanent</em> vorhandene F&auml;higkeit verstanden, ein Fahrzeug sicher im Strassenverkehr zu lenken. Dabei m&uuml;ssen Voraussetzungen, wie gen&uuml;gendes Sehverm&ouml;gen und gen&uuml;gende kognitive F&auml;higkeiten, vorhanden sein und es d&uuml;rfen keine Bewusstseinsst&ouml;rungen oder eine chronisch erh&ouml;hte Tagesschl&auml;frigkeit vorliegen.<br /> Wenn die F&auml;higkeit f&uuml;r ein sicheres Lenken nur momentan eingeschr&auml;nkt ist, spricht man von einer eingeschr&auml;nkten &laquo;Fahrf&auml;higkeit&raquo;. Im Strassenverkehrsgesetz (Art. 31) wird festgelegt: &laquo;Wer wegen Alkohol-, Bet&auml;ubungsmittel- oder Arzneimitteleinfluss oder aus anderen Gr&uuml;nden nicht &uuml;ber die geforderte k&ouml;rperliche und geistige Leistungsf&auml;higkeit verf&uuml;gt, gilt w&auml;hrend dieser Zeit als fahrunf&auml;hig und darf kein Fahrzeug f&uuml;hren.&raquo; Es ist aber klar, dass zwischen den Begriffen fliessende &Uuml;berg&auml;nge bestehen.</p> <p><strong>Das akzeptierbare Risiko</strong></p> <p>Jede Gesellschaft legt fest, welche Risiken akzeptiert werden k&ouml;nnen, was beispielhaft anhand des tolerierten Alkoholspiegels im Blut beim Autofahren ablesbar ist. Bei der aktuell in der Schweiz g&uuml;ltigen Limite am Steuer von &lt; 0,5 Promille geht man von einem zweifach h&ouml;heren Risiko f&uuml;r Verkehrsunf&auml;lle (Odds-Ratio = 2,0) im Vergleich zur Durchschnittsbev&ouml;lkerung aus, was offenbar in unserer Gesellschaft akzeptiert werden soll. Im Vergleich dazu liegt die Odds-Ratio f&uuml;r das Unfallrisiko der meisten Krankheiten zwischen 0,9 und 1,9 (z. B. bei Epilepsie 1,84).<sup>9</sup> <em>Krankheiten mit einer Tagesschl&auml;frigkeit</em> (obstruktive Schlafapnoe und Narkolepsie) weisen mit einer Odds-Ratio von 3,71 ein deutlich h&ouml;heres Risiko auf, was m&ouml;glicherweise mit der verz&ouml;gerten Diagnose und Therapie zusammenh&auml;ngt.<br />Beim Festsetzen der Regeln muss verhindert werden, dass sich die Patienten wegen zu strenger Regeln bei der Beurteilung der Fahreignung aus Angst, den F&uuml;hrerausweis zu verlieren, der &auml;rztlichen Behandlung entziehen und unbehandelt weiterfahren.</p> <h2>Die &auml;rztlichen Aufgaben bei Patienten mit Tagesschl&auml;frigkeit</h2> <p>Es stehen zurzeit keine validierten Testverfahren zur Verf&uuml;gung, mit welchen die Unfallgefahr bei exzessiver Tagesschl&auml;frigkeit verl&auml;sslich vorausgesagt werden kann. Folgende Faktoren spielen eine Rolle und m&uuml;ssen bei der Beurteilung des Unfallrisikos und damit der Fahreignung durch den Arzt miteinbezogen werden:</p> <ol> <li>der Schweregrad der Schl&auml;frigkeit,</li> <li>die F&auml;higkeit, eine Schl&auml;frigkeit rechtzeitig wahrzunehmen,</li> <li>das vern&uuml;nftige Verhalten des Fahrers,</li> <li>allf&auml;llige Komorbidit&auml;ten, die das Sekundenschlafrisiko erh&ouml;hen k&ouml;nnten.</li> </ol> <p>F&uuml;r den behandelnden Arzt geht es bei der Diagnostik und Therapie u. a. auch darum, die Fahreignung seiner Patienten zu erhalten bzw. wiederherzustellen, was bei Tagesschl&auml;frigkeit oft auch m&ouml;glich ist.<br /> Die <em>prim&auml;re Verantwortung</em> f&uuml;r die sichere F&uuml;hrung eines Motorfahrzeugs liegt ganz klar beim Fahrer selbst. Dieser ist verantwortlich daf&uuml;r, seine Symptome und Krankheiten dem Arzt und gegebenenfalls auch dem Arbeitgeber zu melden, sofern die Fahreignung oder die Arbeitsf&auml;higkeit dadurch beeintr&auml;chtigt wird.<br /> F&uuml;r den Arzt ist es wichtig, bereits bei der <em>ersten Konsultation</em> daran zu denken, dass er nicht nur die Krankheit diagnostizieren und behandeln, sondern auch das Risiko beim Lenken von Motorfahrzeugen absch&auml;tzen muss. Er soll sich im Klaren sein, dass die Fahrf&auml;higkeit oder Fahreigung bei Bewussteinsverlusten inklusive einer abnormen Einschlafneigung und auch bei vielen internistischen und neurologischen Krankheiten aufgrund der geltenden Gesetze prim&auml;r nicht gegeben ist. Arzt und Patient haben somit die Aufgabe, die prim&auml;r fehlende Fahreignung zu widerlegen, n&ouml;tigenfalls nach einer erfolgreichen Fahrrehabilitation (s. u.). Der Arzt sollte sich auch informieren, welche Erfordernisse der Patient am Arbeitsplatz erf&uuml;llen muss, wobei es sich bei der Luftfahrt oder bei Bahnbetrieben lohnt, zus&auml;tzliche Informationen beim medizinischen Dienst der Betriebe einzuholen.<sup>1, 7, 8</sup><br />Weil angenommen werden darf, dass Schl&auml;frigkeit vom Fahrzeuglenker rechtzeitig bemerkt wird, darf sich der behandelnde Arzt bei den meisten Fahrzeuglenkern der Gruppe 1 mit der spezifischen Fahreignungsaufkl&auml;rung (Kasten 1) &uuml;ber die Gefahr des Sekundenschlafes und &uuml;ber die rechtlichen und versicherungstechnischen Konsequenzen bei einem allf&auml;lligen Sekundenschlaf- Unfalls begn&uuml;gen, welche in den Krankenakten abgelegt werden soll. Bei Patienten mit chronischer Schl&auml;frigkeit gilt es zu bedenken, dass sie die Risiken eventuell nicht mehr korrekt einsch&auml;tzen k&ouml;nnen, auch wenn sie ihre Schl&auml;frigkeit bemerken, weil sie die Situation als &laquo;normal&raquo; interpretieren. Die n&ouml;tigen Abkl&auml;rungen sollten z&uuml;gig vorangetrieben werden, damit die Schl&auml;frigkeit innert ca. 3 Monaten wirksam behandelt werden kann.<br /> Bei Fahrzeuglenkern, welche bereits einen Unfall oder Fast-Unfall wegen Sekundenschlafs am Steuer erlitten haben, bei Berufschauffeuren oder bei schwerer Tagesschl&auml;frigkeit (Einschlafen in aktiven Situationen oder Epworth-Score &ge; 14) ist es angezeigt, bis zur erfolgreichen Therapie eine <em>Fahrkarenz</em> auszusprechen, was aber oft gleichzeitig eine Arbeitsunf&auml;higkeit bedeutet.<sup>10</sup> Berufschauffeure und &auml;hnlich exponierte Arbeitnehmer (Piloten, Lokomotivf&uuml;hrer, Kranf&uuml;hrer etc.) sollen aufgefordert werden, ihre aufgehobene Fahrf&auml;higkeit dem Arbeitgeber zu melden.</p> <p><strong>Fahrrehabilitation in Diagnostik und Therapie</strong></p> <p>Tagesschl&auml;frigkeit ist ein h&auml;ufiges Symptom bei vielen Krankheiten, was eine umfassende Diagnostik verlangt, damit schliesslich eine gezielte Therapie m&ouml;glich wird.<sup>11&ndash;14</sup> Der behandelnde Arzt sucht in einem ersten Schritt nach anamnestischen Hinweisen f&uuml;r eine Schlafinsuffizienz oder eine ungen&uuml;gende Schlafhygiene mit variablen Bettgeh- oder Aufstehzeiten, bevor im zweiten Schritt die internistischen, neurologischen oder psychiatrischen Ursachen von Schl&auml;frigkeit inkl. Drogen und Medikamentenkonsum klinisch und laborm&auml;ssig abgekl&auml;rt werden. Zur klinischen Diagnose des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) steht ein gut brauchbarer Algorithmus zur Verf&uuml;gung (Kasten 2), wobei zur definitiven Diagnose eine respiratorische Polygrafie (rPG) oder eine Polysomnografie (PSG) n&ouml;tig ist. Zuletzt m&uuml;ssen im Schlaflabor zur Diagnostik der &laquo;zentralen Hypersomnolenzen&raquo; wie Narkolepsie oder idiopathischer Hypersomnie neben der PSG auch Tagesuntersuchungen wie der multiple Schlaflatenztest (MSLT) und der multiple Wachhaltetest (MWT) hinzugezogen werden.<sup>12, 13</sup> Nicht selten liegen mehrere Ursachen der Schl&auml;frigkeit vor, die im Sinne einer umfassenden <em>Fahrrehabilitation</em> m&ouml;glichst alle (inkl. Schlafmanko) erkannt und behandelt werden sollten, bevor die Fahreignung definitiv beurteilt werden kann.<br /> Die Beurteilung der Fahreignung soll nicht von einer Diagnose wie z. B. einem Schlafapnoesyndrom oder einer Narkolepsie abh&auml;ngig gemacht werden. Nach neusten Erkenntnissen darf auch der Apnoe-Hypopnoe- Index (AHI) nicht als verl&auml;ssliches Mass f&uuml;r die Schl&auml;frigkeit interpretiert werden.<sup>15</sup> Eine entsprechende Meldepflicht bestimmter Diagnosen an die Beh&ouml;rden (&laquo;categorial reporting&raquo;) besteht in der Schweiz nicht.<br /> Entscheidend sind vielmehr das Ausmass der Tagesschl&auml;frigkeit, die F&auml;higkeit, eine Schl&auml;frigkeit wahrzunehmen und vern&uuml;nftig damit umzugehen. Bei iatrogen bedingter Schl&auml;frigkeit durch Verordnung sedierender Medikamente ist es besonders wichtig, den Patienten vor Therapiebeginn auf diese potenzielle Nebenwirkung aufmerksam zu machen, weil bei dieser &auml;rztlichen Handlung eine klare <em>Aufkl&auml;rungspflicht</em> besteht.<br /> Es existieren leider keine einfachen <em>Messparameter</em> zur verl&auml;sslichen Beurteilung des Schweregrades der Schl&auml;frigkeit. Das beste Instrument bleibt die &auml;rztliche Anamnese und die klinische Untersuchung mit einer integrativen Beurteilung aller zur Verf&uuml;gung stehenden Befunde und Zusatzuntersuchungen. Standardisierte Frageb&ouml;gen, wie z. B. die Epworth-Skala, sind lediglich als Screening-Instrumente n&uuml;tzlich, nicht aber zur definitiven Beurteilung der Fahreignung.<sup>10</sup> Epworth-Werte &gt; 10 gelten bereits als Indikatoren f&uuml;r eine Schl&auml;frigkeit, bei Werten &ge; 14, welche nicht therapierbar sind, sollte eine Weiterweisung an ein akkreditiertes Zentrum f&uuml;r Schlafmedizin (AZSM) zur genaueren Abkl&auml;rung der Schl&auml;frigkeit erfolgen.<sup>1</sup> Der AHI korreliert nur bedingt mit dem Ausmass der Tagesschl&auml;frigkeit.<sup>15</sup> Trotzdem sollte man bei AHI-Werten &gt; 30/h, welche nicht therapierbar sind, ebenfalls eine Abkl&auml;rung im AZSM vornehmen und allenfalls mit einem MWT den Schweregrad der Schl&auml;frigkeit objektivieren. AHI-Werte unter 30/h erlauben im Einzelfall keine Aussage bez&uuml;glich der Schwere der Tagesschl&auml;frigkeit und somit auch nicht in Bezug auf die Fahreignung. Eine schlechte Compliance bei der CPAP-Therapie (&laquo;continuous positive airway pressure&raquo;, &lt; 4 h pro Nacht) gilt als Risikofaktor f&uuml;r Verkehrsunf&auml;lle und sollte eine Weiterweisung an ein AZSM nach sich ziehen, weil eine Polysomnografie unter PAP-Therapie oft eine Erkl&auml;rung f&uuml;r die schlechte Vertr&auml;glichkeit liefern kann.<br />Wegen der hohen Pr&auml;valenz des OSAS und seiner Folgekrankheiten sollte eine relevante Tagesschl&auml;frigkeit auch dann nicht &uuml;bersehen werden, wenn der Patient aus anderen Gr&uuml;nden (Adipositas, arterielle Hypertonie, COPD etc.) in die Sprechstunde kommt.</p> <p><strong>Black-out am Steuer und Sekundenschlaf</strong></p> <p>Obwohl der gr&ouml;sste Teil der Unf&auml;lle wegen &laquo;Black-out am Steuer&raquo; ungekl&auml;rt bleibt, soll man die h&auml;ufigsten Ursachen, wie Alkohol, Drogen und Medikamente, epileptische Anf&auml;lle, Synkopen, transiente isch&auml;mische Attacken, Hypoglyk&auml;mie und Sekundenschlaf mit Unterst&uuml;tzung der jeweiligen Spezialisten systematisch abkl&auml;ren. Nebst der Anamnese bez&uuml;glich Vorerkrankungen und einer Fremdanamnese, soll, wenn m&ouml;glich, auch der Unfallhergang anhand des Unfallprotokolls studiert werden. Der Sekundenschlafunfall ereignet sich typischerweise bei monotonen Strassenverh&auml;ltnissen, gutem Wetter und zu Tageszeiten, zu denen die Vigilanz ein relatives Minimum erreicht, wie z. B. in der Nacht zwischen 2 und 4 Uhr, aber auch postprandial am fr&uuml;hen Nachmittag. Laboruntersuchungen bez&uuml;glich sedierender Drogen oder Medikamente und die Alkoholblutbestimmung m&uuml;ssen m&ouml;glichst fr&uuml;h durchgef&uuml;hrt werden und k&ouml;nnen bei einem positiven Resultat eine Verdachtsdiagnose st&uuml;tzen. Ein negatives Resultat erlaubt es aber nicht, eine entsprechende Ursache auszuschliessen. Bei rezidivierenden Bewusstseinsverlusten soll nach M&ouml;glichkeit eine Video-EEG- polygrafische Ableitung &laquo;in flagranti&raquo; erzwungen werden.<br /> Die Beh&ouml;rde ist bei einem polizeilich registrierten Unfall mit m&ouml;glicher medizinischer Ursache verpflichtet, die Fahreignung durch einen Arzt der Stufe 1 oder der Stufe 2 nach VZV oder durch einen Verkehrsmediziner abkl&auml;ren zu lassen, was bei einem Sekundenschlafunfall meist in Zusammenarbeit mit einem AZSM erfolgt.</p> <p><strong>Wahrnehmung der Schl&auml;frigkeit, Verl&auml;sslichkeit und Risikoverhalten</strong></p> <p>Grunds&auml;tzlich geht man davon aus, dass die Schl&auml;frigkeit am Steuer <em>immer</em> wahrgenommen wird, bevor die Fahrleistung relevant beeintr&auml;chtigt ist. Weniger klar ist jedoch, ob die Betroffenen diese Schl&auml;frigkeit korrekt einsch&auml;tzen und auch korrekt danach handeln. Zweifel an der Wahrnehmung oder dem vern&uuml;nftigen Handeln sollten bei Fahrzeuglenkern aufkommen, welche bereits einen Sekundenschlaf am Steuer mit oder ohne Unf&auml;lle oder &laquo;Fast-Unf&auml;lle&raquo; erlitten haben. Wenn Hinweise bestehen, dass der Betroffene seine eigene Schl&auml;frigkeit falsch einsch&auml;tzt, wenn der Patient nicht kooperativ ist oder wenn an der Verl&auml;sslichkeit der Angaben gezweifelt wird, soll die Fremdanamnese eingeholt und gegebenenfalls eine objektive Untersuchung in einem AZSM durchgef&uuml;hrt werden. Ein erh&ouml;htes Risikoverhalten sollte auch bei <em>Komorbidit&auml;ten</em> wie Alkoholoder Medikamentenabusus, ungen&uuml;gender Schlafhygiene mit h&auml;ufigem Schlafmanko oder bei kognitiven Defiziten in Betracht gezogen werden.<br /> Bei Uneinsichtigkeit des Patienten, sich weiter abkl&auml;ren und behandeln zu lassen, oder auf das Lenken eines Fahrzeuges zu verzichten, darf der Arzt von seinem Recht einer Meldung an die Strassenverkehrsbeh&ouml;rde Gebrauch machen. Einem nicht einsichtigen Patienten die Fahreignung abzusprechen, ist f&uuml;r den behandelnden Arzt aber oft eine &auml;usserst unangenehme Aufgabe. Es ist deswegen in solchen Situationen meistens sinnvoller, den Betroffenen zur genaueren Abkl&auml;rung einem AZSM zuzuweisen. Bei der Zuweisung an ein rechtsmedizinisches Institut oder an das Strassenverkehrsamt zur &auml;rztlich begleiteten Fahrprobe sollte man sich stets im Klaren sein, dass dies gleichbedeutend ist mit einer Meldung an die Beh&ouml;rden und dass die Gefahr eines F&uuml;hrerscheinentzugs ohne Rekursm&ouml;glichkeit droht.</p> <p><strong>Periodische Beurteilung der Fahreignung<sup>6</sup></strong></p> <p>Die &Auml;rzte der Stufen 1 und 2 nach VZV, welche die Aufgabe &uuml;bernommen haben, Berufschauffeure sowie alle Fahrzeuglenker &uuml;ber 70 Jahre in periodischen Zeitabst&auml;nden bez&uuml;glich der Fahreignung zu beurteilen, stehen nicht mehr in einem therapeutischen Verh&auml;ltnis zu ihrem Patienten, was mit einer <em>Meldepflicht</em> gegen&uuml;ber den Beh&ouml;rden verbunden ist. Die behandelnden &Auml;rzte sollten solche Fahrzeuglenker schon vor der periodischen Kontrolluntersuchung optimal therapieren, allenfalls in Zusammenarbeit mit einem Facharzt mit F&auml;higkeitsausweis in Schlafmedizin oder mit einem AZSM, damit im Idealfall die Fahreignung bei der periodischen Kontrolle gar nicht in Zweifel gezogen werden muss. Weil nicht alle Patienten mit Schlafapnoe an einer Tagesschl&auml;frigkeit leiden, kann es sich manchmal sogar lohnen, diese Tatsache im MWT vor der Kontrolluntersuchung zu objektivieren.<sup>15</sup> Dieses Vorgehen kann den Patienten unn&ouml;tige und teure Abkl&auml;rungen ersparen. Wenn die Fahreignung trotz optimaler Therapie fraglich bleibt, m&uuml;ssen die &Auml;rzte der Stufen 1 oder 2 Meldung an die Strassenverkehrsbeh&ouml;rde machen, was dann weitergehende kostenpflichtige verkehrsmedizinische Untersuchungen zur Folge haben wird.</p> <p><strong>Kontrollen</strong></p> <p>Patienten mit schlafmedizinischen Erkrankungen und relevanter Tagesschl&auml;frigkeit sollten grunds&auml;tzlich in j&auml;hrlichen Abst&auml;nden bei einem Facharzt mit F&auml;higkeitsausweis in Schlafmedizin kontrolliert werden. Dieses Intervall sollte bei instabiler klinischer Situation, bei unzuverl&auml;ssigen Patienten oder bei multiplen Komorbidit&auml;ten auf 6 Monate verk&uuml;rzt werden. Bei Fahrzeuglenkern der Gruppe 1 kann das Kontrollintervall bei gutem Verlauf auf maximal 3 Jahre verl&auml;ngert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1905_Weblinks_lo_innere_1905_s8_fragebogen_mathis.jpg" alt="" width="1512" height="1317" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mathis J et al.: http://swiss-sleep.ch/wp-content/uploads/ 2017/02/Fahreignung-bei-Tagesschlaefrigkeit-Ver.- 2017.01.01_ de.pdf <strong>2</strong> Mathis J et al.: Fahreignung bei Tagesschl&auml;frigkeit. Empfehlungen f&uuml;r &Auml;rzte und Schlaf- Wach-Zentren bei der Betreuung von Patienten mit Tagesschl&auml;frigkeit. Swiss Medical Forum 2017; 17: 442-7<strong> 3</strong> Mathis J et al.: Excessive daytime sleepiness, crashes and driving capability. Schweizer Archiv f&uuml;r Neurologie und Psychiatrie 2003; 154: 329-38 <strong>4</strong> Laube I et al.: Accidents related to sleepiness: review of medical causes and prevention with special reference to Switzerland. Schweiz Med Wochenschr 1998; 128: 1487-99<strong> 5</strong> Horstmann S et al.: Sleepinessrelated accidents in sleep apnea patients. Sleep 2000; 23: 383-9 <strong>6</strong> Schweizerische Gesellschaft f&uuml;r Rechtsmedizin: Neuerungen durch Via sicura, Schweizerische &Auml;rztezeitung 2015; 96: 1511-14 <strong>7</strong> https://www.bav.admin.ch/bav/ de/home/rechtliches/rechtsgrundlagen-vorschriften/richtlinien/ richtlinien-bahn/medizinische-tauglichkeitsuntersuchungen. html (25.8.2019) <strong>8</strong> https://www.bazl.admin.ch/ bazl/de/home/fachleute/ausbildung-und-lizenzen/flugmedizinischer- dienst.html (25.8.2019) <strong>9</strong> Klemenjak W et al.: Immortal Deliverable A3.2 Final Programme Report Public 2005; 1-106 <strong>10</strong> Bloch et al.: German version of the Epworth Sleepiness Scale. Respiration 1999; 66: 440-447<strong> 11</strong> Mathis J, Schreier D: Tagesschl&auml;frigkeit und Fahrverhalten. Therapeutische Umschau 2014; 71: 679-86 <strong>12</strong> Mathis J: Narkolepsie und andere &laquo;zentrale Hypersomnolenzen&raquo;. Praxis 2018; 107: 1161-7 <strong>13</strong> Mathis J: Narkolepsie, immer schl&auml;frig. Hausarztpraxis 2019; 14: 12-16 <strong>14</strong> McNicholas W et al.: New standards and guidelines for drivers with obstructive sleep apnoea syndrome (2013). http://ec.europa.eu/transport/ road_safety/pdf/behavior/sleep_apnoea.pdf <strong>15</strong> Ye L et al.: The different clinical faces of obstructive sleep apnoea: a cluster analysis. Eur Respir J 2014; 44: 1600-7</p> </div> </p>
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