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Diagnose der arteriellen Hypertonie
DAM
Autor:
PD Dr. Thomas Weber
Kardiologische Abteilung, Klinikum<br> Wels-Grieskirchen<br> Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie<br> E-Mail: thomas.weber3@liwest.at
30
Min. Lesezeit
22.03.2018
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<p class="article-intro">Da der Blutdruck eine starke Schwankungsbreite hat, ist eine Standardisierung bei der Messung erforderlich, bevor die Diagnose „Hypertonie“ gestellt werden kann. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten der Blutdruckmessung, ihre Einsatzbereiche und die derzeitigen Grenzwerte.</p>
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<p class="article-content"><h2>Definition des Standards und Blutdruckmessgeräte</h2> <p>Obwohl bekannt und rezent durch eine große Metaanalyse eindeutig belegt ist, dass die nicht invasive Oberarm-Blutdruckmessung im Vergleich zu invasiven Messungen den systolischen Blutdruck (SBD) deutlich unterschätzt und den diastolischen Blutdruck (DBD) deutlich überschätzt, bleibt die Methode nach Riva- Rocci und Korotkoff mit einem Quecksilber- Sphygmomanometer auf Basis einer großen Menge an Studien aus vielen Jahrzehnten der Goldstandard der Blutdruckmessung in der täglichen Routine. Alle anderen Blutdruckmessmethoden und -geräte werden daran validiert. Der SBD ist dabei definiert als erstmaliges Auftreten, der DBD als Verschwinden der Korotkoff-Geräusche. Aufgrund der Toxizität von Quecksilber sind diese Messgeräte in vielen Ländern nicht mehr verfügbar, als Weiterentwicklung werden meist oszillometrische Blutdruckmessgeräte verwendet, da sich diese gut für automatisierte Messungen eignen. Bei der oszillometrischen Messung wird der mittlere arterielle BD direkt (und üblicherweise sehr präzise) gemessen und aus der Hüllkurve der Blutdruckschwankungen in der Manschette mithilfe firmenspezifischer Algorithmen der SBD und der DBD errechnet. Der erste Schritt zur richtigen Diagnose „Bluthochdruck“ ist somit die Verwendung eines validierten Messgerätes. Listen zu den Geräten findet man unter www.hochdruckliga.at und www.dableducational.org, wobei die ÖGH im Allgemeinen den Oberarm-Blutdruckmessgeräten den Vorzug gibt.</p> <h2>Richtiges Blutdruckmessen in der Arztpraxis (Office- Blutdruckmessung)</h2> <p>Der Blutdruck weist naturgemäß eine starke Schwankungsbreite auf, weshalb eine Standardisierung bei der Messung erforderlich ist. Die wichtigsten Punkte sind in Tabelle 1 zusammengefasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1801_Weblinks_s37_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="1761" /></p> <h2>Weitere Möglichkeiten der Blutdruckmessung</h2> <p>Aufgrund der artifiziellen Messbedingungen bei der klassischen Office-BDMessung und der starken Variabilität des Blutdrucks sind die Diagnose und die Behandlung des Bluthochdrucks nach Meinung der ÖGH, aber auch anderer Fachgesellschaften, mit der alleinigen konventionellen Office-BD-Messung nicht adäquat. Eine neue Form der Office-BDMessung, die unbeobachtete automatische Office-BD-Messung, vermeidet den „white coat effect“. Die „Out-of-office“-BD-Messung vervielfacht die Zahl der Messungen und liefert einigermaßen unter Alltagsbedingungen gemessene Blutdruckwerte, beides ist für eine korrekte Diagnose und richtige Behandlung unerlässlich.<br /><br /><strong> Unbeobachtete automatische Office-Blutdruckmessung</strong> <br />Diese Messmethode wird seit Längerem von Blutdruckexperten in Kanada empfohlen und hat dort auch Einzug in die Guidelines gehalten. Dabei sitzt der Patient mit angelegtem automatischem Blutdruckmessgerät alleine in einem ruhigen Raum. Nach 5 Minuten wird der Blutdruck automatisch dreimal im Abstand von einer Minute gemessen und der Mittelwert ausgegeben. Durch die Verwendung im Rahmen der SPRINTStudie wurde die Methode allgemein bekannt. Sie ergibt – eben durch den Wegfall des Weißkittel-Effektes – meist niedrigere Messwerte als die konventionelle Office-Messung, die gemessenen Werte liegen eher im Bereich der Blutdruck- Selbstmessung oder der Tageswerte der 24-Stunden-BD-Messung.<br /><br /><strong> Ambulantes 24-Stunden- Blutdruckmonitoring (ABDM)</strong><br /> Durch Verwendung automatischer oszillometrischer Messgeräte, die tagsüber alle 15–20 Minuten und nachts alle 30 Minuten den Blutdruck messen, kann in einer einzigen 24-Stunden-Messung eine ausreichend große Anzahl an BD-Messwerten gewonnen werden, um die Diagnose „Bluthochdruck“ mit größtmöglicher Treffsicherheit zu stellen. Einige Fachgesellschaften, u.a. die österreichische und die britische, empfehlen daher grundsätzlich eine 24-Stunden- BD-Messung vor Einleitung einer Therapie. Limitierend sind die mancherorts immer noch mangelnde Verfügbarkeit sowie manchmal eine gewisse Unannehmlichkeit. Ausgewertet werden 24-Stunden-, Tages- und Nacht-Mittelwerte sowie der nächtliche Blutdruckabfall.<br /><br /> <strong>Blutdruckselbstmessung<br /> (Heim-BD-Messung)</strong><br /> Bei Verwendung moderner automatischer BD-Messgeräte (idealerweise mit automatischer Aufzeichnung der Werte) und geschultem Patienten (es gelten grundsätzlich dieselben Regeln zur Standardisierung wie bei der Office-BD-Messung) ist die Selbstmessung eine wertvolle Methode in der Diagnosestellung, mehr noch in der Therapiekontrolle bei Bluthochdruck. In der Einstellungsphase sollte mindestens eine Woche lang morgens und abends je zweimal gemessen werden. Die Messwerte entsprechen im Mittel dem Tagesdurchschnitt der BD-Selbstmessung.<br /><br /><strong> Blutdrucktelemonitoring</strong><br /> Verschiedene Formen der Telemedizin können bei ausgewählten Patienten die optimale Einstellung des Blutdruckes verbessern.</p> <h2>Normalwerte und Grenzwerte</h2> <p>Der Zusammenhang zwischen der Höhe des Blutdrucks und dem kardiovaskulären Risiko ist ab einem SBD von <115mmHg und einem DBD von <75mmHg kontinuierlich, d.h., es lässt sich in epidemiologischen Studien kein echter Schwellenwert erkennen. Jede Festlegung eines Grenzwertes ist daher etwas willkürlich und kann sich bei Vorhandensein neuerer Daten auch ändern, ist aber aus praktischen Gründen durchaus notwendig. Nach Erscheinen der SPRINT-Studie, die zwei verschiedene Zielwerte (<120 versus <140mmHg) des SBD, allerdings mit der unbeobachteten automatischen Office-BD-Messung ermittelt, in einem breiten Patientenkollektiv untersuchte und deutliche Vorteile für den niedrigeren Zielwert zeigte, und nach einigen großen Metaanalysen, die dieses Ergebnis bestätigten, ist eine lebhafte Diskussion über Grenz- und Zielwerte entstanden. Die neuen US Guidelines definieren, auf Basis von Office-BD-Messungen, einen normalen BD als <120/<80mmHg, einen erhöhten BD als 120–129/<80mmHg und Hypertonie als ≥130/≥80mmHg. Die ÖGH-Empfehlungen von 2013 (noch vor den neuen Erkenntnissen veröffentlicht; eine Neuauflage ist in Vorbereitung) bezeichnen <120/<80mmHg als optimalen Blutdruck, 120–129/80–84mmHg als normalen, 130–139/85–89mmHg als hochnormalen Blutdruck und ≥140/≥90mmHg als Hypertonie. Die den Office-BD-Werten entsprechenden Werte der „Out-of-office“- Messung sind in Tabelle 2 dargestellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1801_Weblinks_s37_tab2.jpg" alt="" width="2150" height="423" /></p> <h2>Weitere diagnostische Schritte</h2> <p>Hinsichtlich weiterer erforderlicher diagnostischer Schritte (Basisabklärung, Screening nach asymptomatischen Organschäden, Erhebung des kardiovaskulären Risikoprofils, Nachweis sekundärer Hypertonieformen) verweise ich auf die aktuellen österreichischen Empfehlungen<sup>1</sup>, auf die Website der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie (ÖGH; www.hochdruckliga.at)<sup>2</sup>, auf die Fortbildungskurse der ÖGH<sup>2</sup> sowie auf die europäischen (Journal of Hypertension 2013; 31: 1281–1357) und US-amerikanischen Guidelines.<sup>3, 4</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Watschinger B et al.: Journal für Hypertonie 2013; 17(3): 99-108 <strong>2</strong> Österreichische Gesellschaft für Hypertensiologie: www.hochdruckliga.at <strong>3</strong> Mancia G et al.: Journal of Hypertension 2013; 31(7): 1281-357 <strong>4</strong> Guidelines of the American Society of Hypertension: Hypertension 2018; in press</p>
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