
©
Getty Images
Bei Juckreiz an Herpes zoster denken
DAM
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Immer wieder stellen sich Patienten in der Ordination vor, die unter einem andauernden Juckreiz leiden. Nicht immer sind allergische Reaktionen oder Hautkrankheiten dafür verantwortlich. Sind die Beschwerden mit den üblichen Behandlungsstrategien nicht zu kontrollieren, sollte man auch eine Spätfolge des Herpes zoster in Betracht ziehen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Neben akuten dermatologischen Komplikationen wie Infektionen kann es beim Herpes zoster zu chronischen Folgen kommen, vor allem bei immungeschwächten Patienten.</li> <li>Eine seltene, aber mitunter schwerwiegende Langzeitfolge ist der Post-Zoster-Pruritus, der alleine oder gemeinsam mit einer Neuralgie auftreten kann.</li> <li>Ist er mit mangelndem Schmerzempfinden verbunden, kann der Juckreiz zur Selbstverletzung der Patienten führen.</li> <li>Für die Therapie liegen derzeit keine ausreichenden Studiendaten vor. Auf die üblichen Medikamente gegen Juckreiz spricht Post-Zoster- Juckreiz nicht an.</li> </ul> </div> <p>Im akuten Stadium ist der Herpes zoster anhand des typischen klinischen Bildes leicht zu diagnostizieren: das Zosterexanthem mit gruppenförmiger Anordnung der Bläschen, von dem in der Regel ein Dermatom betroffen ist (Zoster segmentalis). Es werden jedoch auch Überlappungen im Dermatombefall beobachtet.<sup>1</sup> Selten können mehrere Hautsegmente asymmetrisch befallen sein.<sup>2</sup><br /> Auch die Anamnese kann Hinweise auf Herpes zoster geben, denn in der überwiegenden Zahl der Fälle geht den Hautveränderungen ein Prodromalstadium von drei bis fünf Tagen voraus. Während dieser Zeit leiden die Patienten an unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und leichtem Fieber, oft aber auch bereits an Parästhesien und umschriebenen Schmerzen.<sup>3</sup> In unklaren Fällen mit atypischen Verläufen, z.B. beim Zoster sine herpete, kann die Untersuchung mittels Polymerase- Kettenreaktion (PCR) den Nachweis für eine Infektion mit dem Varicella-zoster- Virus (VZV) erbringen.<sup>4</sup></p> <h2>Akute und chronische Hautkomplikationen</h2> <p>Während das akute Zosterexanthem bei den meisten Patienten innerhalb von etwa drei Wochen abheilt, kann es vor allem bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr zum chronischen Verlauf kommen. Dabei bleiben die Hautveränderungen oft über Monate bestehen und gehen mit wiederholter Bläschenbildung einher.<sup>5, 6</sup> Folgen sind Narben (hyper-, hypo- oder depigmentiert), seltener Hautgranulome oder die Manifestation einer Psoriasis vulgaris (Köbner- Phänomen).<sup>1</sup> Bei Patienten mit starken Komplikationen der Haut ist es sinnvoll, einen Dermatologen hinzuzuziehen.</p> <h2>Selten, aber belastend: Post-Zoster- Pruritus</h2> <p>Eine weitere, wenn auch seltene Langzeitauswirkung des Herpes zoster ist der Post-Zoster-Pruritus, der etwa 4 % der Patienten betrifft, wobei die Angaben je nach Quelle bis zu mehr als 50 % reichen.<sup>7, 8</sup> Jeder Juckreiz wird hauptsächlich von nicht myelierten C-Fasern, den Nozizeptoren, vermittelt, die auch für das Schmerzempfinden verantwortlich sind. Daneben sind auch die dünn myelinisierten Aδ-Fasern beteiligt.<sup>9</sup> Die Zellkörper dieser beiden Typen von Nervenfasern sind im peripheren Nervensystem lokalisiert, z.B.im Ganglion trigeminale, in dem die drei Äste des N. trigeminus entspringen. Bei einer Infektion mit dem Varicellazoster- Virus werden die C- wie auch die Aδ-Nervenfasern angegriffen, was Juckreiz und Schmerzen auslösen kann.<sup>7</sup> Deshalb kann der Post-Zoster-Pruritus alleine oder gemeinsam mit der Zosterneuralgie auftreten und wird häufig bei Zosterbefall des Halses und Kopfes beobachtet. Warum es aber bei einigen Patienten zur Neuralgie, bei anderen zum Juckreiz und bei manchen zu einer Kombination aus beidem kommt, ist noch nicht bekannt.<sup>9</sup><br /> Geht der Pruritus mit einer verminderten oder fehlenden Hautsensibilität einher, können die Folgen dramatisch sein: Da sie kein Schmerzempfinden mehr haben, können sich die Betroffenen durch ständiges Kratzen erhebliche Verletzungen zufügen. Hinzu kommt das Risiko für Infektionen in den geschädigten Hautbereichen.<sup>7</sup> Bei Patienten, die sich mit persistierendem Juckreiz und Hautläsionen vorstellen, ist daher Vorsicht geboten, denn die Läsionen sind möglicherweise nicht die Ursache, sondern die Folge des Juckreizes. Die Diagnose des Post-Zoster-Pruritus lässt sich meist anhand der Anamnese (Herpes zoster in der Vorgeschichte) und des klinischen Bildes stellen. Ist keine vorangegangene Zostererkrankung bekannt, sollte man immer auch an einen Zoster sine herpete denken, bei dem die typischen Hautveränderungen fehlen. Hinweise auf eine neurogene Ursache kann eine neuropathologische Untersuchung einer Hautbiopsie liefern.<sup>9</sup></p> <h2>Keine evidenzbasierte Therapie</h2> <p>Die Behandlung des Post- Zoster-Pruritus ist schwierig, denn es liegen weder gute klinische Studien noch für diese Indikation zugelassene Medikamente vor. Da es sich um eine neuropathische Erkrankung handelt, spricht der Juckreiz nicht auf die üblichen Therapien wie Antihistaminika oder entzündungshemmende Medikamente an – was auch diagnostisch genutzt werden kann.<sup>9</sup> Die bei der Zosterneuralgie gut wirksamen Opioide sind für die Therapie des Post-Zoster-Juckreizes ebenfalls nicht hilfreich, denn sie können ihn sogar verstärken. Besser geeignet erscheint der Einsatz von Lokalanästhetika, um die betroffenen Nerven zu blockieren.<sup>9</sup> Eine kleine chinesische Studie zeigte gute Erfolge mit der lokalen Injektion von Thiamin (Vit. B1) und Cobalamin (Vit. B12), die beide wichtig für die Nervenfunktion sind. Die Ergebnisse sind jedoch noch nicht für eine allgemeine Empfehlung ausreichend.<sup>10</sup> Hier besteht großer Forschungsbedarf.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Gross G: Zoster. Dtsch med Wochenschr 1997; 122: 132-9 <strong>2</strong> Gross G et al.: Bilateraler asymmetrischer Zoster im Jugendalter. Hautarzt 2001; 4: 335-8 <strong>3</strong> Gross G et al.: Zoster und Zosterschmerzen. Chemother J 2002; 11: 165-73 <strong>4</strong> Werner RN et al.: European consensus-based ( S2k) guideline on the management of herpes zoster – guided by the European Dermatology Forum (EDF) in cooperation with the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), part 1: diagnosis. JEADV 2017; 31: 9-19 <strong>5</strong> Hoppenjans WB et al.: Prolonged cutaneous herpes zoster in acquired immunodeficiency syndrome. Arch Dermatol 1990; 126: 1048-50 <strong>6</strong> Kost RG, Straus SE: Postherpetic neuralgia pathogenesis, treatment and prevention. N Engl J Med 1996; 335: 23-42 <strong>7</strong> Ruocco V et al.: Beyond zoster: sensory and immune changes in zoster-affected dermatomes: a review. Acta Derm Venereol 2012; 92: 378-82 <strong>8</strong> Oaklander AL et al.: Herpes zoster itch: Preliminary epidemiologic data. J Pain 2003; 4: 338-43 <strong>9</strong> Oaklander AL: Common neuropathic itch syndromes. Acta Derm Venereol 2012; 92: 118-25 <strong>10</strong> Xu G et al.: Thiamine, cobalamin, locally injected alone or combination for herpetic itching: a single-center randomized controlled trial. Clin J Pain 2014; 30: 269-78</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Planetary Health als hausärztliche Aufgabe: Gesundheit im Zeitalter der ökologischen Krise
Hausärzt:innen sind geradezu prädestiniert, um den Gedanken der Planetary Health umzusetzen, denn sie verfügen über das Vertrauen, die Reichweite und die Handlungsspielräume, um ...
Herpesvirusinfektionen – ein Überblick
Herpesviren sind weitverbreitet: Mehr als 100 Typen sind bekannt, wovon allerdings nur acht für Menschen infektiös sind. In einem Vortrag im Rahmen des WebUp Allgemeine Innere Medizin ...
«Die Feinde meines Feindes sind meine Freunde»
Wer hätte gedacht, dass wir Viren als unsere Freunde bezeichnen, aber genau das ist bei den Bakteriophagen der Fall. Selbst die heilende Wirkung des Ganges wird mit Bakteriophagen in ...