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Gesundheit und Medizin

Studie: über 270 Todesfälle durch mangelnde Arzt-Routine

Bern - Eine Studie im Auftrag des Schweizer Krankenversicherers Groupe Mutuel kommt zu einem brisanten Ergebnis: Demnach sind die geltenden Mindestfallzahlen für Operationen in der Schweiz zu niedrig angesetzt. Würden Ärzte über mehr Routine verfügen, könnten in den Spitälern jährlich 270 Todesfälle verhindert werden, wurde in einer Mitteilung bekannt gegeben.

Routine zahle sich bei medizinischen Eingriffen aus, heisst es weiter. Geübte Ärzte sowie ihre Teams würden vor allem bei komplexen Eingriffen bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Die Spitalplanungs-Leistungsgruppen (SPLG) geben unter anderem deshalb auch Mindestfallzahlen für gewisse Operationen vor, die erreicht werden müssen. Diese geltenden Limiten seien aber teilweise deutlich zu niedrig angesetzt, resümiert Daniel Zahnd in seiner Studie, die er im Auftrag der Groupe Mutuel verfasst hat.

Zahnd, der früher unter anderem als Projektleiter beim Bundesamt für Gesundheit tätig war und nun als Berater und Dozent arbeitet, hat die Höhe der Mindestfallzahlen für medizinische Eingriffe hergeleitet, bei denen landesweit eine mindestens durchschnittliche Behandlungsqualität zu erwarten sei.

Bei einer teilweisen Entfernung der Lunge hält die Studie beispielsweise eine Mindestfallzahl von 90 für angemessen (SLPG: 30). Bei einer Prostataentfernung wären es 175 Eingriffe (SLPG: 10) und bei einem Hüftgelenkersatz 303 (SLPG: 50).

Zusammenhang: Arzt-Routine und Sterberisiko

Die Studie hat den Zusammenhang zwischen Arzt-Routine und Sterberisiko der Patienten bei 25 Krankheitsgruppen untersucht. Bei zehn Eingriffen stellte sie einen signifikanten Zusammenhang von Fallzahl und Sterblichkeit fest. Bei diesen zehn Eingriffen könnten sich laut Studie jedes Jahr über 270 Todesfälle verhindern lassen, wenn die hergeleiteten höheren Mindestfallzahlen gelten würden.

Es seien vor allem Regional- und Bezirksspitäler, welche die von der Studie vorgeschlagenen Fallzahlen nicht erreichten, so die Ergebnisse. «Aufgrund der gefundenen Zusammenhänge und des grossen Unterschieds zu den in der Spitalplanung vorgegebenen Mindestfallzahlen wäre es wünschenswert, die strukturellen Reformen im Spitalbereich voranzutreiben», wird Zahnd zitiert.

Dachverband relativiert Ergebnisse

Mindestfallzahlen hätten ihre Berechtigung, aber sie hätten auch ihre Grenzen, hielt H+, Die Spitäler der Schweiz, in Reaktion auf die Studie fest. Der Dachverband kann die erhobene Zahl von 270 vermeidbaren Todesfällen nicht beurteilen. Er begrüsst aber den wissenschaftlichen Beitrag zur Thematik, da die Literatur zu diesem Thema bisher «eher dünn» sei.

Neben den Mindestfallzahlen seien aber auch andere Aspekte relevant, entgegnet der Verband. Dazu zählten etwa das Einhalten von Richtlinien und Standardnormen, die Erfahrung der Behandlungsteams und die Organisationsstrukturen eines Spitals. Mindestfallzahlen sollten daher nicht das einzige Kriterium darstellen. «Die Umsetzung von empirisch ermittelten Schwellenwerten ist nicht in allen Fällen möglich und sinnvoll», so H+ weiter. Denn: «Die Mindestfallzahlen würden nur noch von einer Handvoll Spitälern erreicht und wären mit einer grossen Umwälzung der Patientenströme verbunden.» (sda/red)

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