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Wissenschaft und Pneumologie: neue Studien aus Österreich
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Grazyna Kwapiszewska
Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung, Graz<br> E-Mail: grazyna.kwapiszewska@lvr.lbg.ac.at
30
Min. Lesezeit
05.09.2019
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<p class="article-intro">Für den Zeitraum von Jänner 2018 bis Juni 2019 findet man 654 Treffer für die Begriffe „Lunge und Österreich“ in der PubMed-Domäne. Die Mehrzahl der Arbeiten befasst sich mit den Themen Asthma, pulmonale Hypertonie, rechter Ventrikel, Entzündungen und chronische Lungenerkrankungen. Der Schwerpunkt dieses Artikels wird auf dem Umbau von Lungengefäßen, dem sogenannten Remodeling, liegen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Remodeling, also der Gefäßumbau der kleinen Lungengefäße, unterscheidet sich bei den verschiedenen Formen der pulmonalen Hypertonie.</li> <li>Es scheint einen speziellen vaskulären Phänotyp der COPD zu geben.</li> <li>Die Entzündungslandschaft im Bereich der kleinen Lungengefäße ist bei pulmonaler Hypertonie charakteristisch und weist Züge von Autoimmunität auf.</li> <li>Nichtkodierende RNA sind wichtige Modulatoren des Verhaltens der glatten Muskelzellen der Pulmonalarterien.</li> <li>Die rechtsventrikuläre Fibrose ist mit einer Verschlechterung der Funktion assoziiert, eine antifibrotische Therapie ist jedoch möglicherweise nicht zielführend, um die Funktion zu verbessern.</li> </ul> </div> <p>Was bedeutet Remodeling? Das Remodeling bezeichnet eine Verengung der kleinen Gefäße in der Lunge, die zu einem erhöhten Gefäßwiderstand und damit zu einem Druckanstieg in den Pulmonalarterien führen kann. Das Remodeling kann primär die kleinen Pulmonalvenen betreffen, etwa bei einer chronischen Linksherzinsuffizienz, oder aber die kleinen Pulmonalarterien, wie etwa bei einer pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH). Ein Druckanstieg in den Pulmonalarterien definiert eine pulmonale Hypertonie (PH). Die pulmonale Hypertonie kann zur Verdickung der Wände der rechten Herzkammer, zur Erweiterung der rechten Herzhöhlen und letztendlich zum Rechtsherzversagen führen. Die Ursachen der pulmonalen Hypertonie sind vielfältig. Selbst bei der seltenen Form der PAH unterscheidet man zwischen Patienten mit einem unbekannten Auslöser (idiopathische PAH) und solchen mit einer erblichen Form (hereditäre PAH). Sehr viel häufiger ist allerdings die pulmonale Hypertonie in der Folge von Lungenerkrankungen wie Lungenfibrose oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Bei Patienten mit PH in Folge von Lungenerkrankungen ist die Prognose schlechter als bei Patienten mit idiopathischer PAH.</p> <h2>Gibt es einen „vaskulären Phänotyp“?</h2> <p>Im Fachjournal AJRCCM stellte unsere Gruppe mit internationalen Kollegen die Frage, ob es bei Patienten mit COPD einen „vaskulären Phänotyp“ gibt. Durch Literaturrecherchen hatten wir herausgefunden, dass die Lungenzirkulation bei Patienten mit COPD häufig abnormal ist und dass diese Patienten häufig eine leichte Erhöhung des Lungenarteriendrucks (PAP) aufweisen. Jedoch gab es auch eine Untergruppe von Patienten mit schwerer PH. Diese hatten meistens nur geringe Lungenfunktionseinschränkungen und dennoch eine besonders schlechte Prognose. Es wird vorgeschlagen, solch eine Konstellation als einen „vaskulären Phänotyp“ zu bezeichnen (Abb. 1). Die Autoren vermuten, dass bei dieser Patientengruppe eine für PAH zugelassene Therapie von Nutzen sein könnte. Prospektive Studien sind jedoch erforderlich, um die Wirkungen einer solchen Therapie zu beurteilen.<sup>1</sup> In der Tat haben vorhergehende Studien gezeigt, dass COPD- und Lungenfibrose-Patienten im Endstadium fast immer ein schweres Remodeling der Pulmonalarterien aufweisen, was die Vermutung nahelegt, dass PHTherapien eine große Bedeutung haben könnten. Eine detaillierte Analyse des Gefäßumbaus ergab, dass dabei alle drei Schichten der Blutgefäßwand beteiligt waren. Die innerste Schicht, die Neointima, war am stärksten betroffen, gefolgt von der mittleren Schicht, der Media, und am wenigsten betroffen war die Adventitia. Kumulativ führten diese Veränderungen zu einer erheblichen Verengung der Gefäße.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1904_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="1185" height="412" /></p> <h2>Aktin-positive Glattmuskelzellen beteiligt an Gefäßumbau</h2> <p>Bei der Suche nach den zellulären Komponenten wurde festgestellt, dass glatte, Aktin-positive Muskelzellen hauptverantwortlich für den Umbau der pulmonalen Gefäße sind. In dieser Studie wurden umfangreiche Immunfluoreszenzfärbungen und Studien an transgenen Tieren („lineage tracing“) durchgeführt und es wurde damit gezeigt, dass Aktin-positive Glattmuskelzellen in den umgestalteten Gefäßen der Lungenarterien sowohl des Menschen als auch des Tiermodells überrepräsentiert sind.<sup>3</sup> Interessanterweise bedeckten Endothelzellen immer die innere Schicht der Gefäße, Fibroblasten fanden sich um die umgebauten Gefäße herum.3 Neben den ortsansässigen Zellen spielen auch eingewanderte Entzündungszellen eine wichtige Rolle beim Gefäßumbau. Wir haben in einem offenen experimentellen Ansatz die entzündlichen Komponenten bei der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertonie (IPAH) anhand von durchflusszytometrischen Untersuchungen dargestellt. Es konnte gezeigt werden, dass es bei IPAH zu einer Verschiebung des Entzündungsprofils mit einem Anstieg der Mastzellen, einer Vermehrung der T-Zellen sowie der dendritischen Zellen kommt. Mehrere neue, bis heute nicht funktionell charakterisierte Zellen wurden entdeckt, die bei IPAH dysreguliert sind, wie beispielsweise plasmazytoide dendritische Zellen. Andere Gruppen haben berichtet, dass die IPAH Kennzeichen von Autoimmunität besitzt, die bereits von einer Vielzahl von anderen Autoimmunerkrankungen bekannt sind. Plasmazytoide Zellen spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Autoimmunität und befinden sich am Scheideweg zwischen angeborener und adaptiver Immunität. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass das globale Profil (die spezifische Zusammensetzung, Verteilung und Wechselwirkung) und nicht nur die erhöhte Häufigkeit eines bestimmten Zelltyps für das Fortschreiten der Krankheit wichtig sind.<sup>4</sup></p> <h2>lncRNA wichtiger Regulator für PASMC</h2> <p>Bei der Suche nach Genen, die beim vaskulären Remodeling fehlreguliert sind, haben wir systematisch eine Laser-Capture- Mikrodissektion kleiner Lungenarterien gefolgt von einer Transkriptomanalyse durchgeführt. Es fanden sich viele Gene, durch die sich kranke von gesunden Pulmonalarterien unterscheiden. Besonders interessant war jedoch, dass nicht nur kodierende, sondern auch nichtkodierende Transkripte gesunde von abnormalen Zuständen unterschieden. Warum sind nichtkodierende Transkripte („long non-coding RNA“, lncRNA) fundamentale Regulatoren für Transkription, Translation, Proteinstabilisierung und viele andere Prozesse? Sie können sowohl fördernd als auch hemmend wirken, was die Untersuchung ihrer Funktion nicht einfach macht. Kürzlich wurde die lncRNA PAXIP1-AS als ein wichtiger Regulator der PASMC(„pulmonary artery smooth muscle cells“)-Proliferation und Migration beschrieben. PAXIP-AS1 kontrolliert die Funktion der glatten Muskelzellen der Pulmonalarterien durch Beeinflussung des Zytoskelettproteins Paxillin. Paxillin ist an der Anlagerung von Aktin an die Zellmembran an den Stellen der Zelladhäsion an die extrazelluläre Matrix beteiligt und spielt daher eine wichtige Rolle im zellulären Verhalten.<sup>5</sup> Das bedeutet, dass lncRNA die Funktion von Zellen in der Gefäßwand regulieren können.</p> <h2>Fibrose des rechten Ventrikels bei PAH-Patienten</h2> <p>Obwohl die PAH eine Erkrankung der kleinen Lungengefäße ist, sterben die Patienten letztendlich am rechtsventrikulären Herzversagen. Zuvor entwickelt sich eine Fibrose und ein Umbau des rechten Ventrikels (RV) geht vonstatten. Die RVFibrose äußert sich in einer Ansammlung von Fibroblasten und einer übermäßigen Kollagenablagerung. Obwohl die Ablagerung von extrazellulärer Matrix (ECM) zu einer erhöhten ventrikulären Steifheit führt, ist nicht bekannt, inwieweit das die RV-Funktion beeinflusst. Bei PAH-Patienten wurde die RV-Fibrose mit einer diastolischen Dysfunktion in Verbindung gebracht. Unsere Gruppe hat dargestellt, dass die Zusammenhänge überaus komplex sind. Im Übersichtsartikel von Egemnazarov et al. wurden Informationen aus der aktuellen Literatur gesammelt und es wurde versucht, alle Fakten über die Fibrose und Dysfunktion des rechten Ventrikels und die tatsächlichen Konzepte und häufigen Missverständnisse darzustellen.<sup>6</sup> Es stellte sich heraus, dass viele basale Fragen ungeklärt sind. Beispielsweise kann es passieren, dass eine Maßnahme gegen die Fibrose zwar die Fibrose, aber nicht die Funktion des rechten Ventrikels verbessert.<sup>7</sup> Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um die funktionellen Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen zu klären, bevor Erfolg versprechende medikamentöse Ansätze in klinische Studien kommen.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Kovacs G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: 1000-11 <strong>2</strong> Hoffmann J et al.: Am J Respir Crit Care Med 2014; 190: 98-111 <strong>3</strong> Crnkovic S et al.: J Pathol 2018; 244: 485-98 <strong>4</strong> Marsh LM et al.: Eur Respir J 2018; 51: pii: 1701214 <strong>5</strong> Jandl K et al.: J Pathol 2019; 247: 357-70 <strong>6</strong> Egemnazarov B et al.: Matrix Biol 2018; 68-69: 507-21 <strong>7</strong> Crnkovic S et al.: Am J Respir Crit Care Med 2019; 199: 1550-60</p>
</div>
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