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Von Lepra bis Leishmaniose
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Amanda Catizane de Oliveira
Spital Eduardo de Menezes<br> Belo Horizonte, Brasilien<br> Gastärztin Dermatologie,<br> Universitätsspital Basel Mai bis Juni 2019<br> Tel.: +553199181489-62<br> E-Mail: amanda_oliveira@hotmail.com
30
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29.08.2019
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<p class="article-intro">Brasilien ist das fünftgrösste Land der Welt – ungefähr zweihundertmal grösser als die Schweiz, mit mehr als fünfundzwanzigmal so vielen Einwohnern. Die dort ansässigen Dermatologen sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, welche in der Schweiz meist nur als Reisedermatosen bekannt sind. Der nachfolgende Artikel liefert einen Überblick über spannende Hautkrankheiten aus den Tropen.</p>
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<p class="article-content"><h2>Vorsicht bei Katzenbissen: Sporotrichose</h2> <p>Die subakut-chronische Mykose Sporotrichose wird durch den Erreger Sporotrix schenckii verursacht, welcher durch den Kontakt mit Pflanzen, Holz oder auch Tieren übertragen werden kann. Kleine Wunden sind bereits ausreichend für eine Inokulation. Es besteht die Möglichkeit, dass die Übertragung auf den Menschen durch den Biss einer infizierten Katze stattfindet. In 70 % aller Sporotrichose-Fälle handelt es sich um die lymphokutane Form, bei welcher eine entzündliche Papel, eine Papulopustel, ein Ulkus oder ein subkutaner Knoten mit Ulzeration als Primärherd entstehen. Dieser kann innerhalb von Monaten narbig abheilen oder sich entlang drainierender Lymphgefässe nach proximal ausbreiten (sog. sporotrichoide Verteilung). <br />Weniger häufig sind fixiert kutane (25 %) oder disseminiert kutane/extrakutane Formen (5 %). Besonders interessant sind dabei die disseminiert kutanen Sporotrichosen, da sie häufig mit Immunsuppression im Zuge des akquirierten Immun- Defizienz-Syndroms (Aids) in Verbindung stehen. Bei diesen können am gesamten Körper zahlreiche entzündliche, subkutan gelegene Knoten auftreten, welche zentral einschmelzen und fisteln oder chronische Ulzera bilden (Abb. 1). <br />Die Diagnose erfolgt üblicherweise mittels Formen positiver Hefenkultur und Histologie. Als Therapeutikum erster Wahl wird das systemisch wirkende Antimykotikum Itraconazol (200 mg/Tag für 3–4 Monate) oder bei schweren Formen das liposomale Amphotericin (3 mg/kg, max. 14 Tage) verwendet. In Brasilien erfolgt die Erstlinientherapie der lymphokutanen Sporotrichose aus Kostengründen mit dem in der Schweiz schon als altmodisch geltenden Kaliumjodid (4–6 g/Tag). Wichtig ist, die systemische Therapie 4–6 Wochen nach klinischer Abheilung fortzusetzen.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s24_abb1_oliveira.jpg" alt="" width="1456" height="1127" /></p> <p> </p> <h2>Subklinische Pneumonie bei Parakokzidioidomykose</h2> <p>Eine andere Mykose, die hauptsächlich in Mittel- und Südamerika auftritt, ist die Parakokzidioidomykose, welche durch den dimorphen Fungus Paracoccidioides brasiliensis verursacht wird, dessen genaues Reservoir noch unbekannt ist. Als Eintrittspforte des Erregers dient jedenfalls die Lunge; häufig entsteht eine subklinisch verlaufende Pneumonie. Charakteristisch sind Läsionen der Gesichtshaut, die sich als periorale Knoten manifestieren, welche ulzerieren können. Ebenso können Nase und Lippen betroffen sein (Abb. 2).<br /> Zum Nachweis des Erregers mittels Lichtmikroskopie und Kultur dient Untersuchungsmaterial aus Lymphknoten, Sputum und Wundsekret. Die Erstlinienbehandlung erfolgt wie bei der Sporotrichose mit Itraconazol (200 mg/Tag), allerdings für 12–24 Monate, je nachdem, wie schnell Besserung eintritt. Amphotericin B (2–3 mg/kg, max. 14 Tage) in Kombination mit Itraconazol ist bei schweren Verläufen indiziert.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s25_abb2_oliveira.jpg" alt="" width="1455" height="1036" /></p> <p> </p> <h2>Leishmaniose: Sandfliegen als Vektor</h2> <p>Nicht durch Pilze, sondern intrazelluläre protozoische Parasiten der Gattung Leishmania verursacht wird die Leishmaniose. Als Hauptwirt dienen dabei Waldtiere, wie z. B. Faultiere und Ratten. Die Übertragung erfolgt durch Phlebotomin- Sandfliegen der Gattung Lutzomyia. Für das Gros der kutanen Leishmaniosen ist der Erreger <em>Leishmania braziliensis</em> verantwortlich. Bei jenen findet sich initial eine erythematöse Papel an der Einstichstelle, die im Verlauf der folgenden Wochen oder Monate langsam zu einer schmerzlosen Ulzeration mit livid-rotem Randsaum heranwächst. Eventuell geht mit ihr eine Lymphadenopathie einher. <br />Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch den Nachweis von Erregern mittels Leishmanin-Intrakutan-Test (Montenegro- Test), Direktpräparaten, Kultur oder PCR bestätigt. Als topische Therapie erfolgen Injektionen von Megluminantimoniat alle 15 Tage um und unter die Hautläsionen. Möglich ist auch die Applikation von flüssigem Stickstoff (Kryotherapie), welche sich besonders bei verrukösen Läsionen bewährt hat (Abb. 3). Diese treten oft in der Schwangerschaft auf und können sich teilweise nach der Geburt zurückbilden. Als systemische Therapie ist intravenös appliziertes Megluminantimoniat (20 mg/ kg/Tag, 20 Tage) die erste Wahl. Liposomales Amphotericin B wird bei schweren Formen verwendet. <br />Eine weniger häufig vorkommende Form ist die disseminierte kutane Leishmaniose. Bei dieser treten 2–6 Wochen nach dem Erscheinen erster Ulzerationen mindestens 10 nicht gruppierte Hautläsionen (erodierte und verkrustete Papeln, Knoten und Ulzerationen) und systemische Symptome auf. Bei über 40 % der Patienten sind zudem die Mukosen beteiligt, vor allem die der Nase. Die disseminierte Leishmaniose wird meist systemisch behandelt, ebenso mit intravenöser Injektion von Megluminantimoniat (20 mg/kg/Tag), allerdings für 30 Tage. Bei Patienten über 50 Jahre oder Patienten mit Nieren-, Herz- und Leberfunktionsstörungen wird auf liposomales Amphotericin B in einer kumulativen Gesamtdosis von 35–40 mg/kg für 7–14 Tage zurückgegriffen.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s25_abb3_oliveira.jpg" alt="" width="1455" height="1037" /></p> <p> </p> <h2>Multidrug-Therapie bei Lepra</h2> <p>Die früher als «Aussatz» bekannte Krankheit Lepra tritt in Brasilien mit der weltweit zweithöchsten Prävalenz auf. Diese chronische Infektionskrankheit wird vor allem durch das Mycobacterium leprae verursacht, welches hauptsächlich durch Schmier- und Tröpfcheninfektion übertragen wird. Beengte Wohnverhältnisse fördern die Verbreitung, ansonsten erfordert eine Ansteckung engen Kontakt oder ein geschwächtes Immunsystem. Die Klassifikation nach Ridley und Jopling unterscheidet nach immunlogischen, klinischen und histologischen Kriterien zwischen fünf Subtypen, die gängigen WHO-Richtlinien hingegen rein nach Bakterienlast (erregerarm vs. erregerreich). In allen Fällen erfolgt die Basisdiagnostik durch den mikroskopischen Nachweis grampositiver, säurefester Stäbchen, wobei der Bakterienindex zur Quantifizierung der Dichte pro Gesichtsfeld dient (Index 0–6). Die instabilste Variante der Lepra, die sich je nach Immunstatus entwickelt, ist die dimorphe Borderline-Lepra mit asymmetrisch verteilten, hypo- oder hyperpigmentierten oder erythematösen Veränderungen der Haut. Typisch sind anuläre Herde mit zentraler Abheilung (Abb. 4). Die Borderline-Lepra zählt mit der lepromatösen Lepra zu den erregerreichen Formen. Bei der lepromatösen Lepra, der schwersten Krankheitsform, findet eine ungebremste Ausbreitung der Bakterien auf den ganzen Körper statt. Die Hauterscheinungen sind symmetrisch ausgebildet und bestehen aus Maculae, erythematösen oder hyperpigmentierten Infiltraten. Typisch sind Infiltrationen der Gesichtshaut, was zum sogenannten Löwengesicht (Facies leonina) führt. <br />Die Vergrösserung der Ohrläppchen gilt beinahe als pathognomonisch. Als Frühsymptom findet man den charakteristischen Haarausfall der lateralen Augenbrauen (Madarose). <br />Die Therapie erregerreicher Lepra-Typen erfolgt in Form einer 12-monatigen Multidrug- Therapie aus Rifampicin (600 mg, 1 x monatlich unter Supervision), Clofazimin (300 mg 1 x monatlich unter Supervision; 50 mg 1 x täglich ohne Supervision) und Dapson (100 mg 1 x monatlich unter Supervision; 100 mg 1 x täglich ohne Aufsicht). Bei erregerarmen Typen ist eine 6-monatige Therapie aus Rifampicin (600 mg, 1 x monatlich unter Supervision) und Dapson (100 mg 1 x monatlich unter Supervision; 100 mg 1 x täglich) ausreichend.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s26_abb4_oliveira.jpg" alt="" width="1456" height="1127" /></p> <p> </p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Das warm-feuchte Tropenklima sowie ärmliche Lebensverhältnisse am Land und der daraus resultierende schwierige Zugang zu medizinischer Versorgung begünstigen das Auftreten bestimmter Dermatosen in Brasilien. Die meisten dieser Erkrankungen sind bei rechtzeitiger Diagnose allerdings adäquat therapierbar. In der Schweiz treten sie nur sporadisch als Reisedermatosen auf.</p> </div></p>
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