
Verbesserung der Kontinenz bei höherer Belastung durch Implantation einer Stressmanschette bei Patienten mit einem artifiziellen Sphinkter
Die Behandlung von persistierender bzw. neu aufgetretener Inkontinenz nach Implantation eines artifiziellen Sphinkters (AUS) stellt eine Herausforderung dar. Besteht trotz guter Basiskontinenz Harnverlust unter abdomineller Drucksteigerung, stellt die Implantation eines Stress- reservoirs eine minimal invasive Option dar.
Keypoints
- Einige Patienten berichten nach AUS-Implantation über Urinverlust bei abdomineller Drucksteigerung.
- In diesen Fällen stellt die Implantation einer Stressmanschette zur kurzfristigen Erhöhung des urethralen Drucks eine minimal invasive Option dar.
Einleitung Belastungsinkontinenz ist eine Störung der physiologischen Schließmuskelfunktion.1 Die Hauptursache ist eine Läsion am Harnröhrensphinkter, welche am häufigsten nach Eingriffen an der Prostata auftritt (Postprostatektomie-Inkontinenz, PPI).2, 3 PPI tritt je nach Definition, Zeitpunkt der Datenerhebung und Patientencharakteristika mit einer Prävalenz zwischen 5 % und 57 % auf.4
Nach Versagen postoperativer konservativer Behandlungsmaßnahmen wie Beckenbodentraining kommen operative Maßnahmen zum Einsatz. Der artifizielle Sphinkter („Artificial Urinary Sphincter“, AUS; AMS 800®) ist das Standardverfahren für die Behandlung der höhergradigen Belastungsinkontinenz und hat mit Kontinenzraten von über 90 % sehr gute Langzeitergebnisse.5, 6 Jedoch besteht bei einigen Patienten trotz einer guten Basiskontinenz Urinverlust bei abdomineller Drucksteigerung (z.B. bei körperlicher Belastung, Lachen, Husten etc.).
Material und Methoden
Es wurde eine monozentrische retrospektive Datenauswertung bezüglich Kontinenzsituation und Patientenzufriedenheit durchgeführt. Zwischen 1/2008 und 12/2017 sind in unserem Zentrum 211 AUS implantiert worden. Bei 11 Patienten (5,2 % ) mit einem Harnverlust bei intraabdomineller Drucksteigerung wurde die Indikation für ein „Stress-Relief Cuff“ (SRC) gestellt. Bei dieser Gruppe haben wir nach dem Prinzip des zusätzlichen Stressreservoirs – wie erstmalig im Jahr 2007 von Michael Craggs vorgestellt bzw. wie vom neuen adjustierbaren artifiziellen Sphinkter VICTO Plus7 bekannt – zusätzlich zu der Druckmanschette und dem Ballon in einer zweiten Sitzung eine Stressmanschette (SRC) in der Cavitas abdominalis angebracht und mit dem System verbunden. Bei höherer Belastung wird der auf das SRC wirkende Druck spontan und gleichmäßig auf die Druckmanschette um die Harnröhre übertragen (Abb. 1). Das SRC hat keine Verbindung zum Reservoir (Ballon), somit wird der Systemdruck nicht verändert. Die Stressmanschette ermöglicht eine kurzzeitige Druckerhöhung der Urethra-Manschette und sichert die Kontinenz bei höheren abdominellen Druckverhältnissen.
Das Durchschnittsalter lag bei 70,5 Jahren (±9,2) und die Implantation erfolgte durchschnittlich 18,5 Monate nach dem AUS (Range 3,8–46,2 Monate). Das mittlere Follow-up lag bei 20 Monaten. Tabelle 1 zeigt die Patientencharakteristika.
Operationsverfahren
Die Implantation erfolgt durch eine einzelne Inzision im Unterbauch, auf der ipsilateralen Seite zum liegenden AMS-Druckballon („pressure regulating balloon“, PRB). Nach der Spaltung der Subcutis werden die AMS-Schläuche aufgesucht und freipräpariert. Es werden beide Winkelverbindungen der zur Pumpe und Urethra-Manschette führenden Schläuche dargestellt (Abb. 2a).
Als SRC wird eine 3,5cm Manschette gewählt und mit einer Flüssigkeitslösung (Aqua destillata + Kontrastmittel) gefüllt. In den ersten 6 Fällen haben wird die Manschette mit 2ml gefüllt, bei den restlichen (n=5) sind 4ml eingefüllt worden. Die Stressmanschette wird extraperitoneal platziert und die Faszie mit einer fortlaufenden Naht verschlossen. Das SRC wird schließlich mit einem Y-Winkelverbinder zwischen Pumpe und Harnröhrenmanschette angeschlossen (Abb. 2b). Das AMS-800-System kann bereits am ersten postoperativen Tag wieder aktiviert und benützt werden.
Ergebnisse
Es konnten keine intra- oder postoperativen Komplikationen nach Clavien- Dindo verzeichnet werden und kein SRC musste ausgebaut werden. Die Eingriffsdauer betrug durchschnittlich 38,2 Minuten und der Krankenhausaufenthalt war durchschnittlich 1,3 Tage. Der p/d reduzierte sich von 3,2 (±1,3) auf 2 (±1,4) (p=0,001). Bei 2 Patienten mit multiplen vorangegangenen Eingriffen war der p/d im Vergleich gleichbleibend, jedoch konnte eine Besserung bei höherer Belastung, z.B. Husten, verzeichnet werden. Die Kontinenz wurde von 7 Patienten (63,6 % ) als „gut“ bzw. „zufriedenstellend“ bezeichnet, die Zufriedenheitsrate lag bei 81,8 % (n=9). 8 Patienten (72,7 % ) würden sich dem Eingriff erneut unterziehen und 9 würden ihn anderen empfehlen (Tab. 2).
Fazit
Persistierende bzw. neu aufgetretene Inkontinenz nach AUS-Implantation hat unterschiedliche Ursachen und ist belastend für die Patienten und herausfordernd für den behandelnden Urologen. Bei Patienten mit einem Harnverlust bei abdomineller Drucksteigerung kann die Implantation eines Stressreservoirs eine minimal invasive Methode zur Verbesserung der Kontinenzsituation darstellen. So kann die Kontinenz in Stresssituationen wie z.B. beim Lachen, Husten oder bei körperlicher Anstrengung gesichert werden, ohne das Risiko eines dauerhaft erhöhten Systemdrucks oder einer engen Manschette in Kauf nehmen zu müssen. Die Implantation einer Stressmanschette bedarf einer genauen Indikationsstellung und ist für eine ausgewählte Patientengruppe zu empfehlen.Das könnte Sie auch interessieren:
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