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Berufskrankheit chronisches Handekzem

Schulung ist das Licht am Horizont

<p class="article-intro">Berufsdermatosen wie das chronische Handekzem werden oft mit Schlagwörtern wie „mühsam“, „langwierig“ oder „therapieresistent“ assoziiert. Mit der vor einem Jahr gestarteten Awarenesskampagne ist von der Universitätsklinik für Dermatologie, Graz, allen voran von Prof. Dr. Werner Aberer, gemeinsam mit der AUVA ein kreatives Projekt initialisiert worden, das bereits erste Erfolge zeigt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Warum interessiert das Thema Berufsdermatosen abgesehen von Betroffenen so wenige Menschen, unabh&auml;ngig davon, ob es sich um &Auml;rzte, Gesundheitspolitiker, Krankenkassen oder Tr&auml;ger von Krankenh&auml;usern handelt?<br /> W. Aberer:</strong></em> Berufsdermatosen standen in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade im Brennpunkt der &auml;rztlichen Aufmerksamkeit. Meistens sind es &bdquo;nur&ldquo; Ekzeme, die jedoch den Betroffenen massiv qu&auml;len, vor allem, wenn sie an der Hand, unserem unverzichtbaren Arbeitsorgan, auftreten. Die &auml;rztliche Haltung k&ouml;nnte man, mit einem gewissen Zynismus betrachtet, so umschreiben: &bdquo;Was ist schon ein Ekzem? Unansehnlich, rot, schuppend, es juckt zwar den Betroffenen, aber prinzipiell ist es uninteressant. Es ist keine Hauterkrankung, die uns interessiert, weder vom Pathomechanismus noch von der Therapie her.&ldquo; Ekzeme wurden in der Vergangenheit meist mit Steroidsalben behandelt, wenn sie sich &uuml;berhaupt behandeln lie&szlig;en, und wenn dies nicht der Fall war, wurde der Patient entweder von seinem Arbeitsplatz entfernt, umgeschult oder in die Invalidit&auml;tspension geschickt.</p> <p><br /> <em><strong>Welche Risikofaktoren beg&uuml;nstigen das chronische Handekzem?<br /> W. Aberer:</strong></em> Personen mit Nassberufen sind besonders pr&auml;disponiert, ein chronisches Handekzem zu entwickeln. Risikofaktoren sind grunds&auml;tzlich der Kontakt mit Chemikalien, die teilweise auch potente Allergene sind, und die oft notwendige lange Verwendung von Schutzhandschuhen, die ein ung&uuml;nstiges Mikroklima verursacht. Daneben gibt es individuelle Belastungsfaktoren wie eine zugrunde liegende Atopiedisposition und schlie&szlig;lich sind es auch mechanische und andere physikalische Einfl&uuml;sse, die bei Kontakt mit gef&auml;hrdenden Stoffen die Schutzmechanismen der Haut &uuml;berfordern k&ouml;nnen.</p> <p><br /> <em><strong>Warum ist die Pr&auml;vention so wichtig und warum ist sie in der Praxis so schwierig umzusetzen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Pr&auml;vention, also die Haut gesund zu erhalten, ist deswegen besonders wichtig, weil eine St&ouml;rung der Hautbarriere durch das Ekzem das Eindringen von gef&auml;hrlichen Substanzen in die Haut erm&ouml;glicht, was weitere Irritation und auch die Allergieentstehung beg&uuml;nstigt. Ist die Haut einmal gesch&auml;digt und besteht das Ekzem, so ist jeder weitere noch so harmlose Kontakt, bis hin zu jenem mit klarem Wasser, ekzemverst&auml;rkend wirksam. Deshalb ist es besonders wichtig, die Haut durchgehend gesund zu erhalten. Eingetretene Sensibilisierungen, also Allergien, sind nicht mehr umkehrbar und stellen damit einen lebensl&auml;nglich permanenten Belastungsfaktor dar, dem oft bei Fortf&uuml;hren des Berufs nicht konsequent genug entgegengewirkt werden kann. Warum der Pr&auml;ventionsgedanke so schwierig umzusetzen ist? Weil es mit einem gewissen Aufwand, einem Umdenken verbunden ist. Und solange es keine Probleme gibt, wird dieser Aufwand nur als Belastung empfunden.</p> <p><br /> <em><strong>L&ouml;blicherweise hat die AUVA mit Dermatologen und Apotheken 2016 eine Awarenesskampagne gestartet. Gibt es erste Erfolge? <br /> W. Aberer:</strong></em> Die Awarenesskampagne hat das getan, was sie tun sollte: Sie hat aufgeweckt! Die prophylaktischen Ma&szlig;nahmen setzen sich langsam durch. Besuche in den Berufsschulen, wo in den Risikoberufen ausgebildet wird und wo den noch nicht Erkrankten gezeigt wird, wie man sich sch&uuml;tzen und sicher arbeiten kann, beginnen zu greifen. Die Zahl der Neuerkrankten ist seither gesunken und die bereits Erkrankten konnten feststellen, dass sich jemand um sie k&uuml;mmert und sich ihres Problems wirklich annimmt. Und damit wurde manches losgetreten: Betroffene suchen kompetente Hilfe und finden durch die Kampagne fachkundige Ansprechpartner.<br /> Das neue Pr&auml;ventionsmodell kommt bereits in Tobelbad und Bad H&auml;ring zum Einsatz.</p> <p><em><strong>A) Welche Berufsgruppen profitieren am meisten davon? <br /> W. Aberer:</strong></em> Zurzeit sind es die Berufsgruppen, die auch am h&auml;ufigsten betroffen sind &ndash; alle Risikoberufe, die pauschal als Nassberufe eingestuft werden k&ouml;nnen. Es sind dies Friseure und Kosmetiker, Personen im Hotel- und Gastst&auml;ttengewerbe, insbesondere K&ouml;che, aber auch Personen aus der Metallbranche, dem Baugewerbe und den Gesundheitsberufen, die jetzt aktiv Hilfe suchen. Dar&uuml;ber hinaus sind auch Personen aus Abfall- und Reinigungsberufen u.v.a. betroffen und k&ouml;nnen durchaus profitieren.</p> <p><em><strong>B) Wie wird das Pr&auml;ventionsmodell angenommen? <br /> W. Aberer:</strong></em> Sehr gut, vor allem was die ambulante Beratung und die Versorgung mit auf den einzelnen Betroffenen und seinen spezifischen Arbeitsplatz abgestimmten Schutzma&szlig;nahmen betrifft. Das fachliche Gespr&auml;ch, die Hilfsmittel werden meist dankbar angenommen. Die Spitze des Eisberges, die schwerer Erkrankten, die einer station&auml;ren Betreuung bed&uuml;rfen, werden umfassend geschult und k&ouml;nnen &ndash; wie die bisherigen Erfahrungen zeigen &ndash; in den allermeisten F&auml;llen in ihren Berufen verbleiben, ausgestattet mit den entsprechenden organisatorischen und technischen Schutzma&szlig;nahmen sowie dem Verst&auml;ndnis daf&uuml;r.</p> <p><em><strong>C) Welche und wie viele &Auml;rzte sind damit befasst? <br /> W. Aberer:</strong></em> Es sind insbesondere Dermatologen und Arbeitsmediziner, welche die ambulante Betreuung konsequent umsetzen, und es sind dieselben Berufsgruppen, die derzeit in Tobelbad die station&auml;re Betreuung und Schulung &uuml;bernommen haben. Wobei wir dankenswerterweise st&auml;ndig auf die Unterst&uuml;tzung von deutschen Experten zur&uuml;ckgreifen d&uuml;rfen, die seit Jahren auf diesem Gebiet, sowohl wissenschaftlich als auch im praktischen Alltag, aktiv sind. Allerdings muss dabei auch bedacht werden, dass sich die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland doch deutlich von unseren unterscheiden.</p> <p><em><strong>D) Wie soll es weitergehen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Seit Oktober 2015 l&auml;uft das Pilotprojekt in Tobelbad. Und es hat sich bew&auml;hrt. Die ambulanten Betreuungen fanden bisher in Tobelbad und Klagenfurt statt. Diese werden nun in den Westen &Ouml;sterreichs, nach Bad H&auml;ring, ausgedehnt. Geplant ist, dass Institutionen im Osten &Ouml;sterreichs, also Linz, Nieder&ouml;sterreich und Wien, folgen.</p> <p><strong><em>Gibt es Fortbildungen, um in der Differenzialdiagnostik chronisches Handekzem/Allergie/Atopie zu schulen respektive &uuml;ber neue Therapiem&ouml;glichkeiten aufzukl&auml;ren?<br /> W. Aberer:</em></strong> Ja, es gibt diese Fortbildungen. Begonnen wurde vor allem in den Berufsschulen f&uuml;r Friseure, dies wird schrittweise ausgedehnt, und es gibt nat&uuml;rlich auch Kurse und Fortbildungen f&uuml;r Arbeitsmediziner und Dermatologen, um diese mit den spezifischen Gefahren der verschiedenen Berufe und den Belastungsfaktoren bekannt zu machen und ihnen die Pr&auml;ventions- und Rehabilitationsma&szlig;nahmen zu vermitteln.</p> <p><em><strong>Therapieresistenzen frustrieren nicht nur den Patienten, sondern auch den behandelnden Hautarzt. Gibt es ein therapeutisches Licht am Horizont?<br /> W. Aberer:</strong></em> Bekannterma&szlig;en wird jedes Ekzem anf&auml;nglich recht erfolgreich mit Kortisonsalben behandelt. Die Patienten erleben sofort den Erfolg, leider allerdings bei Fortbestehen der Belastung auch das rasche Rezidiv. Und dies wird dann nicht so selten zum Teufelskreis: wieder ein Ekzem, noch mehr Kortison, bis es nicht mehr geht. Und hier ist Schulung das therapeutische Licht am Horizont: Wogegen kann und muss ich mich mit welchen Mitteln sch&uuml;tzen? Wie arbeite ich sicher? Da ist vieles m&ouml;glich, es muss nur entsprechend konsequent unterrichtet und dann auch umgesetzt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s20.jpg" alt="" width="1105" height="723" /></p> <p><em><strong>Welches sind die Vorteile und Limitationen einer Behandlung mit dem Wirkstoff Alitretinoin?<br /> W. Aberer:</strong></em> Alitretinoin ist ein Retinoidpr&auml;parat, das speziell f&uuml;r die Behandlung von Handekzemen entwickelt und zugelassen worden ist. Bei etlichen Patienten mit chronischem Handekzem f&uuml;hrt es in Kombination mit allen anderen Ma&szlig;nahmen zu einer deutlichen Besserung und nicht selten zur vollst&auml;ndigen Abheilung. Bei manchen Patienten ist, vor allem bei weiterbestehender gleicher Belastung, der Therapieerfolg nicht so &uuml;berzeugend. Was die Nebenwirkungen betrifft: Die sind meistens gut beherrschbar &ndash; wenn sie &uuml;berhaupt auftreten. Die einzige gravierende Problematik, die bedacht werden muss, ist die Teratogenit&auml;t der Retinoide.</p> <p><em><strong>Und was sind die Ziele der Awarenesskampagne?<br /> W. Aberer:</strong></em> Ideal &ndash; aber surreal &ndash; w&auml;re das vollst&auml;ndige Verhindern aller Probleme, noch bevor sie entstehen; das wird es nicht geben. Aber die prompte und erfolgreiche Behandlung auftretender Probleme und das Erlernen der ad&auml;quaten Schutzma&szlig;nahmen, prim&auml;r auf ambulanter Ebene, sind das kurz- bis mittelfristige Ziel. Daneben sollen durch intensive Schulung kostspielige und letztlich nicht zielf&uuml;hrende Umschulungen und vor allem Arbeitsunf&auml;higkeit, die Zahl der Krankenst&auml;nde sowie Belastungen f&uuml;r den Betroffenen und den Betrieb m&ouml;glichst minimiert werden.</p> <p><em><strong>Welches sind die gr&ouml;&szlig;ten Herausforderungen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Eine aktuelle Herausforderung stellt das Motivieren von &Auml;rzten dar, in die Berufsdermatologie &bdquo;einzusteigen&ldquo;. Dermatologen kennen die Arbeitspl&auml;tze und die dort lauernden Gefahren nicht, Arbeitsmedizinern fehlt nicht selten das dermatologische Know-how. Beide k&ouml;nnen vieles von Gesundheitsp&auml;dagogen, Ergotherapeuten, Psychologen, Juristen und anderen Berufsgruppen lernen, um die Haut von betroffenen Berufst&auml;tigen gesund zu erhalten bzw. ihre Gesundheit wiederherzustellen. Pr&auml;vention kommt vor Rehabilitation &ndash; und Rehabilitation vor Invalidit&auml;t. <br /> Danke f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</p></p>
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