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Schulung ist das Licht am Horizont
Jatros
30
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07.09.2017
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<p class="article-intro">Berufsdermatosen wie das chronische Handekzem werden oft mit Schlagwörtern wie „mühsam“, „langwierig“ oder „therapieresistent“ assoziiert. Mit der vor einem Jahr gestarteten Awarenesskampagne ist von der Universitätsklinik für Dermatologie, Graz, allen voran von Prof. Dr. Werner Aberer, gemeinsam mit der AUVA ein kreatives Projekt initialisiert worden, das bereits erste Erfolge zeigt.</p>
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<p class="article-content"><p><em><strong>Warum interessiert das Thema Berufsdermatosen abgesehen von Betroffenen so wenige Menschen, unabhängig davon, ob es sich um Ärzte, Gesundheitspolitiker, Krankenkassen oder Träger von Krankenhäusern handelt?<br /> W. Aberer:</strong></em> Berufsdermatosen standen in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade im Brennpunkt der ärztlichen Aufmerksamkeit. Meistens sind es „nur“ Ekzeme, die jedoch den Betroffenen massiv quälen, vor allem, wenn sie an der Hand, unserem unverzichtbaren Arbeitsorgan, auftreten. Die ärztliche Haltung könnte man, mit einem gewissen Zynismus betrachtet, so umschreiben: „Was ist schon ein Ekzem? Unansehnlich, rot, schuppend, es juckt zwar den Betroffenen, aber prinzipiell ist es uninteressant. Es ist keine Hauterkrankung, die uns interessiert, weder vom Pathomechanismus noch von der Therapie her.“ Ekzeme wurden in der Vergangenheit meist mit Steroidsalben behandelt, wenn sie sich überhaupt behandeln ließen, und wenn dies nicht der Fall war, wurde der Patient entweder von seinem Arbeitsplatz entfernt, umgeschult oder in die Invaliditätspension geschickt.</p> <p><br /> <em><strong>Welche Risikofaktoren begünstigen das chronische Handekzem?<br /> W. Aberer:</strong></em> Personen mit Nassberufen sind besonders prädisponiert, ein chronisches Handekzem zu entwickeln. Risikofaktoren sind grundsätzlich der Kontakt mit Chemikalien, die teilweise auch potente Allergene sind, und die oft notwendige lange Verwendung von Schutzhandschuhen, die ein ungünstiges Mikroklima verursacht. Daneben gibt es individuelle Belastungsfaktoren wie eine zugrunde liegende Atopiedisposition und schließlich sind es auch mechanische und andere physikalische Einflüsse, die bei Kontakt mit gefährdenden Stoffen die Schutzmechanismen der Haut überfordern können.</p> <p><br /> <em><strong>Warum ist die Prävention so wichtig und warum ist sie in der Praxis so schwierig umzusetzen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Prävention, also die Haut gesund zu erhalten, ist deswegen besonders wichtig, weil eine Störung der Hautbarriere durch das Ekzem das Eindringen von gefährlichen Substanzen in die Haut ermöglicht, was weitere Irritation und auch die Allergieentstehung begünstigt. Ist die Haut einmal geschädigt und besteht das Ekzem, so ist jeder weitere noch so harmlose Kontakt, bis hin zu jenem mit klarem Wasser, ekzemverstärkend wirksam. Deshalb ist es besonders wichtig, die Haut durchgehend gesund zu erhalten. Eingetretene Sensibilisierungen, also Allergien, sind nicht mehr umkehrbar und stellen damit einen lebenslänglich permanenten Belastungsfaktor dar, dem oft bei Fortführen des Berufs nicht konsequent genug entgegengewirkt werden kann. Warum der Präventionsgedanke so schwierig umzusetzen ist? Weil es mit einem gewissen Aufwand, einem Umdenken verbunden ist. Und solange es keine Probleme gibt, wird dieser Aufwand nur als Belastung empfunden.</p> <p><br /> <em><strong>Löblicherweise hat die AUVA mit Dermatologen und Apotheken 2016 eine Awarenesskampagne gestartet. Gibt es erste Erfolge? <br /> W. Aberer:</strong></em> Die Awarenesskampagne hat das getan, was sie tun sollte: Sie hat aufgeweckt! Die prophylaktischen Maßnahmen setzen sich langsam durch. Besuche in den Berufsschulen, wo in den Risikoberufen ausgebildet wird und wo den noch nicht Erkrankten gezeigt wird, wie man sich schützen und sicher arbeiten kann, beginnen zu greifen. Die Zahl der Neuerkrankten ist seither gesunken und die bereits Erkrankten konnten feststellen, dass sich jemand um sie kümmert und sich ihres Problems wirklich annimmt. Und damit wurde manches losgetreten: Betroffene suchen kompetente Hilfe und finden durch die Kampagne fachkundige Ansprechpartner.<br /> Das neue Präventionsmodell kommt bereits in Tobelbad und Bad Häring zum Einsatz.</p> <p><em><strong>A) Welche Berufsgruppen profitieren am meisten davon? <br /> W. Aberer:</strong></em> Zurzeit sind es die Berufsgruppen, die auch am häufigsten betroffen sind – alle Risikoberufe, die pauschal als Nassberufe eingestuft werden können. Es sind dies Friseure und Kosmetiker, Personen im Hotel- und Gaststättengewerbe, insbesondere Köche, aber auch Personen aus der Metallbranche, dem Baugewerbe und den Gesundheitsberufen, die jetzt aktiv Hilfe suchen. Darüber hinaus sind auch Personen aus Abfall- und Reinigungsberufen u.v.a. betroffen und können durchaus profitieren.</p> <p><em><strong>B) Wie wird das Präventionsmodell angenommen? <br /> W. Aberer:</strong></em> Sehr gut, vor allem was die ambulante Beratung und die Versorgung mit auf den einzelnen Betroffenen und seinen spezifischen Arbeitsplatz abgestimmten Schutzmaßnahmen betrifft. Das fachliche Gespräch, die Hilfsmittel werden meist dankbar angenommen. Die Spitze des Eisberges, die schwerer Erkrankten, die einer stationären Betreuung bedürfen, werden umfassend geschult und können – wie die bisherigen Erfahrungen zeigen – in den allermeisten Fällen in ihren Berufen verbleiben, ausgestattet mit den entsprechenden organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen sowie dem Verständnis dafür.</p> <p><em><strong>C) Welche und wie viele Ärzte sind damit befasst? <br /> W. Aberer:</strong></em> Es sind insbesondere Dermatologen und Arbeitsmediziner, welche die ambulante Betreuung konsequent umsetzen, und es sind dieselben Berufsgruppen, die derzeit in Tobelbad die stationäre Betreuung und Schulung übernommen haben. Wobei wir dankenswerterweise ständig auf die Unterstützung von deutschen Experten zurückgreifen dürfen, die seit Jahren auf diesem Gebiet, sowohl wissenschaftlich als auch im praktischen Alltag, aktiv sind. Allerdings muss dabei auch bedacht werden, dass sich die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland doch deutlich von unseren unterscheiden.</p> <p><em><strong>D) Wie soll es weitergehen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Seit Oktober 2015 läuft das Pilotprojekt in Tobelbad. Und es hat sich bewährt. Die ambulanten Betreuungen fanden bisher in Tobelbad und Klagenfurt statt. Diese werden nun in den Westen Österreichs, nach Bad Häring, ausgedehnt. Geplant ist, dass Institutionen im Osten Österreichs, also Linz, Niederösterreich und Wien, folgen.</p> <p><strong><em>Gibt es Fortbildungen, um in der Differenzialdiagnostik chronisches Handekzem/Allergie/Atopie zu schulen respektive über neue Therapiemöglichkeiten aufzuklären?<br /> W. Aberer:</em></strong> Ja, es gibt diese Fortbildungen. Begonnen wurde vor allem in den Berufsschulen für Friseure, dies wird schrittweise ausgedehnt, und es gibt natürlich auch Kurse und Fortbildungen für Arbeitsmediziner und Dermatologen, um diese mit den spezifischen Gefahren der verschiedenen Berufe und den Belastungsfaktoren bekannt zu machen und ihnen die Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen zu vermitteln.</p> <p><em><strong>Therapieresistenzen frustrieren nicht nur den Patienten, sondern auch den behandelnden Hautarzt. Gibt es ein therapeutisches Licht am Horizont?<br /> W. Aberer:</strong></em> Bekanntermaßen wird jedes Ekzem anfänglich recht erfolgreich mit Kortisonsalben behandelt. Die Patienten erleben sofort den Erfolg, leider allerdings bei Fortbestehen der Belastung auch das rasche Rezidiv. Und dies wird dann nicht so selten zum Teufelskreis: wieder ein Ekzem, noch mehr Kortison, bis es nicht mehr geht. Und hier ist Schulung das therapeutische Licht am Horizont: Wogegen kann und muss ich mich mit welchen Mitteln schützen? Wie arbeite ich sicher? Da ist vieles möglich, es muss nur entsprechend konsequent unterrichtet und dann auch umgesetzt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s20.jpg" alt="" width="1105" height="723" /></p> <p><em><strong>Welches sind die Vorteile und Limitationen einer Behandlung mit dem Wirkstoff Alitretinoin?<br /> W. Aberer:</strong></em> Alitretinoin ist ein Retinoidpräparat, das speziell für die Behandlung von Handekzemen entwickelt und zugelassen worden ist. Bei etlichen Patienten mit chronischem Handekzem führt es in Kombination mit allen anderen Maßnahmen zu einer deutlichen Besserung und nicht selten zur vollständigen Abheilung. Bei manchen Patienten ist, vor allem bei weiterbestehender gleicher Belastung, der Therapieerfolg nicht so überzeugend. Was die Nebenwirkungen betrifft: Die sind meistens gut beherrschbar – wenn sie überhaupt auftreten. Die einzige gravierende Problematik, die bedacht werden muss, ist die Teratogenität der Retinoide.</p> <p><em><strong>Und was sind die Ziele der Awarenesskampagne?<br /> W. Aberer:</strong></em> Ideal – aber surreal – wäre das vollständige Verhindern aller Probleme, noch bevor sie entstehen; das wird es nicht geben. Aber die prompte und erfolgreiche Behandlung auftretender Probleme und das Erlernen der adäquaten Schutzmaßnahmen, primär auf ambulanter Ebene, sind das kurz- bis mittelfristige Ziel. Daneben sollen durch intensive Schulung kostspielige und letztlich nicht zielführende Umschulungen und vor allem Arbeitsunfähigkeit, die Zahl der Krankenstände sowie Belastungen für den Betroffenen und den Betrieb möglichst minimiert werden.</p> <p><em><strong>Welches sind die größten Herausforderungen?<br /> W. Aberer:</strong></em> Eine aktuelle Herausforderung stellt das Motivieren von Ärzten dar, in die Berufsdermatologie „einzusteigen“. Dermatologen kennen die Arbeitsplätze und die dort lauernden Gefahren nicht, Arbeitsmedizinern fehlt nicht selten das dermatologische Know-how. Beide können vieles von Gesundheitspädagogen, Ergotherapeuten, Psychologen, Juristen und anderen Berufsgruppen lernen, um die Haut von betroffenen Berufstätigen gesund zu erhalten bzw. ihre Gesundheit wiederherzustellen. Prävention kommt vor Rehabilitation – und Rehabilitation vor Invalidität. <br /> Danke für das Gespräch!</p></p>
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