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Melanom

Radikale Lymphadenektomie in Diskussion

<p class="article-intro">Bei Melanomen mit mehr als einem Millimeter Dicke und positivem Sentinellymphknoten war bislang die radikale Lymphadenektomie Standard. Aktuelle Daten aus kontrollierten Studien zeigen jedoch, dass dieses Vorgehen keinen Überlebensvorteil bringt, sehr wohl aber zu Nebenwirkungen und Komplikationen führt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Status des Sentinellymphknotens ist bei Melanomen ab einem Millimeter Tumordicke ein bedeutsamer Pr&auml;diktor f&uuml;r Prognose und Rezidiv und wurde daher in das Staging-System des American Joint Committee on Cancer (AJCC) aufgenommen. Bei positivem Sentinellymphknoten ist seit vielen Jahren eine radikale Lymphadenektomie Standard. Allerdings wurde zunehmend die Frage gestellt, ob diese Ma&szlig;nahme &uuml;berhaupt zu einer Verbesserung des &Uuml;berlebens f&uuml;hrt, zumal die Datenlage widerspr&uuml;chlich war und die Evidenz, die dieses Vorgehen st&uuml;tzte, zum Teil aus nicht kontrollierten Arbeiten stammte. Diese Frage konnte naheliegenderweise nur mit einer Studie beantwortet werden. Die Diskussionen zu dieser Studie wurden zum Teil sehr emotional gef&uuml;hrt, wie Prof. Dr. Rudolf Stadler von der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Phlebologie in Minden berichtet: &bdquo;Die komplette Lymphadenektomie wurde in den 90er-Jahren in Deutschland fl&auml;chendeckend eingef&uuml;hrt. Daher wurde eine intensive Debatte gef&uuml;hrt, ob eine kontrollierte Studie zu dieser Fragestellung &uuml;berhaupt ethisch vertretbar ist.&ldquo;</p> <h2>Kein &Uuml;berlebensvorteil durch radikale Lymphadenektomie</h2> <p>Schlie&szlig;lich gelangte man zu dem Schluss, dass die Studie (DeCOG-SLT) durchgef&uuml;hrt werden kann und soll und dies geschah schlie&szlig;lich mit Unterst&uuml;tzung der Deutschen Krebshilfe. Rekrutiert wurden mehr als 5000 Patienten, von denen 1269 Mikrometastasen entwickelt hatten. Der Randomisierung stimmten allerdings nur 483 zu, von denen 241 in den Beobachtungsarm kamen. Die erste geplante Auswertung erfolgte neun Jahre nach Studienbeginn. Die Ergebnisse wurden 2016 publiziert und zeigten keinen Vorteil durch die radikale Lymphadenektomie. Das metastasenfreie &Uuml;berleben &uuml;ber drei Jahre war in den beiden Armen praktisch exakt gleich. Der prim&auml;re Endpunkt, das &Uuml;berleben ohne Fernmetastasen, betrug nach drei Jahren im Beobachtungsarm 77,0 % (90 % CI: 71,9&ndash;82,1; 55 &bdquo;events&ldquo;) und im Operationsarm 74,9 % (69,5&ndash;80,3; 54 &bdquo;events&ldquo;). Auch hinsichtlich des Melanom-spezifischen &Uuml;berlebens sowie des rezidivfreien &Uuml;berlebens und des Gesamt&uuml;berlebens traten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Armen auf. Daf&uuml;r waren Nebenwirkungen der kompletten Lymphadenektomie &ndash; insbesondere Lymph&ouml;deme &ndash; h&auml;ufig.<sup>1</sup> Dieses Ergebnis blieb, so Stadler, in weiteren Auswertungen bis zu 48 Monate stabil.</p> <h2>Zweite kontrollierte Studie best&auml;tigt DeCOG-SLT</h2> <p>Die Ergebnisse von DeCOG-SLT wurden mittlerweile in der MSLT-II-Studie auch f&uuml;r gr&ouml;&szlig;ere SLN-Metastasen best&auml;tigt. Eingeschlossen waren 1939 Melanompatienten mit einer Tumordicke von 1,2 bis 3,5mm. Auch in dieser Arbeit wurde kein &Uuml;berlebensvorteil durch die Lymphadenektomie beobachtet. Das Melanom- freie &Uuml;berleben nach drei Jahren, der prim&auml;re Endpunkt der Studie, war in beiden Gruppen mit 86,0 % identisch.<sup>2</sup> Der Grund f&uuml;r diese Befunde d&uuml;rfte in den Metastasierungswegen des Melanoms liegen. So zeigen Registerdaten, dass Melanome nur in 38,4 % der F&auml;lle &uuml;ber die Lymphbahn streuen und dass mehrheitlich eine gemischte oder h&auml;matogene Metastasierung vorliegt. Die Autoren dieser Arbeit gelangten zu dem Schluss, dass sich Lokalund Fernmetastasierung parallel und nicht seriell ereignen und die Dissektion der Lymphbahn aus diesem Grund keinen klinischen Vorteil bringe.<sup>3</sup><br /> Angesichts dieser Befunde m&uuml;sse nun, so Stadler, der aktuelle Therapiestandard hinterfragt werden. Die beiden randomisierten, kontrollierten Studien seien als &bdquo;practice changing&ldquo; zu verstehen. Da die komplette Lymphadenektomie offenbar keinen &Uuml;berlebensvorteil bringt, solle man Patienten mit kleinen Mikrometastasen unter einem Millimeter diese h&auml;ufig mit Komplikationen behaftete Prozedur ersparen. Bei h&ouml;herer Tumorlast, also bei gr&ouml;&szlig;eren Metastasen im SLN, sollten Vor- und Nachteile der Lymphadenektomie mit den Patienten besprochen werden.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie<br> und Venerologie, 30. November bis 2. Dezember,<br> Salzburg </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leiter U et al.: Complete lymph node dissection versus no dissection in patients with sentinel lymph node biopsy positive melanoma (DeCOG-SLT): a multicentre, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17(6): 757-67 <strong>2</strong> Faries MB et al.: Completion dissection or observation for sentinel-node metastasis in melanoma. N Engl J Med 2017; 376(23): 2211-22 <strong>3</strong> Gassenmaier M et al.: Serial or parallel metastasis of cutaneous melanoma? A study of the German Central Malignant Melanoma Registry. J Invest Dermatol 2017; 137(12): 2570-7</p> </div> </p>
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